Essen/Höxter. Auch Hobbygärtner und Blumenzüchter leiden unter der Hitze. Welche Pflanzen Experten empfehlen und warum heimische Stauden weniger Durst haben.
Diese Hitze, dieser Durst. Zu viel Sonne für den Nachthimmel, wie die lila Petunie mit den weißen Punkten heißt. Morgens und abends braucht sie reichlich Wasser, sonst lässt sie alle Köpfe hängen. Der heiße Juni, der, so weit die Prognosen reichen, es bleiben soll, hinterlässt auch in den Gärten seine Spuren. Der Wasserverbrauch steigt, die Frusttoleranz sinkt. Vor allem bei denen, die mit nicht ganz so grünen Daumen bedacht wurden und in deren Beeten, Töpfen und Ampeln sich Verderbnis breit macht. Für beides – Gieß- und Pflegefrust – gibt es Lösungen.
Die beliebten Zierstauden aus dem Gartencenter gehören für Ralf Haffke nicht dazu. Der frühere Chef der Höxteraner Stadtgärtnerei hat erst für sich und nun auch für die Landesgartenschau heimische Stauden entdeckt, dort einen wilden Naturgarten angelegt. Vor allem, um die Insektenvielfalt zu stärken und den in Ziergärten gestörten Kreislauf von Pflanzen und Tieren sowie das Gleichgewicht von Nützlingen und Schädlingen wiederzubeleben. Aber nicht nur deshalb. Zu schätzen gelernt hat er dabei die Genügsamkeit und Anpassungsfähigkeit der heimischen Pflanzen, auch was Dürre und Hitze angeht.
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Wildstauden sind meist robuster als Züchtungen
Wildstauden seien viel robuster als Zuchtpflanzen, hätten weniger mit Schädlingen zu kämpfen, bräuchten keinen Dünger. Und: „Sie vertragen längere Trockenphasen viel besser. In der Natur kommt ja auch keiner mit dem Gartenschlauch und Düngemitteln angelaufen“, sagt Haffke. Beides hänge voneinander ab: Stark gedüngte Pflanzen vertrocknen schneller, weil der Salzgehalt der Erde steigt. Kurzum: Naturgärten machen weniger Arbeit und brauchen weniger Wasser. Gut zu wissen für eher unbedarfte Hobbygärtner.
Auch er habe früher heimische Pflanzen wie Unkraut „einfach weg gehackt“, erzählt der Stadtgärtner. Heute rät er Besucherinnen und Besuchern seines Naturgartens auf der Landesgartenschau zum Beispiel dies: „Pflanzen Sie doch mal einen einzelnen Löwenzahn und beobachten Sie, was daraus wird.“ Oder eine Lichtnelke oder eine Wilde Karde oder einen Blutweiderich – in Höxter zeigt Haffkes Naturgarten 60 robuste heimische Arten. „Das sind wilde Schönheiten, die können Sie gar nicht kaufen“, schwärmt Haffke.
Auch der Naturschutzbund empfiehlt heimische Pflanzen: Wildstauden wie Graslilie, Sandthymian oder Karthäusernelke und Gehölze wie Wolliger Schneeball und Wacholder kämen auch im Garten gut mit Trockenheit klar als Geranien und andere exotische Pflanzen, rät Nabu-Gartenexpertin Melanie Konrad. Wichtig sei es auch, den Boden zwischen den Pflanzen öfter zu hacken und seltener, dafür aber mehr in größeren Mengen zu gießen, damit das Wasser tiefer sickert und die Pflanzen längere Wurzeln bilden.
Gärtnerprofi: Topseller wie Hortensien nicht mehr zeitgemäß
Was am Wegesrand als Unkraut empfunden werde, wirke ganz anders, wenn man einzelne Exemplare gezielt pflanzt, sagt Haffke, der auf möglichst viele Nachahmer hofft. Da bisher wenige Gärtnereien heimische Stauden abseits von Margeriten & Co. anbieten, hat er das Naturgarten-Forum ins Leben gerufen, in dem sich Gleichgesinnte gegenseitig mit Pflanzen und Samen versorgen.
Die große Mehrheit wird allerdings auch künftig ihre Blumen, Stauden, Sträucher und Bäume in Gärtnereien und Baumschulen kaufen. Deshalb kann und will Kay Moldenhauer in seinem Duisburger Betrieb „Die Gartenprofis“ nicht auf Topseller verzichten, auch wenn sie zu den durstigeren zählen, wie der beliebte Rhododendron oder die Hortensie. „Wir sind schon auf ein gewisses Standardsortiment angewiesen, auch wenn manche Pflanzen nicht mehr ganz zeitgemäß sind“, sagt er. Trotzdem sei klar: „In der Botanik gibt es Gewinner und Verlierer des Klimawandels. Deshalb stellen wir unser Sortiment sukzessive auf robustere und hitzeresistentere Arten um“, sagt Moldenhauer.
Neue Sorten müssen erst einmal „durchs Stahlbad“
Was nicht über Nacht funktioniert. Bis er eine neue Sorte verkaufen könne, kultiviere er sie vier, fünf Jahre lang. Und lasse sie dabei „durch ein Stahlbad gehen“, sagt der Chef der „Gartenprofis“. Was er damit meint? Die Pflanzen werden nicht ununterbrochen bewässert, sondern auch länger sich selbst überlassen. „Wenn Sie dann mal braune Blätter kriegen, sich aber wieder erholen und tiefer wurzeln, kann ich sie zwar vielleicht erst im nächsten Jahr verkaufen, dann aber mit gutem Gewissen“, so Moldenhauer.
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Wer ihn unvoreingenommen um Rat frage, dem empfehle er vor allem bei Bäumen zunehmend Arten, die bisher eher tendenziell im mediterranen Raum oder anderen südlichen Gefilden ihre Herkunft hätten und deshalb besser mit den heißeren Sommern klarkommen, die sich in Mitteleuropa häufen. Dazu gehörten etwa der tief wurzelnde Amberbaum oder die Blasenesche, wohingegen zum Beispiel einige Ahornsorten deutlich mehr mit Hitze und Trockenheit zu kämpfen hätten.
Regenwasser auffangen, Gießen optimieren
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Unter den Gärtnereien sei die Wertschätzung für das Wasser in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. „Schon aus reinem Selbsterhaltungstrieb“, sagt er, „haben wir auf Tröpfchenbewässerung umgestellt“. Zudem werde das Regenwasser von den Dächern und versiegelten Flächen aufgefangen und genutzt. Das rät er den Leuten auch für ihre privaten Gärten. Einen sparsamen Umgang mit Wasser könne auch der Staat fördern, meint Moldenhauer.