Seit Jahren kämpft NRW mit Dürre und Trockenheit, das Grundwasser sinkt. Das sorgt für Konflikte, vor allem in der Landwirtschaft. Darum geht es.

NRW droht auszutrocknen, langsam und stetig. Das jedenfalls legen Fachberichte von Hydrologen nahe. So sagte es NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) im August vergangenen Jahres, als der Rhein bei Emmerich für Schlagzeilen sorgte. Dort, kurz vor der niederländischen Grenze, maßen Mitarbeiter der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung einen Pegelstand des Rheins, den es so noch nie gegeben hatte: null Zentimeter. Vom Rhein, dem Vater aller Flüsse, war nicht mehr als eine schmale Fahrrinne übriggeblieben. Trockene Flussläufe, staubige Äcker: Kann es wirklich sein, dass in NRW das Wasser knapp wird für Menschen, Pflanzen und Gewässern?

„Dass Trinkwasser knapp wird, davon sind wir meiner Ansicht nach noch weit entfernt“, sagt Gewässer-Ökologe Prof. Daniel Hering von der Uni Duisburg-Essen. „Doch wir haben hier in NRW bereits erlebt, dass Wasser für Pflanzen oder für die Landwirte knapp werden kann. 2018 und 2019 hatte unser Wald viel zu wenig Wasser, die Folgen sehen wir noch heute - massive Waldschäden“, sagt Hering. „Wasser für Land- und Forstwirtschaft ist in der Tat ein Engpass, und ich befürchte, dass es schlimmer werden wird.“

Unser Schwerpunkt zum Thema Wasser und Dürre in NRW:

Daten des LANUV: So steht es momentan ums Wasser in NRW

Seit dem vergangenen Dezember hat es gefühlt durchgeregnet. „Geplästert“, wie die Menschen hier sagen. Und so klingt der jüngste hydrologische Bericht des Landesamtes für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz alles andere als staubtrocken. Jetzt, zu Beginn der ersten trockenen Periode in diesem Jahr, sind die Talsperren von Rur, Ruhr, Sieg und Wupper nahezu zu 90 Prozent gefüllt, Tendenz fallend. Die Wasserstände der Fließgewässer in NRW zeigen für die Jahreszeit typische Wasserstände, Tendenz fallend. Der Pegel des Rheins liegt bei Wesel bei knapp unter 2,50 Meter. Ein guter Meter noch bis zum Niedrigwasser, Tendenz fallend.

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Die Böden zeigen laut LANUV bis auf vereinzelte Regionen im Südosten und Norden des Landes weder Dürreerscheinungen noch eine bemerkenswert niedrige Bodenfeuchte. Die Grundwasserspiegel hätten sich erholt, auch wenn 60 Prozent der Messstellen niedrige Pegel anzeigten als im Mai 2016. An dieser Stelle enden die guten Nachrichten für NRW.

Prof. Daniel Hering, Gewässer-Ökologe von der Uni Duisburg-Essen.
Prof. Daniel Hering, Gewässer-Ökologe von der Uni Duisburg-Essen. © Universität Duisburg-Essen.

„Wir sehen eine Momentaufnahme“, sagt Hering. Zwei Jahre habe es gebraucht hat, ehe sich der Grundwasserspiegel wieder erholt habe. Das gilt aber nur für NRW und den Westen Deutschlands, denn im Osten hat sich die Grundwassersituation nicht nachhaltig verbessert“, ergänzt er. Knallrot aber ist aktuell auch die Dürrekarte des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung, wenn sie in NRW die von Pflanzen durchwurzelte Bodenschicht anzeigt: „Es mag für NRW so sein, dass wir uns im Moment um das tiefe Grundwasser weniger Sorgen machen müssen. Aber beim pflanzenverfügbaren Wasser im Boden ist die Situation schon wieder am Anschlag. Dabei stehen wir erst am Anfang des Sommers. Es ist zu erwarten, dass es auch in diesem Jahr wieder Schäden geben wird.“

Klimawandel und Böden: Das Grundwasser wird weniger

Das eigentliche Problem aber liegt tiefer: Das Grundwasser wird weniger. Seit 2018 kämpfe das Land mit heftiger, langanhaltender Trockenheit, insbesondere in den Sommermonaten, stellt Hering fest. „Wir haben keine Abnahme des Niederschlags, die Verteilung ändert sich. Im Winter fällt mehr Niederschlag, im Sommer mehren sich dafür die trockenen Monate. Was sich ebenfalls ändert, ist die Art, wie der Niederschlag niedergeht“, ergänzt der Professor für angewandte Hydrobiologie.

„Der langanhaltende Regen, der Grundwasser bildet und die Böden durchfeuchtet, wird weniger. Dafür gibt es nun häufiger Sommergewitter, bei denen Starkregen auf trockene, steinharte Böden niedergeht“, so Hering. Dort aber könne das Wasser nicht in die Böden eindringen, sondern fließe oberirdisch in Gewässer ab. „Für die Böden, Tiere und Pflanzen ist dieses Wasser verloren“, sagt er. „Es kann somit nicht zur Neubildung von Grundwasser beitragen.“

Das Landesamt für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz (LANUV) zeichnet diesen Verlust in ihren hydrologischen Fachberichten nach. Seit Jahren ist die Neubildung des Grundwassers defizitär, bestätigen die Fachleute auf Anfrage. Die Grundwasserspiegel steigen in den niederschlagsreicheren Wintermonaten, in den trockenen Sommern und langfristig auch im Mittel sinken sie. „In den vergangenen Jahren ist das abfließende Wasser besonders auf landwirtschaftlichen Flächen zum Problem geworden“, sagt Hering. „Nach der Ernte, wenn keine Zwischenfrucht angebaut wurde, ist in den harten oberen Bodenschichten oftmals kein Leben, es gibt keine Regenwürmer, die den Boden auflockern und so dafür sorgen, dass Wasser eindringen kann.“

Wasserrechte in NRW: Die kommenden Konflikte ums Wasser

Trinkwasser in NRW kann nicht knapp werden, es hat per Gesetz Priorität. Und doch gibt es Verteilungskämpfe um die Wasserrechte, um die Nutzung einer endlichen Ressource. 2021, so die letzten Daten des LANUV, wurden aus dem Grundwasser 1,3 Milliarden Kubikmeter für die Aufbereitung von Trinkwasser entnommen. Mehr als das Doppelte, 3,12 Milliarden Kubikmeter, verbrauchte die Industrie und das Gewerbe in NRW. Darunter fast 800 Millionen Kubikmeter Wasser, überwiegend aus Flüssen und Gewässern, die Kühlung stromerzeugender Kraftwerke benötigt wurden. Etwas über 700 Millionen Kubikmeter Wasser verbrauchte der Bergbau, auch für die Gewinnung von Steinen und Erden.

„Wo ich in besonderer Weise Konflikte sehe, ist in der Landwirtschaft“, sagt Hering. „Der Bedarf an Wasser steigt in den trockenen Sommermonaten, das sehen wir gerade sehr massiv im Osten Deutschlands.“ In NRW muss die Landwirtschaft kein Entgelt für die Entnahme von Wasser bezahlen. Laut Landwirtschaftskammer NRW werden im Land etwa 60.000 Hektar landwirtschaftliche Flächen beregnet, im Schnitt würden dafür 60 Millionen Kubikmeter Wasser genutzt. Wie viel genau, kann das LANUV nicht sagen: Da die Landwirtschaft nicht entgeltpflichtig ist, gibt es keine Zählerstände.

Hydrobiologe Hering: Wir brauchen mehr Schwammstrukturen

„Wir müssen dazu kommen, wieder mehr Wasser in der Landschaft zu speichern“, sagt Hering und fordert ein Umdenken auf den Äckern: „Ein Großteil der landwirtschaftlichen Flächen wird durch Drainagen entwässert, damit die Flächen nicht zu feucht werden. Man sollte sich fragen, wo man diese Drainagen nach und nach aufgeben kann“, so Hering. „Wir sollten mehr Gewässer renaturieren. Moore, Bruchwälder, überhaupt Wälder – sie können das Wasser ganz anders speichern als es ein Acker vermag. Wir brauchen mehr von diesen Schwammstrukturen, die in Trockenzeiten das Wasser langsam wieder an die Fließgewässer abgeben können und diese vor dem Austrocknen bewahren.“