Essen. Die Niederlande und das Ruhrgebiet vertiefen ihre Zusammenarbeit. Vor allem bei der Wasserstoff-Pipeline in Venlo zeichnet sich die Nähe aus.

Die Niederlande und das Ruhrgebiet sind sich nicht nur räumlich nahe. Auch wirtschaftlich gibt es dichte Verflechtungen. Vor allem beim Zukunftsthema Wasserstoff könnte sich die enge Bande jetzt als Glücksfall erweisen.

Wegen der Corona-Pandemie war es fast schon untergegangen, dass die Business Metropole Ruhr (BMR) Anfang 2022 nach China, Israel und USA ihre vierte „Innovation Bridge“ in die Niederlande schlug. Zu keinem anderen Land unterhält NRW so enge wirtschaftliche Beziehungen. Mehr als 100.000 Menschen arbeiten in über 4000 niederländischen Firmen in NRW. Ein Großteil von ihnen hat ihren Sitz im Ruhrgebiet. Nun soll das Miteinander weiter vertieft werden.

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„Allein der gemeinsame Handel zwischen NRW und den Niederlanden kommt jährlich auf einen Umsatz von 75 Milliarden Euro. Das sind bedeutende wirtschaftliche Beziehungen“, sagt Peter Schuurman, Generalkonsul des Königreichs der Niederlande. Von Düsseldorf aus haben er und sein rund zwölfköpfiges Team auch das angrenzende Niedersachsen im Blick. Ökonomisch spielt die Musik aber an Rhein und Ruhr. „Seinen ersten Schritt ins Ausland tut ein niederländisches Start-up fast immer nach NRW. Picnic und Wuunder sind da herausragende Beispiele“, meint Schuurman. Picnic hat sich im Ruhrgebiet mit Abstand zum größten Online-Supermarkt entwickelt. Auf Expansionskurs ist auch der grüne Logistikdienstleister Wuunder.

„In den Niederlanden müssen wir das Ruhrgebiet nicht erklären“

Die Business Metropole Ruhr versteht sich aber auch als Türöffnerin für Firmen aus dem Revier, die jenseits der Grenze Fuß fassen wollen. „In den Niederlanden müssen wir das Ruhrgebiet nicht erklären. Man kennt uns – allein schon wegen der räumlichen Nähe. Das macht vieles einfacher“, sagt Geschäftsführerin Julia Frohne. Seit dem Start der Innovation Bridge im Februar 2022 habe die BMR zahlreiche kommunale Wirtschaftsförderungen und Akteure mit Hochschulen, Start-ups und Unternehmen zusammengebracht. „Die deutsche und die niederländische Mentalität passen ganz gut zusammen“, urteilt Frohne.

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Beide Seiten wollen voneinander lernen. „Es gibt Förderpakete der niederländischen Regierung, die auch Machbarkeitsstudien beinhalten. Die Verzahnung von Forschung und Unternehmen ist aber in Deutschland tiefgreifender“, sagt Generalkonsul Schuurman. Eine Delegation aus dem Revier dagegen kehrte voller Eindrücke von einem Besuch aus den Niederlanden zurück. „Für uns war beeindruckend zu sehen, wie in Elst bei Arnheim ein CO2-neutrales Krankenhaus gebaut wird. Unter anderem davon können und wollen wir viel lernen – auch über die Digitalisierung des Medizinsektors“, berichtet Frohne.

Wasserstoff-Pipeline von Venlo ins Ruhrgebiet

Das globale Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 verbindet beide Länder. In Rotterdam soll der grüne Wasserstoff anlanden, den die hiesige Industrie so dringend benötigt, um Kohle und Gas zu ersetzen. „Das Ruhrgebiet ist eine der energieintensivsten Regionen Europas. Wir wollen, dass der Wasserstoff, der aus den Niederlanden in Venlo ankommen wird, zu unseren Unternehmen transportieren wird. Wir brauchen auch einen bezahlbaren Wasserstoffpreis, um unsere Industrie wettbewerbsfähig erhalten zu können“, betont die BMR-Geschäftsführerin.

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Bei der Logistik der Energie der Zukunft spielen die Niederlande eine zentrale Rolle. „Wir werden Wasserstoff in großen Mengen nicht selbst produzieren können. Deshalb sind wir auf Partnerländer angewiesen“, sagt Schuurman. Per Schiff soll er im Seehafen Rotterdam etwa aus Nordafrika nach Europa angeliefert und von dort aus in Leitungen eingespeist werden. „Es ist geplant, dass die Wasserstoff-Pipeline bis Venlo im Jahr 2027 fertiggestellt sein wird. Die bereits bestehenden Öl- und Gasleitungen können genutzt und müssen dafür umgebaut werden. Allerdings läuft hier noch der Genehmigungsprozess. Die Leitung wird ein wichtiger Teil der Lösung sein“, zeigt sich der Generalkonsul optimistisch.

Wirtschaftsförderin Frohne fordert mehr Tempo bei Genehmigungen

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Auch auf der deutschen Seite laufen die Vorbereitungen, die Wasserstoffleitung von Venlo ins Ruhrgebiet zu führen. In großen Teilen ist das Röhrennetz bereits vorhanden. „Das neue Deutschland-Tempo muss beim Bau der Pipeline sichtbar werden. Wir haben ja im Ruhrgebiet den Vorteil, dass wir bestehende Leitungen nur umwidmen müssen“, erklärt Wirtschaftsförderin Frohne und fordert. „Um die Lücken zur Grenze zu schließen, brauchen wir Genehmigungszeiten, die deutlich kürzer sind als bislang. Wir können es uns nicht leisten, mehrere Jahre darauf zu warten.“

>>> Daten und Fakten

In NRW haben sich mehr als 4000 niederländische Unternehmen niedergelassen.

Zwischen 2018 und 2021 gab es 61 bedeutende Investitionen niederländischer Firmen im Ruhrgebiet. Neben Picnic und Wuunder kam auch der Elektronikhändler Coolblue mit Filialen in Düsseldorf und Essen in die Region.

Zu den bedeutenden Playern an Rhein und Ruhr gehören inzwischen aber auch der medizinische Pflegeprodukte-Anbieter Qwiek und die Loogisch GmbH mit Standorten in Dortmund und Bocholt, die cloudbasierte Kommunikations- und Telekommunikationslösungen vertreibt.