Essen. Der Vorstoß von BMR-Chefin Julia Frohne, Gewerbegebiete besser zu nutzen, um mehr Flächen zu schaffen, löst Streit in Politik und Städten dabei.
Der Gewerbeflächen-Mangel im Ruhrgebiet wird immer dramatischer. Der Vorrat von 480 Hektar, die sofort verfügbar sind, reicht keine drei Jahre mehr. Die Business Metropole Ruhr schlägt deshalb einmal mehr Alarm. Mit ihrem Hinweis, dass revierweit beachtliche Potenziale auch durch die bessere Nutzung bestehender Gewerbegebiete gehoben werden könnten, hat sich Geschäftsführerin Julia Frohne allerdings den Unmut zahlreicher kommunaler Wirtschaftsförderer und Politiker auf sich gezogen.
Auch interessant
Eine bereits 2019 gestartete Pilotstudie in Bottrop, Duisburg, Hagen, Ennepetal, Schwelm und Witten, an der die jeweiligen Städte mitwirkten, kam zu dem Ergebnis, dass rund 15 Prozent der Flächen der Gewerbegebiete neu genutzt werden könnten – wenn etwa Ruinen abgerissen, Parkplätze verkleinert und ungenutzte Grundstücke identifiziert würden. Auf einer Konferenz im Dezember wurde ein Leitfaden für alle 53 Revierkommunen entwickelt.
Ein Bericht unserer Zeitung über die Ergebnisse der Studie erzeugte ein ungewöhnlich vernehmbares Echo. Im Netzwerk Linkedin üben kommunale Wirtschaftsförderer Kritik an der Botschaft von Julia Frohne, die „Verdichtung“ der bestehenden Gewerbegebiete könne die Flächennot im Ruhrgebiet lindern. „Wir wollen vermeiden, dass in der Politik der Eindruck entsteht, man müsse nur Gewerbegebiete nachverdichten und hätte dann keine Gewerbeflächenprobleme mehr“, sagte Ralf Meyer im Gespräch mit unserer Redaktion.
Meyer: „Wir benötigen dringend Fördermittel“
Der Geschäftsführer der Wirtschaftsentwicklung Bochum und sein Team sind gerade dabei, acht neue Gewerbegebiete in der Stadt auf den Weg zu bringen. Die Areale seien mit Schadstoffen „hoch belastet“. Meyer: „Um diese Flächen zu sanieren und baureif zu machen, benötigen wir dringend Fördermittel.“
Auch interessant
Das sieht man bei der Business Metropole Ruhr nicht anders. „Unsere Haltung ist klar: Die Kommunen müssen in die Lage versetzt werden, Flächen für alle Anfragen zu entwickeln“, sagte Frohne unserer Redaktion und verdeutlichte, bei der Nachverdichtung gehe es um „viele kleine Flächen, sie dient nicht zur Ansiedlung bei großflächigen Bedarfen.“ Ziel müsse es sein, revierweit 1120 Hektar, die planerisch zur Verfügung stehen, zu erschließen. „Die Kosten für die Aufbereitung dieser Flächen sind hoch. Hier braucht es die Unterstützung des Landes, des Bundes und der EU, damit die Kommunen diese Flächen zielgerichtet entwickeln können“, so Frohne.
Mitschke (CDU): „Die Botschaft könnte falsch ankommen“
Vor allem von der NRW-Landesregierung erwarten sich die Wirtschaftsförderer im Revier dabei Unterstützung. Deshalb warnt auch Roland Mitschke, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Ruhrparlament, davor, den Fokus auf bestehende Gewerbegebiete zu legen. „Die Botschaft könnte bei der Landesregierung völlig falsch ankommen. Dabei brauchen wir dringend Fördermittel, um Brachen zu sanieren“, sagte er unserer Redaktion. Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) hatte in der Vergangenheit immer wieder betont, dass sie keinen zusätzlichen Förderbedarf für das Ruhrgebiet sehe.
Auch interessant
Mitschke, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Business Metropole Ruhr ist, hat aber auch ganz grundsätzliche Bedenken gegen die Nachverdichtung von Gewerbegebieten. „Unternehmen kaufen größere Grundstücke, weil sie irgendwann einmal expandieren wollen. Es ist deshalb gar nicht sinnvoll, wenn sie sich davon trennen“, gibt der CDU-Politiker zu bedenken.
Hübner (SPD): „Schon fast Kabarettniveau“
Das in der Studie ermittelte Flächenpotenzial in Gewerbegebieten sei deshalb „eine Seminarveranstaltung. Davon müssen wir runter und praktische Wirtschaftsförderung betreiben“, appelliert Mitschke an BMR-Geschäftsführerin Frohne, die er nach eigenem Bekunden sehr schätze. „Besonders als Marketingexpertin ist sie für die Region sehr erfolgreich“, so der Fraktionsvorsitzende.
Auch interessant
Gegenwind kommt aber auch von ihrem Vorgänger Rasmus Beck, der die Business Metropole Ruhr bis Februar 2021 leitete und seither Chefwirtschaftsförderer in Duisburg ist. Beck nennt etwa den Vorschlag, Parkplätze zu nutzen, „fragwürdig“, weil Gewerbegebiete oft schlecht an das Bus- und Bahnnetz angeschlossen seien. Michael Hübner, BMR-Aufsichtsrat und Vorsitzender des Wirtschaftsförderungsausschusses in Gladbeck, meint, die vorgeschlagene Umnutzung von Parkplätzen erreiche „schon fast Kabarett-Niveau“. Stattdessen stehe für ihn im Mittelpunkt: „Wirtschaft braucht Fläche!“
Rasmus Beck präzisiert: „Wir brauchen neue zusammenhängende Flächen im Zentrum des Reviers für neue Arbeitsplätze – vorzugsweise auf Brachen. Das kostet Geld und Planungsressourcen - dafür sollten wir uns weiter gemeinsam einsetzen“, ruft der Geschäftsführer der Duisburg Business & Innovation GmbH zum Schulterschluss auf.
Auch interessant
„Wir sollten vehement weiter um neue Flächen kämpfen“, meint auch der Hammer Wirtschaftsförderer Pascal Ledune. Die von der BMR eröffnete Diskussion um Nachverdichtung sei für ihn „zu viel Theorie und zu wenig gelebte Praxis“. Arturo de la Vega aus dem Leitungsstab des Dortmunder Oberbürgermeisters Thomas Westphal stellt die rhetorische Frage: „Wessen Interessen wurden hier eigentlich vertreten? Die des Landes oder die der Städte?“
Frohne spricht von „engagierter Debatte“
Julia Frohne spricht von einer „engagierten Debatte“, die zeige, dass die Entwicklung von Flächen und Gewerbegebieten entscheidend sei, „damit neue Arbeitsplätze in der Region entstehen“. Wie steinig aber der Weg zu mehr Flächen für Unternehmen sein wird, bringt der Bochumer Wirtschaftsförderer Ralf Meyer auf den Punkt: Die acht neuen Gewerbegebiete, die er gerade plant, entsprächen nur zwei Drittel der Größe des fast ausverkauften ehemaligen Opelgeländes Mark 51°7. Meyer prohezeit: „Wir werden aber doppelt so viel Geld in die Hand nehmen müssen, um diese acht Flächen zu entwickeln. Und: Wir werden dafür deutlich länger brauchen.“