Essen. Nur ein „harter Kern“ der Galeria-Warenhäuser sei überlebensfähig, sagt Sanierer Geiwitz. NRW-Städtetag-Chef Thomas Kufen schlägt Alarm.

Es ist gerade einmal 26 Monate her, als die Sanierer Arndt Geiwitz und Frank Kebekus die in der Messe Essen versammelten Gläubiger von Galeria Karstadt Kaufhof davon überzeugten, auf Forderungen in Höhe von zwei Milliarden Euro zu verzichten. Nun steckt der Warenhauskonzern schon wieder tief in den roten Zahlen, flüchtet sich in ein Schutzschirmverfahren, und dieselben Sanierer sollen retten, was noch zu retten ist.

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Galeria-Chef Miguel Müllenbach muss ein Optimist sein. Am Montagabend erklärt, dass „mindestens ein Drittel“ der 131 Warenhäuser nicht überlebensfähig seien und geschlossen werden müssten. Der vorläufige Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz, den das Amtsgericht Essen Müllenbach an die Seite gestellt hat, äußert sich wenige Stunden später sehr viel rabiater. Allenfalls ein „harter Kern“ der Filialen, sagt er dem WDR, werde fortgeführt werden können. Eine Zahl nennt der Sanierungsspezialist freilich nicht.

Millionen-Honorar für Sanierer

36 Millionen Euro hat das Schutzschirm- und Insolvenzverfahren für Galeria im Jahr 2020 gekostet. Der überwiegende Teil der Millionen soll damals an Geiwitz und Kebekus geflossen sein. Es war das bis dahin höchste Honorar eines Insolvenzverfahrens in Deutschland. 40 Galeria-Filialen wurden seither geschlossen und 4000 Arbeitsplätze abgebaut. Spätestens im Januar müssen sie nun einen neuen Plan präsentieren, mit wie vielen Mitarbeitenden und Filialen Galeria noch eine Zukunft haben könnte.

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Nicht nur die aktuell gut 17.000 Beschäftigten bangen schon wieder um ihre Jobs. Es geht auch um den Einzelhandel in Deutschland insgesamt. Das Magazin „Business Insider“ zitiert aus einer Studie der Universität St. Gallen, der zufolge die Fußgänger-Frequenz um durchschnittlich 37 Prozent zurückgehen werde, wenn Warenhäuser geschlossen werden. 130.000 Arbeitsplätze hingen indirekt von Galeria ab.

Kufen: Kampf um jede Filiale lohnt

Diese Sorgen treiben auch die Städte um und zeigen sich deshalb alarmiert. „Weitere Filialschließungen nehmen den Innenstädten Zukunftsaussichten und den Bürgerinnen und Bürgern einen Ort der Versorgung und Begegnung in ihrer Stadt“, kritisiert NRW-Städtetagspräsident Thomas Kufen und betont: „Der Kampf um jede Filiale lohnt.“ Vor zwei Jahren hatte sich der CDU-Politiker in seinem Hauptamt als Oberbürgermeister erfolgreich dagegen gestemmt, dass Kaufhof, Karstadt und Karstadt Sports gleichzeitig die Essener Innenstadt verließen. Die Filiale im Einkaufszentrum Limbecker Platz blieb. Ähnlich ging das Ringen auch in Dortmund aus.

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Bei aller politischen Flankierung tobt allerdings die Diskussion, ob Warenhäuser überhaupt noch zeitgemäß sind. Der Essener Gewerbeimmobilien-Spezialist Eckhard Brockhoff beantwortet die Frage mit einem klaren Nein. „Im Einzelhandel gehen im Moment nur Luxus und extremer Discount gut“, sagt der Makler. „Die Leute stellen sich in lange Warteschlangen vor Gucci. Diese Nobelmarken ziehen einfach – auch bei normalen Kunden. Man spart auf eine Tasche von Gucci oder lässt sie sich schenken.“ Für ein Luxus-Warenhaus sieht Brockhoff im Ruhrgebiet allerdings „keine Chance“. Dafür aber für das Gegenteil.„Extremer Discount wie Kik, Tedi, Kodi oder Action ist erfolgreich. Auch Woolworth entwickelt sich gut. Nur diese Formate haben eine Chance, die großen Warenhaus-Flächen zu ersetzen.“

Verdi: Wo ist René Benko?

Trotz dieses Gegenwinds tritt die Gewerkschaft Verdi für den Erhalt von Galeria ein: Wir kämpfen mit den Beschäftigten um den Erhalt der Arbeitsplätze und Standorte“, kündigt der Bundesvorsitzende Frank Werneke an. „Wut und Enttäuschung bei den Beschäftigten“ seien besonders groß, „weil der Eigentümer René Benko seine Zusagen, umfassend in die Häuser zu investieren, nicht eingehalten hat. Die Frage ist: Wo ist jetzt René Benko? Den Beschäftigten jedenfalls stellt er sich nicht.“

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Beim Kampf um Stellen erhält Verdi Unterstützung der nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerin Mona Neubaur. „Ich persönlich mache mir Sorgen um die MitarbeiterInnen von GKK, die in den zurückliegenden Jahren schon viele Zugeständnisse machen mussten und die jetzt in diesen ohnehin herausfordernden Zeiten erneut um ihre Arbeitsplätze bangen müssen“, sagte die Grünen-Politikerin unserer Redaktion. „Ich hoffe, dass es gelingt, eine Lösung zu finden, die die Interessen der MitarbeiterInnen bestmöglich berücksichtigt.“