Essen. Die Essener Filiale des Kaufhaus-Riesen wackelte schon 2020. Jetzt bangen wieder Hunderte um ihren Job, die Immobilien Zeitung glaubt: zu Recht.

Die Bilder jenes Tages im August, sie sind noch nicht groß verstaubt: Wie der Firmenchef und der OB freudestrahlend die gute Nachricht überbringen. Wie Verkäuferinnen vor Erleichterung heulen. Wie eine Betriebsrätin die Leiter erklimmt, um das von der Decke hängende Schild „Wir schließen“ demonstrativ herunterzunehmen. Wenigstens einer der beiden Kaufhaus-Riesen war damals gerettet, die Firmenzentrale obendrein. Und nun, gerade mal 810 Tage später? Die Angst ist zurück: Gehen bei „Galeria“ am Limbecker Platz die Lichter aus?

Vor zwei Jahren musste der Kaufhof geopfert werden

Und wieder grüßt die Kaufhaus-Krise: Der letzten vor zwei Jahren fiel bereits eines der beiden Essener Warenhäuser zum Opfer: Der Kaufhof am Willy-Brandt-Platz wurde geschlossen und sieht nun seiner Revitalisierung als „Königshof“ mit neuem Konzept entgegen.

Nach zähem Ringen um jeden Standort wurde die Karstadt-Filiale im Einkaufszentrum Limbecker Platz dagegen in letzter Minute gerettet: Ursprünglich hatte auch diese auf der Streichliste des Konzerns gestanden.

Die Galeria im Limbecker ist für das Center ausgesprochen wichtig: Es belegt rund 20.000 der 75.000 Quadratmeter Verkaufsfläche, entsprechend groß war bislang die Bereitschaft, bei den Mieten entgegenzukommen – zu Lasten des Eigentümers, eines Immobilienfonds der Fondsgesellschaft Union Investment.

„Mindestens ein Drittel“, der Filialen müsse geschlossen werden, diese Hiobsbotschaft hat Miguel Müllenbach, Vorsitzender der Geschäftsführung bei der „Galeria Karstadt Kaufhof GmbH“, bereits übermittelt. Und wer sich die Zuversicht bewahren will, dass das Essener Haus nicht dazu gehören möge, der sollte in diesen Tagen lieber nicht die „Immobilien Zeitung“ lesen.

Das Limbecker stand schon einmal auf der Liste: „Der Standort ist seither angezählt“

Denn das Fachblatt kommt in einer Analyse aller 131 „Galeria“-Filialen zu dem Schluss: Bei einer möglichen Schließungswelle des Unternehmens blieben wohl nur die Ruhrgebiets-Standorte im Bochumer „Ruhrpark“ und im Oberhausener „Centro“ definitiv erhalten. Das Haus am Dortmunder Westenhellweg stehe noch auf der Kippe, für die übrigen fünf Häuser aber sei eine Rettung eher „unwahrscheinlich“: Es träfe damit Duisburg (gleich doppelt), Gelsenkirchen, Mülheim und – Essen.

Autor Christoph von Schwanenflug, Handels-Experte bei der Immobilienzeitung, hat für seinen Ausblick eine Art Update für eine zehn Jahre alte Studie zur „Zukunft der Warenhausstandorte in Deutschland“ gemacht. Das ist schwierig genug, denn Zahlen darüber, wie einträglich das Geschäft auf den 20.000 Quadratmetern Verkaufsfläche in Essen oder anderswo ist, sickern auch zu ihm nicht durch. Als wichtiges Indiz gilt allerdings der Umstand, dass die damalige Karstadt-Filiale im Limbecker Center schon 2020 nur mit Ach und Krach von der Streichliste rutschte: „Der Standort ist seither angezählt“, sagt von Schwanenflug.

Könnten die Mieten noch einmal sinken? „Die werden bis an die Schmerzgrenze gehen“

Zum K.o. könnte führen, dass der Kaufhaus-Konzern bei Center-Filialen im Zweifel womöglich eher auf Häuser setzt, bei denen auch die Immobilie der Signa-Holding von „Galeria“-Eigentümer René Benko gehört. Allerdings zeigt sich die „Immobilien Zeitung“ in ihrer Prognose auch betont pessimistisch, sieht sie doch nicht weniger als 79 der 131 Filialen im Ausverkauf.

Der Tag, der vor gut zwei Jahren die frohe Botschaft brachte: Die Filiale im Limbecker Platz war gerettet. Heute erweist sich: Stadt und Kaufhaus-Konzern – unter ihnen Oberbürgermeister Thomas Kufen und Galeria-Chef Miguel Müllenbach (beide an der Leiter) hatten sich womöglich zu früh gefreut.
Der Tag, der vor gut zwei Jahren die frohe Botschaft brachte: Die Filiale im Limbecker Platz war gerettet. Heute erweist sich: Stadt und Kaufhaus-Konzern – unter ihnen Oberbürgermeister Thomas Kufen und Galeria-Chef Miguel Müllenbach (beide an der Leiter) hatten sich womöglich zu früh gefreut. © FUNKE Foto Service | Kerstin Kokoska

Dabei gebe es sie immer noch, die Magnetwirkung von Warenhäusern für Einkaufszentren, deshalb könnte die 2020 erfolgte Senkung der Miete noch nicht das letzte Wort sein. Den Begriff „Erpressungs-Potenzial“ mag er nicht sonderlich, doch von Schwanenflug ahnt: „Die werden bis an die Schmerzgrenze gehen.“ Wo diese liegt, ist unklar. Center-Betreiber ECE ließ eine Nachfrage zur Bereitschaft für weitere Mietnachlässe am Mittwoch unbeantwortet.

Zu berücksichtigen ist bei alledem der Sonderfall, dass Essen Sitz des traditionsreichen Unternehmens ist. Ist die Scheu, ausgerechnet hier den Laden dicht zu machen, vielleicht kein kaufmännischer, aber ein psychologischer Vorteil?

Der Oberbürgermeister ist überzeugt: „Unsere Innenstadt braucht auch ein Warenhaus“

An der Stadtspitze ist man jedenfalls alarmiert: „Und wieder heißt es Bangen um ein Essener Traditionsunternehmen, um viele Arbeitsplätze in der verbliebenen Essener Filiale und auch der Hauptverwaltung“, so seufzte am Mittwoch OB Thomas Kufen. „Nach dem harten Ringen in 2020 und dem Erhalt wenigstens einer Filiale müssen wir nun erneut um den Erhalt des Unternehmens kämpfen. Als Oberbürgermeister stehe ich an der Seite der Mitarbeitenden, die schon 2020 ihren Beitrag geleistet haben, um ihren Arbeitsplatz zu erhalten.“ Für Galeria gehe es jetzt darum, die damals versprochene Strategie auch umzusetzen, „damit die Warenhauskette eine Zukunft hat. Unsere Innenstadt braucht auch ein Warenhaus.“

Galeria Kaufhof – das war einmal: Am Willy-Brandt-Platz erfindet Eigentümer Koerfer die Immobilie neu und plant dort den „Königshof“. Die Bauarbeiten sind in vollem Gang.
Galeria Kaufhof – das war einmal: Am Willy-Brandt-Platz erfindet Eigentümer Koerfer die Immobilie neu und plant dort den „Königshof“. Die Bauarbeiten sind in vollem Gang. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Wo die Stadt helfen kann, will sie sich reinhängen. Andre Boschem, Chef der Essener Wirtschaftsförderung, steht im Kontakt mit der Geschäftsführung von „Galeria“. Dabei gehe es, so der EWG-Geschäftsführer, „nicht nur um den Standort im Limbecker Platz, sondern insbesondere auch um eine Perspektive für die Zentrale“. Und um insgesamt womöglich hunderte betriebsbedingte Kündigungen hier wie dort. Boschem räumt aber auch ein, „dass die Rahmenbedingungen schwierig sind“.

Déjà-vu für eine Mitarbeiterin: „Wir dürfen uns jetzt nicht verrückt machen lassen“

Ein sogenanntes „Schutzschirmverfahren“ soll es richten, bei dem ein insolventes Unternehmen in eigener Regie den Weg heraus aus der Pleite organisiert. Da kommen vielen die alten Bilder wieder hoch: „Als mich die Nachricht am Montag erreichte, hatte ich ein Déjà-vu“, sagt eine Mitarbeiterin. Sie war vor zwei Jahren dabei, als erst das Aus für die Filiale bekanntgegeben wurde, und wie Kufen und Müllenbach dann später die Rettung verkündeten.

Es hat schon einmal geklappt, vielleicht ein gutes Zeichen: „Wir dürfen uns jetzt nicht verrückt machen lassen und müssen abwarten.“

Bis zu drei Monate. Ein langer Winter des Wartens steht bevor.