Nachrodt-Wiblingwerde. Das Image der Bauern in Deutschland ist mies. Wie sich mit der Kampagne „Zukunftsbauer“ alles ändern soll.
Es gibt Momente, in denen Wertschätzung für die Landwirtschaft aufblitzt. Sie sind kurz. Als Corona wütete und die Frage unserer Abhängigkeit von Importprodukten für ein paar Wochen die Gemüter erregte, waren wir plötzlich froh über jede Kartoffel, Erdbeere oder das Bio-Ei von nebenan. Der Respekt wurde schnell als Momentaufnahme demaskiert. Das Bild vom Bauern in Deutschland ist überwiegend negativ besetzt. „Es gelingt Ihnen im Moment nicht, positiv wahrgenommen zu werden. Sie haben ein schlechtes Image“, attestiert Jens Lönneker, Chef des Instituts Rheingold Salon, im Schlosshotel Holzrichter in Veserde bei Wiblingwerde bei einer Kreisverbandsversammlung der Landwirte im Märkischen Kreis.
Tiefenpsychologische Befragung
Das wissen die rund 100 anwesenden Bäuerinnen und Bauern, jung wie alt, nur zu gut – und finden es selbstredend ungerecht. Viele Menschen haben ein schiefes Bild von der Landwirtschaft. Das hat Gründe, erläutert der Psychologe Lönneker. Er ist selbst Städter, Großstädter gar. Ahnung von Landwirtschaft hat der Kölner kein bisschen, wie er sagt. Dafür aber von der Wirkmacht der Bilder. Genau darum geht es in einer Studie, die Rheingold Salon im Auftrag des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) übernahm und die in Buchform ein hilfreicher Leitfaden für die Branche sein könnte, in der 1,5 bis 2 Prozent der deutschen Bevölkerung ackern. Der Titel: „Zukunftsbauern“.
Mehrere hundert Verbraucher sowie Landwirte und -wirtinnen wurden dafür im ersten Coronasommer befragt. Nicht mal eben ein paar Minuten per Telefon, wie es Meinungsforschungsinstitute häufig tun, sondern „qualitativ tiefenpsychologisch“, beschreibt Lönneker die Methode. Durchschnittlich zweistündige Gespräche seien darüber geführt worden, welches Bild von der Landwirtschaft in Deutschland vorherrscht, warum Bauern dieses schlechte Image haben – und wie sich das wohl ändern ließe.
Die Gefahr einer Illusion
Der Schlüssel: Neue Bilder braucht der Bauer. Authentische Bilder, die Landwirte beim längst Routine gewordenen Einsatz moderner Methoden statt ständig in beengter Tierindustriekulisse zeigen, beim Natur- und Artenschutz statt im Güllewagen auf dem Acker. Beispielsweise.
Daran zu glauben, dass mit Bildern allein auf einfache Weise die Gunst der Menschen (zurück) zu gewinnen ist, birgt die Gefahr einer Illusion. Die Landwirtschaft hat jede Menge positive Inhalte zu bieten. Modernität statt Rückständigkeit, Umweltschützer statt Landschaftsverpester, Tierpfleger statt -Quäler – Energieversorger (Beispiel: Agri-PV). All das stimmt, ist vielleicht im Hofladen, nicht aber am Supermarktregal sichtbar. Bislang ist es nicht gelungen, Freude und Wertigkeit nachhaltig denjenigen zu vermitteln, für die produziert wird, die kritisch Tierwohl und Nachhaltigkeit einfordern, auch wenn ihr CO2-Fußabdruck vielleicht weitaus tiefer ist als ein Gummistiefel im Misthaufen einsinken könnte.
Kritik am Bauern mag nicht verhältnismäßig sein, sie ist aber da. Psychologe und Marktforscher Jens Lönneker rät zu externer Hilfe: „Nehmen Sie Geld in die Hand und professionelle Hilfe in Anspruch.“
Raus aus der Opferrolle
Einerseits. Andererseits sind auch die Landwirte selbst gefragt, zu kommunizieren. „Wir haben den Bezug zur Gesellschaft über die Jahrzehnte verloren“, benennt der Halveraner Junglandwirt Christoph Berbecker (27) selbstkritisch. Nicht länger im eigenen Saft schmoren, raus aus der Opferrolle, lautet also ein Credo an diesem Abend in Veserde.
„Wir haben die Chance, den Imagewandel selbst zu beeinflussen und müssen dafür nicht auf Entscheidungen aus Brüssel oder Berlin warten“, ermuntert Henner Braach, Landwirt aus Netphen und stellvertretender WLV-Präsident, gerade weil ihm bewusst sein dürfte, dass das Image vom Zukunftsbauern noch Zukunftsmusik ist.