Münster. 75 Jahre besteht der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband. Statt zu feiern, suche man Wege in die Zukunft, so WLV-Präsident Beringmeier.

Der Westfälische-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) hat Wurzeln bis ins 19. Jahrhundert und ist damit die älteste Interessenvertretung für Land- und Forstwirte in Deutschland. Seit 1947 gibt es den WLV in seiner jetzigen Form. Am Donnerstag und Freitag wurde auf Gut Havichhorst 75-jähriges Bestehen gefeiert. „In unserer Verbandsgeschichte haben wir mehr als eine Zeitenwende erlebt“, sagt Hubertus Beringmeier, seit 2020 Präsident des WLV. Statt in Erinnerungen an alte Zeiten zu schwelgen, veranstaltete der WLV in Münster ein Zukunftsforum.

Innovationsbereitschaft hoch

Die Bauern wollen lieber nach vorne als zurückblicken, erklärt der WLV-Präsident, und zwar möglichst schnell. Stichworte wie Tierwohl, Naturschutz (Düngeverordnung, Pestizideinsatz, Blühstreifen) und nicht zuletzt der Klimawandel beschäftigen die Bauern im Münsterland ebenso wie in Ost- und Südwestfalen. Die Bereitschaft zu Veränderungen und Innovationen sei groß, gerade bei jungen Landwirtinnen und Landwirten, versichert der Siegerländer Henner Braach, stellvertretender WLV-Präsident.

Was gerade dem Nachwuchs fehlt, sei Planungssicherheit. „Für uns Junglandwirte geht es um Millioneninvestitionen“, sagt die 30-jährige Bettina Huesecke aus Südlohn. Längst vermarktet die jungen Generation Landwirte sich und ihre Produkte direkt nicht mehr nur über Hofläden, die einfach da sind, sondern auch über die gesamte Klaviatur moderne Internetkanäle, genannt Soziale Medien.

Die Landwirtschaft sei bereit, sich zu verändern und gesetzgeberische Vorgaben ebenso wie Kundenwünsche zu erfüllen. Überleben können die Höfe heute nur, weil die Bewirtschaftung der Ställe, Äcker und Wälder um ein Vielfaches produktiver geschieht als vor 75 Jahren. Der Einsatz digitaler Werkzeuge insbesondere bei der Düngerausbringung ist nicht nur effizienter als früher, sondern schont auch die Umwelt.

Der WLV und seine Mitglieder präsentieren sich beweglich – nur wüssten sie eben gerne, in welche Richtung es langfristig weitergeht. „Wir brauchen den langen Horizont“, sagt Peter Tillmann, 27-jähriger Bio-Landwirt aus Warburg – und die Entscheidung darüber jetzt.

Das sei in der Tat herausfordernd, räumt Martin Berges, Staatssekretär im NRW-Landwirtschaftsministerium ein. Berges skizziert auf Gut Havichhorst einige Probleme, meint seine eigene Ministerialbürokratie, wenn er von mühsamen, ja zähen Entscheidungsprozessen spricht: „Die Erfahrung mache ich gerade.“ Der Agrarwissenschaftler war bis zur Berufung in die Landesregierung in Düsseldorf mehr als ein Jahrzehnt Direktor der Landwirtschaftskammer in Nordrhein-Westfalen. Der CDU-Mann Berges ist also vom Fach und verspricht, gemeinsam mit seiner Chefin, der neuen Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU), auf der Agrarministerkonferenz in der kommenden Woche gegenüber Bundesminister Cem Özdemir (Grüne) bei den Themen aufs Tempo zu drücken.

NRW kann sich nicht ernähren

Die EU sei bei den Zielen, beispielsweise beim Thema Pflanzenschutzmittel und Düngung, deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Es drohe ein bürokratisches Monster von Berichts- und Aufzeichnungspflichten. Zum Thema Flächenstilllegung hat Berges ebenfalls eine klare Meinung: „Wir werden gerade jetzt jede Tonne Getreide brauchen.“ Längst könne sich NRW nicht mehr selbst ernähren. „Dafür haben wir viel zu wenig Fläche.“ Wenn alles optimal laufe, dann reichten die Erträge über die gesamte Republik gesehen vielleicht.

„Die Geduld der Landwirte wird überstrapaziert“, räumt Berges vor rund 150 Gästen auf Gut Havichhorst ein. Die möchten vor allem, noch weit vor finanzieller Unterstützung bei der Transformation, wissen, wo es in Zukunft in der Landwirtschaft lang gehen soll, um auch noch das 100-Jährige des WLV feiern zu können.