Büren. Agri-PV-Anlagen könnten viel für die Energiewende bringen, sind Experten überzeugt. Noch hapert es aber an Behörden, erzählt ein Betreiber.

Der Landwirt Fabian Karthaus (34) hat gut Lachen – inzwischen. Als Betreiber der größten Agri-Photovoltaikanlage in Nordrhein-Westfalen in Steinhausen-Büren, nahe des Flughafens Paderborn-Lippstadt, läuft es angesichts der aktuellen Energiepreisentwicklung für ihn richtig gut: „Wir haben gute Stromerträge, weil die Preise hoch sind. Aktuell bekommen wir selbstvermarktet pro Kilowattstunde etwa 30 Cent.“

Der junge Landwirt und sein Kompagnon Josef Kneer betreiben am Hof zwei Agri-PV-Anlagen mit einer Leistung von rund 750 Kilowatt Peak (Spitze). Eine könnte jeweils den Strom für 200 Durchschnittshaushalte herstellen. Rund 500.000 Euro hat das Projekt die beiden gekostet.

Lichtdurchlässige Solarmodule

Das Besondere: Eine Anlage besteht aus 2700 lichtdurchlässigen Modulen. Sie sind das Dach für ein riesiges Gewächshaus. Darunter wachsen Heidelbeeren, Himbeeren, Erdbeeren, Apfelbäumchen und sogar Trauben für Selbstpflücker. Praktische Doppelnutzung von Energieerzeugung und Landwirtschaft.

Darauf gekommen sind Karthaus und Kneer 2018, als sie zwei Freiflächenanlagen nahe der Autobahn in Betrieb genommen hatten. „Unter den aufgeständerten Modulen mussten wir dauernd mähen und mulchen. Es wuchsen Pflanzen mit großen Blättern“, erzählt Karthaus. Lästiger Wildwuchs. „Unsere Idee war, wir bauen es einfach einen Meter höher und darunter etwas an.“

Die Beantragung der besonderen Gewächshäuser, die eigentlich keine Häuser sind, war im Prinzip kein Problem. Erst als die Behörde im Februar 2020 bei der Bauabnahme die ganze Pfiffigkeit der Lösung erkannte, wurde es laut Karthaus schwierig. Auch die Landwirtschaftskammer habe sich damals auf die Seite der Behörde geschlagen: „Es war wie die heilige Inquisition. Die ganze Genehmigung war eine Farce“, sagt Karthaus rückblickend. Die Behörde verlangte einen Rückbau der eigentlich sinnvollen Anlage. Im Regierungsbezirk Detmold seien PV-Freiflächenanlagen wohl entlang von Autobahnen erlaubt, aber im Bürener Fall nicht vor der Hoftür – die Nutzung von Solarmodulen auf Dächern dagegen schon.

Letztlich fanden Karthaus und Kneer mit rechtlichem Beistand und Pfiffigkeit einen Weg durch den Behördendschungel. In Zeiten, in denen eigentlich jede Kilowattstunde in Deutschland erzeugte Energie zählt, wie Bundesklimaschutzminister Robert Habeck nicht müde wird zu betonen, dürfte es aber seiner Ansicht nach nicht vom „Gutdünken der Behörden“ abhängen, ob solche Projekte gelingen. Auch die kommende schwarz-grüne Landesregierung signalisiert mehr Offenheit für Agri-PV und „Floating-PV“, also schwimmende Solarmodulanlagen.

„Wir haben diese Form der Solarenergie total unterschätzt. Wir hoffen in Zukunft auf Förderung für Agri-Photovoltaikanlagen. Sie können einen riesigen Anteil am notwendigen Zubau von Photovoltaik haben“, sagt Peter Asmuth von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS). Der Breckerfelder ist Vorstand des NRW-Landesverbandes und wirbt für solche Doppelnutzungsanlagen wie die in Büren-Steinhausen betriebenen. Laut einer Studie des Fraunhofer ISE-Instituts, gebe es bundesweit ein Potenzial für 1700 Gigawatt Agri-PV-Fläche. „Selbst wenn davon nur zehn Prozent realisiert würden, wäre das das Dreifache der heutigen installierten Stromleistung in ganz Deutschland“, rechnet Asmuth vor. Auch der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE-NRW) weist darauf hin, dass Solaranlagen auf Gebäudedächern allein nicht ausreichen dürften, um die noch von der alten Landesregierung angekündigten 24.000 Megawatt Solarleistung in NRW bis zum Jahr 2030 erreichen zu können.

Reife um 14 Tage verzögert

Heute, freut sich Karthaus, fänden sowohl der Kreis Paderborn als auch die Landwirtschaftskammer seine Agri-PV-Anlage hoch innovativ. Die Art der Nutzung sei im Grunde auch für andere Obst- und Gemüsesorten wie Spargel, Tomaten oder Kartoffeln bestens geeignet. Die Früchte ernte man möglicherweise leicht zeitversetzt zu dem normalen Anbau, der nicht unter einem „Solardach“ stattfinde. Seine überdachten Früchte reifen etwa 14 Tage später als unter freiem Himmel. Schlechter seien sie aber keinesfalls..