Dortmund. Die Ruhrwirtschaft blickt düster in die Zukunft. Das von den IHKs gemessene Konjunkturklima ist historisch schlecht. Firmen wollen Gas sparen.

Die Stimmung in der Ruhrwirtschaft ist auf einen historischen Tiefstand gefallen. Jedes zweite Unternehmen im Ruhrgebiet blickt angesichts rasant steigender Preise für Energie, Rohstoffe und Dienstleistungen pessimistisch auf die künftige Geschäftslage, wie die Herbstumfrage der sechs Industrie- und Handelskammern in der Region ergab.

Beim regelmäßig gemessenen Geschäftsklima-Index beobachten die IHKs nach Worten des Dortmunder Präsidenten Heinz-Herbert Dustmann einen „regelrechten Absturz“. Der Indikator, der als Gradmesser für die wirtschaftliche Entwicklung im Revier gilt, rauschte von Frühjahr bis Herbst um 38 auf 77 Punkte hinab. Ein schlechterer Wert wurde mit 68 Punkten allein im Jahr 2003 gemessen.

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„Insbesondere der Handel erwartet düstere Aussichten“, sagte Dustmann. Fast zwei Drittel der befragten Betriebe befürchten in den kommenden Monaten eine schlechtere Geschäftslage. „Die Menschen halten ihr Geld zusammen. Das Konsumklima ist noch schlechter als im ersten Lockdown der Corona-Pandemie“, so der IHK-Präsident. Mit Sorge beobachte er deshalb die Entwicklung beim Essener Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof, der sich nach eigenen Angaben in einer Notlage befindet und zum dritten Mal in kurzer Zeit Staatshilfe beantragt hat.

Heinz-Herbert Dustmann ist Präsident der IHK Dortmund.
Heinz-Herbert Dustmann ist Präsident der IHK Dortmund. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Dustmann, der selbst ein Kaufhaus in Dortmund-Hombruch betreibt, wollte sich am Dienstag nicht klar positionieren, ob Galeria erneut mit Steuermitteln gerettet werden sollte. „Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust“, bekennt der Präsident. „Hier geht es ja nicht um 2,50 Euro. Man muss schon die Frage stellen, ob Galeria selbst genug tut“, formuliert Dustmann eine Erwartung auch an die Adresse des Konzerneigners, den österreichischen Milliardär René Benko.

Dustmann: „Tut Galeria selbst genug?“

Gleichzeitig erinnert er daran, dass bereits im Jahr 2020 ein „breites Bündnis“ unter Beteiligung der Kammern gegen die Schließung von Warenhäusern im Ruhrgebiet kämpfte. Ein Aus für Galeria, so Dustmann, „wäre ein schwerer Rückschlag für Dortmund und die Innenstadt“.

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Noch düsterer als die Einzelhändler blicken die Gastronomen in die Zukunft: 70 Prozent erwarten der IHK-Umfrage zufolge eine Verschlechterung des Geschäfts. Im Frühjahr waren nur 30 Prozent pessimistisch. „Insgesamt sehen wir ein Szenario, das selbst den Einbruch im ersten Corona-Lockdown noch in den Schatten stellt“, warnt Dustmann. Branchenübergreifend ächzen die Firmen inzwischen unter den galoppierenden Preisen für Energie und Rohstoffe. Allen voran leidet jedoch die Industrie. 95 Prozent der Unternehmen gaben an, dass ihnen die Preise für Gas, Strom und Öl Sorge bereiten.

Respekt für Investitionen bei Thyssenkrupp

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Umso mehr zollen die IHKs dem Essener Industriekonzern Thyssenkrupp Respekt, der in Dortmund massiv in eine Verzinkungsanlage investiert hat, in Bochum den Grundstein für ein Kompetenzzentrum für Elektromobiltät gelegt hat und in Duisburg den ersten grünen Stahl produzieren will. In der aktuellen Krise stecke eben auch eine Chance, meinte Dustmann. Die Chance, schneller von klimaschädlichen Energieträgern wie Erdgas, Öl und Kohle wegzukommen.

In Gelsenkirchen haben sich bereits zahlreiche Unternehmen zusammengetan, um Energie zu sparen. Eine ähnliche Aktion stößt nun auch Michael Bergmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet, an. Für den 17. November hat er energieintensive Betriebe aus Bochum, Herne, Witten und Hattingen eingeladen, um gemeinsam mit ihnen ein „Solidaritätsversprechen der Wirtschaft“ auf den Weg zu bringen. „Wir wollen unseren Beitrag leisten und über konkrete Maßnahmen sprechen, wie die Gas- und Stromabnahme reduziert werden können“, kündigt Bergmann an. Denkbar sei, dass Betriebe freiwillig für zwei oder drei Wochen schließen oder Teile der Produktion von Winter auf den Sommer verschieben. „Die Bereitschaft bei den Unternehmen ist groß“, sagt der IHK-Manager.

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Die Ruhrwirtschaft will also verhindern, dass sie in der Krise zuerst nach dem Staat ruft. Stefan Schreiber, Hauptgeschäftsführer der IHK Dortmund, begrüßt zwar die von der Bundesregierung geplanten Preisbremsen für Gas und Strom, warnt aber vor überzogenen Forderungen nach Tempo. „Wir müssen den Stadtwerken und Energieversorgern auch die Zeit geben, das alles einzurichten. Das geht nicht auf Knopfdruck“, sagt Schreiber mit Blick auf die Debatte, ob die Gaspreisbremse erst im Frühjahr 2023 greifen könnte.

Stadtwerke dürfen nicht in Schieflage kommen“

Und warnt zugleich vor Liquiditätsengpässen, in die Versorger möglicherweise geraten, wenn sie den Dezember-Abschlag für Heizkosten im Dezember zunächst einmal nicht erhalten. Die Gaspreis-Kommission hatte vorgeschlagen, dass der Bund die Dezember-Rechnung für Hausbesitzerinnen und Mieter übernimmt. Schreiber warnt: „Stadtwerken fehlen da plötzlich zweistellige Millionen-Beträge. Sie dürfen nicht in eine Schieflage kommen.“

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