Essen. Keine Kellner, keine Köche. Überall im Land fehlt es in der Gastronomie an Personal. Das hat aber nur wenig mit Kündigungen zu tun.

Nicht mal draußen gibt es noch Kännchen. Weil keiner da ist, der sie bringt. Viele Gastronomen im Revier klagen weiterhin über fehlendes Personal. Und die Veranstaltungsbranche oder Flughafenbetreiber stimmen mit ein. „Wo sind nur alle die Beschäftigten hin?“

„Das fragen wir uns auch“, sagt Kurt Wehner, Landesgeschäftsführer NRW des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). Eine Antwort darauf ist allerdings schwierig, schon weil man nicht alle in einen Topf werfen darf, die da kellnern oder kochen im Land – oder es mal getan haben.

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Da sind die „sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse“, die fest Angestellten also. „Die mussten sich alle was Neues suchen wegen Corona“, heißt es oft. Mussten sie aber gar nicht und haben sie auch nicht, wie Enzo Weber, Leiter des Bereichs „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB), weiß. Ganz im Gegenteil. „In der Corona-Krise hat es deutlich weniger beendete Arbeitsverhältnisse gegeben als zuvor“, sagt er.

Selbstbedienung: Manche Wirte wissen sich anders nicht mehr zu helfen.
Selbstbedienung: Manche Wirte wissen sich anders nicht mehr zu helfen. © dpa | Stefan Sauer

Weber kann das auch belegen, denn das IAB hat untersucht, wie viele Entlassungen es im Jahr vor Corona gab und die Zahlen dann verglichen mit dem Jahr ab dem ersten Corona-Frühling. Ergebnis: In der Pandemie gab es im Gastgewerbe 28,1 Prozent weniger Entlassungen. Bei Sicherheitsdiensten und Zeitarbeitsfirmen waren es 18,2 Prozent, bei Theatern und Konzertveranstaltern sogar 32,4 Prozent weniger. „Auch dank Kurzarbeitergeld und staatlicher Hilfen gab es keine plötzliche große Kündigungswelle in Deutschland“, stellt Weber klar.

Was es aber auch nicht gab, waren Neueinstellungen. Nun läuft das Geschäft in Kneipen, Restaurants und Hotels wieder und alle wollen kurzfristig mehr Personal. „Das kann nicht funktionieren“, sagt Weber. Zumal es überall auch an der zweiten wichtigen Gruppe fehlt - den Minijobbern. Denn die waren tatsächlich die ersten, die in Zeiten von Corona durchs Netz gefallen sind.

Im Gastgewerbe sank ihre Zahl laut der Bundesagentur für Arbeit in ganz Nordrhein-Westfalen binnen zwei Jahren um 48.600 (21 Prozent). Allein in Dortmund ging ihre Zahl um 1700 zurück. In Testzentren sind sie damals gewechselt, zu Kurier- und Lieferdiensten oder an die Supermarktkasse. „Festangestellte und Minijobber zusammen sind in der Corona-Zeit 80.000 Mitarbeiter verloren gegangen“, hat Kurt Wehner zusammengerechnet. Da wundert es nicht, dass viele Lokale derzeit auch aus Personalmangel verkürzte Öffnungszeiten haben oder gleich tageweise geschlossen sind.

Der Markt an Köchen, Kellner und Veranstaltungstechnikern ist „leergefegt“, weiß Norbert Menzel, Gastronom und Chef des LM:V Veranstaltungsservice Herne. Sein Stammpersonal hat er in der Krise halten können, neue Leute aber findet er kaum. Mittlerweile ist die Zahl der Anfragen so groß geworden, dass er erste Aufträge ablehnen muss. „Ärgerlich, aber ich will meine Angestellten ja nicht verheizen.“

Ob und wie schnell und zu wem die Menschen in die Gastro-Branche zurückkehren weiß niemand. Schon vor Corona gab es zu wenig Personal. Arbeiten, wenn die Freunde feiern, das wollen viele nicht mehr. Schlechte Work-Life Balance. Mittlerweile sind Kandidaten bei der Jobwahl noch wählerischer geworden. Das können sie auch sein, denn das Angebot an freien Stellen ist in allen Bereichen groß – in der Gastro sogar sehr groß. Zusätzlich spielt die demografische Entwicklung Kellnern und Köchen in die Karten. Die so genannte Baby-Boomer-Generation steht kurz vor der Rente oder hat sie bereits erreicht. Damit verliere, hat der Koblenzer Sozialwissenschaftler Stefan Sell jüngst in der „Zeit“ anschaulich geschildert, der deutsche Arbeitsmarkt jedes Jahr „eine Großstadt an Arbeitskraft“.

Das alles verleiht selbst Mini-Jobbern eine neue Macht. „Mit Mindestlohn brauchen sie denen gar nicht zu kommen“, hat ein Kölner Gastwirt jüngst festgestellt. „Da lachen die sich kaputt.“ Also zahlt er mehr, „obwohl die Kosten ja gerade überall explodieren“.

Bei schönem Wetter füllen sich auch die Tische im Freien. Viel Arbeit für den Kellner
Bei schönem Wetter füllen sich auch die Tische im Freien. Viel Arbeit für den Kellner © dpa | Christoph Schmidt

Geld allein reicht aber oft nicht mehr. Gerade Jüngere wollen auch bei Schichteinteilung und freien Tagen ein Wort mitreden. „Es ist faszinierend, zu sehen, dass jetzt, mit dem entstandenen Mangel, klar wird: Wir können auch mit den Angelernten und Ungelernten nicht weiter so schlecht umgehen“, sagt Soziologe Sell. Plötzlich ließen auch diese Arbeitskräfte sich nicht mehr alles bieten.

„Das haben die meisten Wirte und Hoteliers aber mittlerweile begriffen“, ist Wehner überzeugt und spricht von einem falschen Image, das der Branche anhänge. Er sieht stattdessen noch einen ganz anderen Grund für die zögerliche Rückkehr des Personals – die Sorge vieler Mini-Jobber vor einem erneuten Lockdown im Herbst oder Winter. Deshalb fordert er eine klare Ansage der Politik. „Wir brauchen endlich Planungssicherheit. Auch für das Personal.“ Sonst gibt es weiter keine Kännchen. Nicht mal draußen.