Hemer/Bochum. Rabatte gab es 2022 im Autohandel kaum. VAG-Händler Heinz-Dieter Tiemeyer erklärt, warum es in ein paar Monaten schon anders aussehen dürfte.

Weniger Autos verkauft, aber noch einmal mehr Gewinn gemacht: Auf diesen kurzen Nenner bringt Heinz-Dieter Tiemeyer, Vorstandsvorsitzender der gleichnamigen Autohandelsgruppe aus Bochum, die aktuelle Lage. „Es war für Kunden das wohl teuerste Jahr, um ein Auto zu kaufen“, bilanziert Tiemeyer mit Blick auf das abgelaufene Geschäftsjahr.

Die Tiemeyer Gruppe mit Sitz in Bochum gehört zu den größten Autoanbietern in Deutschland und zu den Top 5 unter den VAG-Händlern. Mit den Marken VW, Skoda, Audi, Seat und Cupra erreichte das Unternehmen im abgelaufenen Geschäftsjahr 895 Millionen Euro Umsatz und damit rund 38 Millionen Euro mehr als im guten Jahr 2021, obwohl knapp 1500 Autos weniger verkauft wurden.

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Trend in der Branche: Immer weniger, dafür aber größere Händler

Knapp 1600 Beschäftigte (281 Azubis) an 28 Standorten zählt Tiemeyer in seinem Unternehmensbereich, seitdem er von Piepenstock (vorher Nixdorf) jüngst das Autohaus in Hemer übernommen hat, wo nun die Marken Seat und Cupra angeboten werden. „Wir sind mit Plettenberg, Werdohl und Finnentrop schon im Sauerland vertreten, da passte Hemer gut. Und wir würden im Sauerland gerne weiter expandieren“, kündigt Tiemeyer an.

Heinz-Dieter Tiemeyer wehrt sich gegen das Agenturmodell, dass die Volkswagengruppe einführen will. Mit 28 Standorten gehört die Tiemeyer Gruppe mit Sitz in Bochum zu den größten Autohändlern Deutschlands. „Wir sind mit Plettenberg, Werdohl und Finnentrop schon im Sauerland vertreten, da passte Hemer gut. Und wir würden im Sauerland gerne weiter expandieren“, kündigt Tiemeyer an.
Heinz-Dieter Tiemeyer wehrt sich gegen das Agenturmodell, dass die Volkswagengruppe einführen will. Mit 28 Standorten gehört die Tiemeyer Gruppe mit Sitz in Bochum zu den größten Autohändlern Deutschlands. „Wir sind mit Plettenberg, Werdohl und Finnentrop schon im Sauerland vertreten, da passte Hemer gut. Und wir würden im Sauerland gerne weiter expandieren“, kündigt Tiemeyer an. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Der Expansionskurs korrespondiert mit seiner Einschätzung, dass kleinere Händler in Zukunft kaum noch eine Chance haben werden. Rund ein Dutzend Standorte bräuchte man heute, um lang- oder wenigstens mittelfristig überleben zu können. Insbesondere, wenn die Hersteller es schafften, ein „Agenturmodell“ durchzusetzen, wodurch den Autohäusern dann nur noch die Hälfte der Handelsmarge übrig bliebe. „Für uns wäre das eine Katastrophe“, sagt Tiemeyer und meint damit im Prinzip alle Händler. Aktuell würden gerade Verhandlungen über das Modell geführt, das Tiemeyer ablehnt. Zumal die Kosten für Personal und Digitalisierung stiegen, die Einnahmen aus dem Servicebereich absehbar aber weiter sinken. Mehr Elektroautos bedeuten weniger Umsätze in Werkstätten, schließlich brauchen die Vollstromer kein Öl, weniger häufig neue Bremsbeläge und so fort.

Eine Einschätzung, die der Branchenexperte Professor Dr. Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch-Gladbach, teilt: „Die Konsolidierung im deutschen Automobilhandel wird sich in den nächsten Jahren weiter beschleunigen. Die Hersteller wollen den Kontakt zum Kunden gewinnen und verstärken den Direktvertrieb beziehungsweise Agenturmodelle, wodurch die Händlermargen sinken.“ Hinzu komme, dass durch die Elektromobilität perspektivisch die Umsätze im profitablen Servicebereich sinken. Der Autohandel müsse neue Umsatzpotenziale erschließen und hocheffizient arbeiten. Hier hätten gut geführte große Händlergruppen Vorteile, ohne die die Automobilhersteller in den nächsten Jahren nicht auskommen werden. „Kleine Händler werden sich vor diesem Hintergrund schwertun“, schätzt Bratzel.

Minus 50 Prozent Privatkäufe in den vergangenen drei Monaten

Die Autohändler spüren darüber hinaus bereits jetzt die Auswirkungen der Kaufkraftverluste und die Vorboten einer Rezession: „In den vergangenen drei Monaten sind die Privatkäufe um 40 bis 50 Prozent rückläufig“, sagt Tiemeyer. Die Kürzung der Umweltprämie für den Kauf von Elektroautos spiele eine Rolle, aber auch die Stimmung der Menschen. „Wir sind die Ersten, die es merken, wenn die Menschen sparen.“

Noch bis Februar kommenden Jahres seien die Auftragsbücher voll. „Das ist ein Pfund für uns.“ Die Phase ewig langer Lieferzeiten werde im kommenden Jahr vorbei sein, versichert Tiemeyer. Die Produktion laufe auf vollen Touren, es gebe kaum noch Chipknappheit. Mit steigendem Angebot einhergehend dürften 2023 auch die Preise wieder stärker verhandelbar sein, ein Autokauf also günstiger werden als zuletzt. „Es wird die große Frage sein, wie viel sich die Menschen noch leisten können. Zumindest beim Zweit- oder Drittwagen dürften sie überlegen“, sagt Tiemeyer.

Warum E-Bikes zum Geschäftsmodell werden könnten

Auch in seiner Firmengruppe selbst werde geschaut, wo Sparpotenziale lägen und welche neuen Geschäftsmodelle es geben könnte. Um die Kundenbindung zu erhöhen, denkt Tiemeyer darüber nach, zukünftig einen Hol- und Bringservice anzubieten, wenn der Wagen in die Werkstatt muss. Und als Mobilitätsanbieter „könnten sogar E-Bikes für uns einmal ein Thema werden“, erwägt der Unternehmer – die Handelsspannen lägen mit 30 bis 50 Prozent schließlich deutlich über denen für einen Neuwagen.