Düsseldorf. Der Autozulieferer Hella ist erneut besser als der Branchenschnitt durchs Jahr gekommen. Weil aber Gewinne schmolzen, wird nun anders verhandelt.
Zum Jahresbeginn war die Übernahme des Licht- und Elektronikspezialisten Hella durch den französischen Autozulieferer Faurecia in trockenen Tüchern. Gemeinsam verspricht man sich in Nanterre wie Lippstadt unter der Dachmarke Forvia die notwendige Stärke, um am Markt zu bestehen und wachsen zu können. Wie dringend notwendig dies ist, erklärten der neue Hella-Vorstandsvorsitzende Michel Favre und Hella-Finanzchef Bernard Schäferbarthold am Donnerstag bei der Vorstellung der Bilanzzahlen für 2021/21.
Rekordauftragslage
Ende Mai endete das Geschäftsjahr für Hella. Mit dem Jahresumsatz von gut 6,3 Milliarden Euro liegt der Technologieführer bei zahlreichen Komponenten rund um moderne Fahrzeuge in einem schwierigen Jahr für die Autobranche am oberen Ende der Prognose und meilenweit über dem Branchenschnitt. Im Automotivebereich stimmt eine Rekordauftragslage in Höhe von 10 Milliarden Euro optimistisch. Mit dem Ergebnis des abgelaufenen Jahres ist man man in Lippstadt allerdings lediglich „zufrieden“, was im Kern mit den arg geschmolzenen Gewinnen und der ziemlich niedrigen Marge zu tun hat.
Hohe Rohstoffpreise und knappe, aber für nahezu jedes Hella-Produkt unverzichtbare Komponenten wie Halbleiter bereiteten dem Zuliefer Probleme – bis heute. Stark gestiegene Logistikkosten schlagen zu Buche, und der zwischenzeitliche Lockdown in China im Frühjahr betraf auch Hella hart. „Unsere Werke dort standen im März und April nahezu komplett still“, erinnert Hella-Finanzchef Bernard Schäferbarthold. Alles in allem mehr ein „Alptraum“ als ein Traumstart für Hella unter französischer Flagge, wie der neue Hella-Vorstandsvorsitzende Michel Favre bemerkt.
Einen wesentlichen Grund dafür, dass gegenüber dem Vorjahr reichlich Millionen in der Kasse fehlen, benennt Favre offen und konkret: Minus zwei Prozentpunkte der Ebitmarge gingen auf das Konto der Autobauer, die bekanntermaßen weitestgehend ohne Rücksicht auf die Verluste ihrer Zulieferer durch die krisenbehaftete Lage steuern. Alte Verträge können kaum nachverhandelt werden. Die Marge lag für das abgelaufene Jahr über alle Segmente nur noch bei 4,4 Prozent, im wichtigsten Bereich Automotive gar nur bei rund 3 Prozent. „Das Ebit sollte von unserer Seite der Tiefpunkt sein. Unser Ziel sind nach wie vor 8 Prozent“, erklärt Favre. Für 2023 rechnet der Franzose mit 5,5 bis 7 Prozent. Der Umsatz soll dann irgendwo zwischen 7,1 und 7,7 Milliarden Euro liegen, je nach Weltlage.
Man ist optimistisch, dass diese Zielmarke bald erreicht wird. Der Fahrzeugmarkt erhole sich sichtbar. Außerdem fühlt sich Hella mit Faurecia unter dem Dach von Forvia offenbar stark genug, um auf Augenhöhe mit den Autoherstellern verhandeln zu können. In neuen Verträgen sind nun sozusagen Preisgleitklauseln enthalten, so dass Kostensteigerungen nicht im jüngst erlebten Ausmaß an Hella hängen bleiben – sollen. Favre räumt ein, dass es „ein harter Kampf sei“. Glaubt aber daran, die neuen Vertragskonditionen durchsetzen zu können: „Die Autobauer brauchen unsere Technologien. Sie brauchen Zulieferer wie uns.“
Siebtgrößter Zulieferer der Welt
Beispielsweise die digitalen Scheinwerfersysteme oder Frontpanels, die den Marken in Zukunft ein unverwechselbares Gesicht verleihen sollen. Zukunftsweisend ist auch die Smart Car Access-Technologie, die den Autoschlüssel ersetzen wird. Und nicht zuletzt die Elektronik, angefangen von den Batteriemanagementsystemen, bei denen Hella-Forvia führend ist, bis hin zu den weiterentwickelten Radarsensoren auf 77 Gigahertz-Basis, die für den nächsten Schritt beim autonomen Fahren auf Level 3 sorgen sollen.
Wenn Michel Favre, der als Faurecia-Finanzchef den Hella-Vorstandsvorsitz vom langjährigen Hella-Chef Rolf Breidenbach erst im Sommer übernommen hat, von „uns“ spricht, meint der Franzose Forvia, den aktuell siebtgrößten Automobilzulieferer der Welt mit rund 150.000 Beschäftigten, die dafür sorgen, dass mindestens in einem von zwei Autos auf dieser Welt Forviatechnik steckt – wahlweise von Hella oder Faurecia oder beiden.
Investitionen in Lippstadt
Die formulierten Ziele von Forvia sind ambitioniert. Bis 2025 will man mehr als 33 Milliarden Euro Jahresumsatz erreicht haben und die Marge für den operativen Gewinn soll bei mehr als 8,5 Prozent liegen. Auf dem Weg dorthin soll der Zusammenschluss von Hella und Faurecia strukturell mehr als 250 Millionen Euro an Synergien bringen. Nach den ersten Monaten sind es erst ein paar Millionen, wie Favre einräumt. Dennoch scheint bereits jetzt deutlich zu werden, dass Hella mit dem typisch gelben Logo immer mehr verblassen wird – erkennbar möglicherweise noch einige Jahre in Regalen von Ersatzteilehändlern, mehr kaum. Am Verhandlungstisch mit den Autobauern wird es künftig nur noch Forvia heißen.
Gut möglich, dass selbst in Lippstadt absehbar die blauen Forvia-Fahnen die Tradition von mehr als 120 Jahren Hella-Firmengeschichte überlagern werden. Wichtiger als Farbgebung dürfte für noch gut 8000 Beschäftigte in Deutschland sein, dass nicht nur neue Werke in Asien eröffnet werden. „Wir werden in Lippstadt auch in Infrastruktur investieren. Lippstadt ist das Herz von Hella“, verspricht der Pariser Favre immerhin.
Umsatzsteigerungen mit Spartengeschäft
Hella mit rund 36.000 Beschäftigten weltweit, davon 8000 in Deutschland, verbuchte im abgelaufenen Geschäftsjahr vom Juni 2021 bis Ende Mai 2022 gut 6,3 Milliarden Euro Umsatz. Zum Jahresende wird das Geschäftsjahr auf das Kalenderjahr umgestellt, wie es bei Faurecia auch der Fall ist.
Der Löwenanteil des Umsatzes resultierte aus dem Geschäftsfeld Automotive mit 5,4 Milliarden Euro (Vorjahr 5,5 Mrd. Euro). Ein Minus von 2,1 Prozent. Allerdings sei laut Unternehmen in diesem Zeitraum die Fahrzeugproduktion weltweit um rund neun Prozent gesunken.
Gute Geschäfte machte Hella im Ersatzteilgeschäft. Der Umsatz stieg auf 583 Mio. Euro (Vorjahr: 504 Mio. Euro). Ein Plus von 15,6 Prozent. Ebenfalls stark ist das Geschäft mit Sonderprodukten, insbesondere für Land- und Baumaschinen. 389 Mio. Euro stehen zu Buche (Vorjahr 359 Mio. Euro). Dieses Geschäftsfeld dürfte dennoch mittelfristig von Hella-Forvia verkauft werden. Aktuell sei allerdings die Marktlage ungünstig.