Lippstadt. Nach der Übernahme von Hella durch Faurecia ändert sich beim traditionsreichen Autozulieferer aus Lippstadt einiges – sogar das Geschäftsjahr.

Der Automobilzulieferer Hella hat in der Vergangenheit so manches anders gemacht als Wettbewerber – und dies so erfolgreich, dass das Traditionsunternehmen aus Lippstadt insbesondere in den zurückliegenden Jahren seit dem Börsengang im August 2014 ein stetiges Wachstum über dem Markt hinlegte. Mit der faktischen Übernahme durch den französischen Konzern Faurecia zu Beginn dieses Jahres soll nun vieles neu geordnet werden – etwa Beginn und Ende des Geschäftsjahrs.

Kurze Hella-Hauptversammlung

Zu den Eigenarten bei Hella gehörte bislang, dass das Geschäftsjahr im Juni eines jeden Jahres startete und am 31. Mai abgerechnet wurde. „Dieser ungewöhnliche Rhythmus hat historische Gründe“, sagt der noch amtierende Hella-Chef Rolf Breidenbach.

18 Jahre hat der Dortmunder das Unternehmen nicht nur begleitet, sondern auch von der Spitze aus gesteuert. Der gebürtige Bochumer hatte in der Vergangenheit auf vieles die richtige Antwort. Welche historischen Gründe dem hellaeigenen Rhythmus zugrunde liegen, konnte aber selbst der 59-Jährige nicht herausfinden: „Es lässt sich im Detail nicht zurückverfolgen“, musste Breidenbach am Freitagmorgen bei seiner vermutlich kürzesten, definitiv aber letzten Hella-Hauptversammlung passen.

Der Manager aus dem Ruhrgebiet, der beinahe zwei Jahrzehnte vom Wohnsitz Dortmund über die Autobahn 44 an die Rixbecker Straße in Lippstadt pendelte und nach dieser Zeit gefühlt aus der Hella-Familie kaum wegzudenken ist, nimmt am 30. Juni dieses Jahres seinen Hut. Mit dem 2004 von der Beratungsfirma McKinsey gekommenen Breidenbach verabschiedet sich der erste Topmanager in der Geschäftsführung, der in der Geschichte des 1899 gegründeten Unternehmens nicht aus dem Kreis der Inhaberfamilie stammte.

Bis 2017 stand ihm im Tagesgeschäft mit Jürgen Behrend noch ein Gesellschafter mit Hella-Stammbaum in der Geschäftsführung zur Seite. Behrend zog sich erst nach vier Jahrzehnten aus dem operativen Geschäft zurück und bereitete für die Eigentümerfamilien Hueck und Röpke letztlich den Verkauf von deren mehr als 60 Prozent Unternehmensanteilen an Hella in den vergangenen drei Jahren vor. Dass die Wahl auf Faurecia fiel, könnte damit zusammenhängen, dass dort mit den Peugeots ebenfalls eine Familie mit klangvollem Namen in der Automobilgeschichte eng verknüpft ist. Jedenfalls äußerte sich Behrend vergangenes Jahr gegenüber dem Handelsblatt entsprechend. Wichtig dürften, neben dem für die Huecks und Röpkes angemessen erschienenen Preis für den Aktienpool, noch andere Aspekte gewesen sein, an die Breidenbach am Freitag bei der virtuellen Aktionärsversammlung erinnerte.

Siebtgrößter Zulieferer der Welt

Eine sich kaum überschneidende Produktpalette – seit diesem Frühjahr werden Faurecia-Bauteile auch über das Hella-Portal verkauft. Bereits 2019 präsentierte Hella auf der letzten Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt gemeinsame Entwicklungen auf dem Weg zum autonomen Fahren. Jüngst habe man das innovative Thermomanagement Subsystem „Coolant Control Hub“ (CCH) gemeinsam mit Faurecia weiterentwickelt. Ein kompaktes Bauteil für die zunehmend komplexeren Kühlkreisläufe, das für effizienteres Energiemanagement sorgen soll.

„Hella und Faurecia sind zwei starke Unternehmen, die sich ergänzen“, betonte Breidenbach am Freitag noch einmal. Unter der im Februar präsentierten Dachmarke Forvia entsteht also gerade der siebtgrößte Autozulieferer der Welt, der heute bereits ein faktischer Konzern sei, gelenkt aus Nanterre in Frankreich statt wie seit 1899 aus Lippstadt – und künftig ohne den Wegbereiter Breidenbach, aber mit einem „normalen“ Geschäftsjahr.

99,9 Prozent der Anteilseigner stimmten der Umstellung am Freitag zu. Für den Konzern wird es nun etwas weniger aufwendig, weil Hella nicht „unrhythmisch“ über die Geschäfte berichten muss. Mit über 80 Prozent der Anteile ist Faurecia Hauptanteilseigner und Hauptprofiteur der Umstellung. Für die wenigen verbliebenen Fremdaktionäre dürfte es aber auch etwas übersichtlicher werden, wenn Hella nach einem Rumpfgeschäftsjahr von Juni bis zum 31. Dezember 2022, ab kommendem Jahr diesen nächsten Schritt von einem besonderen zu einem Schritt für Schritt normaleren Unternehmen vollzieht.

Übernahmeprotokoll

14. August 2021: Faurecia übernimmt das 60-Prozent-Aktienpaket der Poolaktionäre der Hella-Familien und bietet Aktionären 60 Euro/Aktie.31. Januar 2022: Offizielle Übernahme durch Faurecia (der Konzern hält mehr als 80% Anteile).4. Februar: Hella-Chef Dr. Rolf Breidenbach kündigt Abschied zum 30. Juni 2022 an.7. Februar: Name des neuen Konzerns ist Forvia.25. Februar: Neuer Hella-Chef wird ab Juli der Faurecia-Finanzvorstand Michael Favre.