Essen/Utrecht. Aldi eröffnet in Utrecht die erste Filiale ganz ohne Kassen. Waren werden automatisch erfasst. Verdi warnt bereits vor Stellenabbau im Handel.
Die Schlange ist schon lang und dann kommt auch noch die Durchsage „Wir schließen Kasse 2.“ So ist die Realität. Warten vor dem Bezahlen, Waren aufs Band und wieder runter – Lebensmittel einzukaufen soll schneller und einfacher werden. Rewe sammelt seit einem Jahr in Köln Erfahrungen mit automatisiertem Bezahlen. Am Mittwoch eröffnet Aldi Nord in Utrecht einen Discounter ganz ohne Kassen. Gewerkschafter warnen bereits vor Stellenabbau.
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Schöne neue Welt: Am Eingang der Aldi-Filiale in Utrecht scannen sich die Kundinnen und Kunden mit einem QR-Code ein, den die vorher heruntergeladene „Shop & Go“-App erzeugt. Einen Einkaufswagen oder Korb brauchen sie nicht. Die Ware können Kunden gleich in mitgebrachten Taschen oder Rucksäcken verstauen. Denn den Sensoren in den Regalen und den intelligenten Kameras an der Decke des Marktes entgeht nichts. Sie erfassen alle Bewegungen der Produkte und Menschen und ordnen sie den Kunden zu. Mit einem letzten Click in der Smartphone-App wird der Einkauf am Ausgang angeschlossen und der fällige Betrag gleich kontaktlos abgebucht.
Aldi: „Das Einkaufen so einfach wie möglich machen“
„Die Magie im Discount liegt in der Einfachheit. Wir setzen Technologien deshalb immer da ein, wo sie uns gezielt besser und schneller machen“, sagt Sinanudin Omerhodzic, Technologie-Chef bei Aldi Nord. „Mit Aldi ,Shop & Go’ haben wir ein Konzept entwickelt, das den Discount-Gedanken und Computer-Vision-Technologie zusammenbringt – immer mit dem Ziel, das Einkaufen so einfach wie möglich zu machen.“
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Als Testmarkt hat das Essener Unternehmen nicht von ungefähr Utrecht ausgewählt. In der niederländischen Universitätsstadt gibt es viele technikaffine junge Studierende. Nach Angaben eines Sprechers gehört der innenstadtnahe Markt zu den umsatzstärksten mit einem hohen Anteil an Laufkundschaft.
Rewe weitet Test in Köln auf Berlin aus
Aldi verzichtet in Utrecht ganz bewusst auf parallele Kassen, um zu testen, ob die neue kassenlose Technik funktioniert und angenommen wird. In den vergangenen Monaten hatten Mitarbeitende das selbstlernende System intensiv getestet. Der Discounter geht damit einen etwas anderen Weg als Rewe. Der Handelsriese hat vor gut einem Jahr in der Kölner Innenstadt den europaweit ersten Supermarkt eröffnet, der mit und ohne Kasse funktioniert. Rewe nennt das hybride Einkaufskonzept „Pick & Go“ und hat jüngst angekündigt, das Projekt nach den guten Erfahrungen in der Domstadt nun auch auf eine Filiale in Berlin auszuweiten.
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Beide Unternehmen betonen, Datenschutzrichtlinien bei der Erfassung der Kundschaft zu berücksichtigen. „Es findet weder eine Gesichtserkennung statt, noch kann das System Kundinnen und Kunden nach einem Besuch im Markt wiedererkennen“, heißt es bei Rewe. Bei Aldi Nord unterstreicht man, dass „Gesichtsdaten direkt herausgefiltert und nicht verarbeitet werden“. Zudem nutze die Künstliche Intelligenz „keine Augenscans, Fingerabdrücke oder anderen biometrischen Merkmale“.
Verdi befürchtet Wegfall von Arbeitsplätzen
Der Datenschutz ist aber nicht der einzige neuralgische Punkt am kassenlosen Einkauf. Die Gewerkschaft Verdi schaut auch auf die Konsequenzen für die Beschäftigten im Einzelhandel. „Man wird sich neuen Technologien nicht verschließen können. Sie dürfen aber auch nicht über die Köpfe der Mitarbeitenden hinweg eingeführt werden“, fordert Heino-Georg Kassler vom Landesfachbereich Handel bei Verdi NRW. Der Gewerkschaftssekretär erinnert daran, dass die Einführung von Künstlicher Intelligenz am Arbeitsplatz in Deutschland mitbestimmungspflichtig sei.
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„Wir befürchten eine Entqualifizierung der Tätigkeiten und einen Wegfall qualifizierter Arbeitsplätze, wenn die Funktion der Kassierer und Kassiererinnen wegfällt“, erklärt Kassler. Beim Discounter, der keine Bedientheken mit Fleisch, Fisch und Käse habe, müssten ohne Kassen „dann nur noch Waren aufgefüllt werden“.
Der Verdi-Experte erinnert daran, dass es bereits Software gebe, die das jeweilige Kundenaufkommen in der Filiale und damit den Auffüllungsbedarf der Regale erkenne. „Es wäre möglich, dass Mitarbeitende nur zu diesen Zeitpunkten angefordert werden“, so Kassler. Er geht aber nicht davon aus, dass kassenloses Einkaufen rasch die Regel sein werde. „Der Investitionsaufwand mit Hunderten von Kameras ist sehr hoch.“