Essen. Theo Albrecht hat mit seinem Bruder Karl den Discount erfunden. Über den Mitgründer ist kaum etwas bekannt. Am 28. März würde er 100 Jahre alt.
Für Aldi-Verhältnisse kommt es einer Revolution gleich, dass im lichtdurchfluteten Foyer der neuen Unternehmenszentrale in Essen eine kleine Ecke reserviert ist, in der das Büro des Mitgründers Theo Albrecht aufgebaut ist. Der karge holzvertäfelte Raum vermittelt erstmals einen Eindruck von dem Mann, der gemeinsam mit seinem Bruder Karl ein Discounter-Imperium aufbaute und es schaffte, auch über den Tod hinaus ein Phantom zu bleiben. Die Geheimniskrämerei hat er kultiviert. Und so wird der 28. März 2022 bei Aldi Nord ein ganz normaler Arbeitstag sein, obwohl Theo Albrecht heute 100 Jahre alt geworden wäre.
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Eine abgewetzte Aktentasche, ein paar Kunstwerke, seine Sammlung historischer Schreibmaschinen und ein Block mit Millimeterpapier – im Gründerbüro ist hinter Glas zu sehen, was im Leben Theo Albrechts wirklich zählte. Man weiß, dass er gern einmal selbst die Grundrisse für neu geplante „Verkaufsstellen“ veränderte. Ansonsten ist es ihm und seinem Bruder Karl zeitlebens gelungen, im Verborgenen zu bleiben. Ein einziges Mal zeigte sich Theo Albrecht der Öffentlichkeit, als er im Jahr 1971 nach einer Entführung wohlbehalten in sein Haus in Essen-Bredeney zurückkehrte.
Es begann in einem Krämerladen in Essen-Schonnebeck
Längst ist aus dem Krämerladen der Eltern in Essen-Schonnebeck ein international wachsender Discount-Riese geworden. Aldi Süd und Aldi Nord beschäftigen weltweit mehr als 235.000 Menschen. Die gewaltigen Hauptverwaltungen in Mülheim und Essen sind zu Jobmotoren für das Ruhrgebiet geworden. Der Geist ihrer Gründer, so berichten es Insider, prägt aber bis heute das Tagesgeschäft. In der alten Zentrale in Essen-Kray und in vielen Filialen klebt seit jeher unter jedem Schalter der Hinweis „Licht aus!“. Es war nicht nur eine Marotte der beiden Seniorchefs, nach Feierabend zu kontrollieren, ob auch wirklich alle Lampen in den Büros gelöscht waren. Neue Bleistifte für die Mitarbeitenden wurden nur dann genehmigt, wenn die alten nur noch Stummel waren.
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Die unerbittliche und belächelte Sparsamkeit der beiden Brüder, die sie zu Milliardären und zwei der reichsten Deutschen machten, würde man heute als Nachhaltigkeit und Schonung von Ressourcen bezeichnen, und gehört zum Dreiklang der Werte Einfachheit, Verlässlichkeit und Verantwortung, die bis heute zum Aldi-Prinzip zählen.
Abends die Lampen ausschalten
„Discount lebt von der Konsequenz und der Disziplin. Deshalb kann man nicht jede Filiale anders bauen und in jedem Land eine andere Software einführen“, sagt Florian Scholbeck, Geschäftsführer Kommunikation bei Aldi Nord, und meint damit nicht nur das Sparsamkeitsprinzip, das auch nach dem Tod von Theo Albrecht 2010 im Unternehmen gelebt wird. Obwohl seit 2017 eine halbe Milliarde Euro in die Modernisierung der bis dato düsteren und nicht mehr zeitgemäßen Filialen investiert wurde, soll Aldi ein Discounter mit einem auf rund 1900 Artikel begrenzten Sortiment bleiben.
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„Geändert haben sich die Ansprüche und Erwartungen der Kunden. Aus Kartons heraus zu verkaufen, funktioniert heute nicht mehr. Deshalb haben wir die Modernisierung entlang der sich wandelnden Anforderungen orientiert“, erklärt Scholbeck. Und auch das ist ganz im Sinne der Gründer: Obwohl längst auch große Namen wie Haribo oder Coco-Cola in den Regalen stehen, sind mit 90 Prozent die weitaus meisten Lebensmittel bei Aldi immer noch Eigenmarken. „Darüber haben wir den vollen Zugriff auf Qualität und Preisführerschaft“, betont der Geschäftsführer. Denn die Hersteller müssen die ganze Palette vom Klopapier bis zum Champagner so anbieten, wie es die Aldi-Philosophie vorsieht.
Aldi: „Wir glauben an die Zukunft des Discounts“
Dennoch haben die Supermärkte von Edeka, Rewe Co., die längst auch Billig-Produkte führen, in den vergangenen Jahren Boden gut gemacht. Der Markt für Discounter in Deutschland gilt als gesättigt. Expansionspläne verfolgt Aldi deshalb vor allem im Ausland. Aldi, Lidl, Penny und andere haben aber immer noch die Nase vorn. Nach Berechnungen des Marktforschungsunternehmens GfK kamen die Discounter im vergangenen Jahr auf einen Marktanteil von fast 35 Prozent, die Supermärkte erreichten fast 30 Prozent, SB-Warenhäuser wie Real und Globus zwölf Prozent. Den Rest teilen sich Fachhandel, Drogeriemärkte und Onlineanbieter untereinander auf.
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„Wir glauben an die Zukunft des Discounts, auch wenn sich die Einkaufspreise gerade massiv verschieben“, sagt Aldi-Nord-Geschäftsführer Scholbeck. „Unser Geschäftsmodell ermöglicht gerade in schwierigen Zeiten nach wie vor den günstigsten Preis.“ Die Unternehmen aus Essen und Mülheim hatten zuletzt im Zuge des Kriegs in der Ukraine und außer Takt geratener Lieferketten für etliche Produkte die Preise erhöht.
Personenkult ist bei Aldi verpönt
Angesichts der galoppierenden Inflation erwarten Experten deutliche Zuwächse für die Discounter. In den nächsten Jahren wird der Preis beim Einkauf wieder eine viel größere Bedeutung haben“, sagt Handelsexperte Frank Küver vom Marktforschungsunternehmen Nielsen. Das dürfte nach seiner Einschätzung dazu führen, dass die Discounter nach Jahren mit eher durchwachsenen Ergebnissen wieder Marktanteile gewinnen.
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Theo Albrecht würde es freuen. Das von ihm und seinem Bruder Karl erfundene Discount-Modell funktioniert bis heute. Sein 100. Geburtstag wird trotzdem nicht gefeiert. Personenkult ist bei Aldi verpönt. Das gilt auch für Theo Albrecht junior, den Sohn des Gründers. Er ist immer noch aktiv beim Discounter tätig und isst regelmäßig in der Kantine zu Mittag. Von seinem weltberühmten Vater gibt es abgesehen von Aufnahmen nach der Entführung 1971 offiziell keine Fotos – auch nicht in seinem gerade geöffneten Büro.