Dortmund. Die steigenden Energiepreise belasten nahezu alle Unternehmen. Supermärkte und Discounter mit großen Kühlanlagen leiden besonders.

Die stark steigenden Energiepreise belasten immer mehr Unternehmen. Bundesweit sehen einer Umfrage zufolge 78 Prozent der Betriebe die höheren Kosten für Strom, Gas und Sprit, aber auch für Rohstoffe als eines der größten Geschäftsrisiken. In der Industrie und auf dem Bau sind es sogar über 90 Prozent. Auch der Einzelhandel schlägt Alarm.

Auch 89 Prozent der Einzelhändlerinnen und Einzelhändler bundesweit spüren die Auswirkungen des Ukrainekriegs. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Handelsverbands HDE unter mehr als 900 Betrieben hervor. „In dieser Zeit von Krisen sind die hohen Energiepreise eine zusätzliche Belastung für viele Handelsunternehmen. Sie verschärfen die Unsicherheit in der Branche“, sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

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Die anwachsenden Rechnungen treffen vor allem Supermärkte und Discounter, die frische Lebensmittel kühlen und Tiefkühlkost gefroren halten müssen. Nach einer Studie des Kölner Instituts EHI entfallen im Lebensmitteleinzelhandel 78 Prozent des Energieverbrauchs auf elektrischen Strom und nur 22 Prozent auf Wärmeenergie. Ein Supermarkt verbraucht danach 318 Kilowattstunden pro Quadratmeter und damit dreimal mehr als ein Geschäft, das Mode oder Haushaltswaren verkauft.

Günstige Stromverträge für viele Händler laufen aus

Der HDE-Umfrage laufen bei jedem zweiten Händler absehbar die noch vergleichsweise günstigen Verträge mit ihren Versorgern aus. „Viele Händlerinnen und Händler finden keinen Energieanbieter, der sie mit ausreichend Energie zu wirtschaftlichen Bedingungen versorgen kann. Das ist besonders mit Blick auf den Winter dramatisch“, warnt Genth. Der Kölner Konzern Rewe hat bereits angekündigt, sich an einem Windpark vor der Nordseeinsel Borkum zu beteiligen und die Temperatur in den Filialen zu dimmen. Lidl, Kaufland und Aldi setzen verstärkt auf Photovoltaikanlagen, um ihren eigenen Strom zu erzeugen.

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Zu den vielen Händlern, deren Verträge gerade auslaufen, gehört auch Michael Radau. Der Präsident des Handelsverbands NRW ist im Hauptberuf Eigentümer der in Münster ansässigen Kette Superbiomarkt, die auch eine Reihe von Filialen im Ruhrgebiet betreibt. Bis Ende 2021 bekam Radau seinen Strom für 4,7 Cent pro Kilowattstunde. Im Rahmen des neuen Vertrags, der ein Jahr läuft, zahlt er nun 20,3 Cent – das Vierfache. „Der gestiegene Strompreis verursacht bei uns Mehrkosten von 1,6 bis 1,8 Millionen Euro“, sagt der Einzelhändler. Vom Gewinn werde da am Ende des Jahres nicht viel übrig bleiben.

Superbiomarkt: Mehrkosten von bis zu 1,8 Millionen Euro

Zumal Radau keine Chance sieht, alle Mehrkosten auf die ohnehin steigenden Verkaufspreise für Lebensmittel umzulegen. „Dafür ist der Wettbewerb zu hoch“, meint er. Sein Team und er seien gerade dabei, auf der Suche nach Einsparpotenzialen „jeden Stein im Unternehmen umzudrehen“. Das habe aber Grenzen. „Die Heizung kann ich herunterdrehen, aber nicht die Kühlung und die Klimaanlage“, so der Kaufmann.

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Aus Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen wisse er, dass die Kette Superbiomarkt kein Einzelfall sei. Sein Blick richtet sich deshalb nach Berlin. Radau: „Die Bundesregierung wird erkennen, dass wir in dieser Situation ähnlich wie in der Corona-Pandemie staatliche Unterstützung brauchen.“

IHK Dortmund lobt grünen Wirtschaftsminister Habeck

Den Preisanstieg für Energie spürt inzwischen nahezu die gesamte Wirtschaft. In einer Blitzumfrage der Industrie- und Handelskammer Dortmund gaben 93 Prozent der mehr als 430 befragten Unternehmen in Dortmund, Hamm und im Kreis Unna an, von den explodierenden Kosten betroffen zu sein. Jeder fünfte Betrieb erwartet dadurch negative Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg. Dabei beurteilen 93 Prozent im IHK-Bezirk ihre gegenwärtige wirtschaftliche Lage als gut oder befriedigend. 20 Prozent befürchten eine Verschlechterung ihrer Lage.

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Für die Dortmunder IHK, aber auch alle anderen Kammern in Nordrhein-Westfalen, steht deshalb das Thema „Handlungsbedarf bei der Energieversorgung“ ganz oben auf der Liste der Herausforderungen, der sich nach ihrem Willen die künftige, vermutlich schwarz-grüne Landesregierung widmen möge. Kritisch sieht IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber die Maßnahmen, die bisher auf Bundesebene verabschiedet wurden. „Die Beschlüsse der Regierungskoalition können die großen Sorgen in der Wirtschaft nicht wirklich verringern“, sagt Schreiber. „Die Senkung der Energiesteuer für drei Monate ist aus Sicht vieler Betriebe nur ein Tropfen auf den heißen Stein – der besonders stark betroffenen Industrie kann sie nicht helfen.“

Als „erfreulich“ bewertet Schreiber dagegen den Plan von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), abzuschaltende Kohlekraftwerke bis zum Frühjahr 2024 in die „Versorgungsreserve“ zu überführen. „Das ist ein richtungsweisender Schritt des Bundeswirtschaftsministeriums“, so der IHK-Hauptgeschäftsführer.