Essen. Projektentwickler gewinnen zunehmend Interesse am Ruhrgebiet. Trotz Krise wird in der Region deutlich mehr gebaut als in anderen Metropolen.
Trotz Corona-Pandemie, Krieg in der Ukraine, rasant steigender Preise und einer hohen Inflation wird im Ruhrgebiet mehr gebaut als in anderen Metropolen. Während die sogenannten A-Städte wie Berlin, Hamburg oder München zwischen den Jahren 2020 und 2022 laut einer Studie einen Einbruch beim Volumen der Projektentwicklungen um 3,7 Prozent hinnehmen mussten, ging es im Revier um sieben Prozent nach oben. Inzwischen hat Dortmund die Konzernhauptstadt Essen überholt.
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Andreas Schulten glaubt an das Ruhrgebiet. Der Geschäftsführer von Bulwiengesa, einem bundesweit tätigen Analysehaus rund um Immobilien, hatte zu Beginn der Pandemie 2020 eine Niederlassung in Essen eröffnet. „Die Branche geht von einem Wachstum aus – mit einem großen Aber“, fasst Schulten die Stimmung unter den Projektentwicklern zusammen und stützt sich dabei auch auf eine Auswertung von rund 2000 Projekten, die im Ruhrgebiet gerade in der Pipeline sind. Sein „Aber“ ist gemünzt auf das Ansteigen der Bauzinsen und -kosten, die zum Zeitpunkt der Erfassung der Daten zu Beginn des Jahres noch nicht in ihrer Deutlichkeit abzusehen waren. Der Experte ist aber überzeugt: „Das Ruhrgebiet ist deutlich besser gestartet als die A-Städte.“
Wohnungs- und Büroneubau boomen
Die Zahlen überraschen selbst die Insider. Der Studie von Bulwiengesa zufolge befinden sich im Ruhrgebiet aktuell rund zwölf Millionen Quadratmeter Büro-, Wohn- und Gewerbeflächen in der Entwicklung. Davon seien 2,5 Millionen m2 in Bau und 4,6 Millionen m2 in konkreter Planung für die kommenden vier Jahre. Motor der positiven Entwicklung seien Wohn- und Büroprojekte, während bei Hotels, Einzelhandel und sogar in der Logistik Rückgänge zu beobachten seien. Bei den Entwicklungen belegt das Wohnen mit 35,5 Prozent Platz 1, gefolgt von der immer noch starken Logistik mit 28,5 Prozent.
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„Das Ruhrgebiet profitiert gleichzeitig von seiner Größe und seiner wirtschaftlichen Stabilität“, sagt Schulten. Der Bulwiengesa-Geschäftsführer zeigt sich zuversichtlich, dass über den florierenden Wohnungsbau auch die immer noch schwächelnde Kaufkraft in der Region verbessert werden könne, weil neue Menschen in die Städte ziehen.
Dortmund hängt Essen ab
„Sehr überraschend“ findet Schulten, dass Essen die Führungsrolle mit den meisten Projektentwicklungen an den ewigen Rivalen Dortmund abgegeben habe. „Im Osten des Ruhrgebiets passiert einiges, vor allem bei Logistik-Immobilien“, meint der Experte. Gleichwohl seien die Hälfte aller Projekte im Ruhrgebiet „in den vier Städten mit ICE-Bahnhof“ anzutreffen: Duisburg (1,3 Millionen m2), Essen (1,5 m2), Bochum (1,2 m2) und Dortmund (1,9 m2). Wobei laut Studie inzwischen auch Mülheim auf den vorderen Plätzen liegt.
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Die Investoren fühlen sich im Revier wohl. „Die Märkte hier sind total spannend, auch weil man kostengünstiger bauen kann“, sagt Anna Rzymelka, NRW-Niederlassungsleiterin beim Wohnungsentwickler Instone Real Estate. „Wir werden unser Engagement im Ruhrgebiet ausbauen“, kündigt sie an.
Günstige Preise im Ruhrgebiet
„Man muss das Ruhrgebiet nicht mehr erläutern“, erklärt Michael Buchholz, Leiter der Region West beim Projektentwickler Aurelis. „Wohnungsbau treibt den Strukturwandel an, aber nur in Verbindung mit Gewerbe.“ 58.000 Quadratmeter entwickelt gerade das Dortmunder Immobilienunternehmen Harpen allein in Bochum und Dortmund. „Wir gehen ein hohes Risiko ein, behalten die Immobilien aber“, sagt Dirk Himmel, Leiter Projektentwicklung.
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„Wir sind relativ entspannt. Die Krise wird mittelfristig vorübergehen“, kommentiert auch Lorenz Tragatschnig vom österreichischen Immobilienkonzern Soravia, der gerade das riesige Tengelmann-Areal in Mülheim entwickelt. Nach seiner Einschätzung sind die „Einstiegspreise“ für Grundstücke und Bestandsimmobilien im Ruhrgebiet „sehr interessant“. Vor diesem Hintergrund könne sich Soravia „mehr Zeit in der Entwicklung lassen“.
„Unsicherheit wird noch einige Monate anhalten“
Obwohl Wohnungsriesen wie Vonovia und LEG ihre Neubaupläne wegen der Baukosten-Explosion deutlich abgespeckt und die Eigentümer des Rhein-Ruhr-Zentrums in Mülheim die Modernisierung des Einkaufszentrums auf Eis gelegt haben, glaubt in der Branche niemand an Projektstopps in großem Stil. „Die Bauunternehmen tun sich schwer, über Festpreise zu reden“, räumt Dirk Himmel von Harpen aber ein. „Die Phase der Unsicherheit wird noch einige Monate anhalten.“
>>> Die Top 10 der Projektentwickler
Diese Top 10 der Projektentwickler, die signifikant im Ruhrgebiet tätig sind, hat Bulwiengesa in einer Studie ermittelt:
1. die familiengeführte Thelen-Gruppe aus Essen;
2. Prologis, Weltmarktführer für Logistik-Immobilien;
3. der Gelsenkirchener Wohnungskonzern Vivawest;
4. Wohnimmobilien Wilma;
5. Edeka-Gruppe;
6. Projektentwicker ten Brinke;
7. Deutsche Reihenhaus
8. Duisburger Stadttochter Gebag;
9. Gewerbeimmobilien Hillwood;
10. Bauprojektentwickler Landmarken AG