Essen. Trotz der Corona-Krise steigen die Immobilienpreise weiter. Probleme sieht die Branche allein bei Hotels, Ladenlokalen und Einkaufszentren.

Wird die Corona-Pandemie den seit Jahren anhaltenden Preisauftrieb bei Immobilien stoppen? Andreas Schulten schüttelt den Kopf. „Der Wohnungsmarkt war schon bei der Finanzmarktkrise 2008/2009 der Retter in der Not“, sagt der Geschäftsführer des renommierten Analyseunternehmens Bulwiengesa. Sorgen bereiten Schulten vielmehr die Entwicklungen der Hotel- und Einzelhandels-Immobilien. „Den Niedergang beobachten wir aber bereits seit 2016“, meint der Experte, der auch Städte berät.

Nach den weitgehenden Lockerungen des Shutdowns hat Bulwiengesa in seinem Essener Büro ganz frische Zahlen ausgewertet. „Der Markt für Wohn- und Logistikimmobilien ist Anfang Mai schon wieder leicht angezogen“, erklärt Schulten. Der Geschäftsführer sieht in der gesamten Branche an Rhein und Ruhr nur einen „kleinen Einbruch“, obgleich er dazu rät, die drohende Rezession ernstzunehmen. „Nach zehn Jahren des Preisanstiegs bricht jetzt die Zeit des Luftholens an“, so Schulten.

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Die Wohnungsnot bleibt auch im Laufe der Corona-Epidemie akut. Den größten Bedarf innerhalb des Ruhrgebiets sieht Bulwiengesa in Essen und Dortmund. „Dorthin ziehen viele junge Familien und Beschäftigte. Der Bedarf nach zusätzlichem Wohnraum ist längst nicht gedeckt“, sagt Schulten. Gleichwohl sieht er ein Ende des Trends, dass die Menschen zurück in die großen Stadtkerne ziehen wollen. „Die Reurbanisierung hat schon vor zwei Jahren nachgelassen. Speckgürtel wie Kettwig und Meerbusch sind wieder gefragt“, erklärt der Geschäftsführer.

Büroimmobilien: „Shootingstar ist Bochum“

Obwohl während des Shutdowns Hunderttausende Menschen vom Homeoffice aus arbeiteten und zum Teil noch immer nicht in die Unternehmen zurückgekehrt sind, sieht das Beratungsunternehmen gute Perspektiven für Büroimmobilien im Ruhrgebiet. „Längs des Hellwegs zwischen Duisburg und Dortmund ist sehr viel Musik drin“, sagt Schulten. „Der Shootingstar ist Bochum. Dort halten wir steigende Büromieten für möglich.“

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Trotz des Distanzgebots zur Minimierung der Ansteckungsgefahr mit Corona rechnet die Branche nicht mit einem Einbruch des Büromarkts. „Wir teilen nicht die Sorge, dass künftig alle im Homeoffice arbeiten werden. Die Bürobeschäftigung wird nicht zurückgehen“, prognostiziert Bulwiengesa. „Das Segment Büroimmobilien ist über alle Anlagearten hinweg durchweg am aktivsten“, meint auch Markus Drews, Vorstand bei der auf Büroimmobilien spezialisierten Diok Real Estate AG. Seit 2009 seien die Büromieten um 45 Prozent gestiegen und gleichzeitig die Leerstände auch im Ruhrgebiet zurückgegangen.

Schlechte Zeiten für Hotels und Geschäftshäuser

Weniger rosig ist es dagegen um Hotel-Immobilien und Ladenlokale im Einzelhandel bestellt. Die Bonner Barton-Gruppe, die auch in Gelsenkirchen vertreten ist, registrierte bei ihren gewerblichen Kunden im April und Mai 39 Prozent „offene Posten“ bei der Mietzahlung. Grund war der Shutdown, Geschäftsführer Dominik Barton rechnet auch in den kommenden Monaten mit Mietausfällen und deshalb mit wegbrechenden Erträgen. Im Gegensatz zu den Wohnimmobilien, die sein Unternehmen bewirtschaftet. „Hier will kaum ein Mieter reduzieren“, sagt Barton.

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Corona zeigt bislang auch kaum Auswirkungen auf den Markt für Eigentumswohnungen. Das Onlineportal Immowelt hat in 45 von 60 untersuchten deutschen Großstädten weiter steigende Kaufpreise in den ersten vier Monaten des Jahres gemessen. „Bislang hat der Wohnimmobilienmarkt die Corona-Krise gut überstanden, die Preise sind größtenteils stabil oder steigen sogar weiter“, sagt Immowelt-Chef Cai-Nicolas Ziegler. „Wie stark die Corona-Krise letztendlich die Immobilienmärkte beeinflusst, wird sich erst in einigen Monaten zeigen.“ Sein Gefühl: „Die aktuell schrittweise Aufhebung des Lockdowns spricht aber eher dafür, dass die Immobilienbranche wieder durchstartet und die schon jetzt gestiegene Nachfrage die Preise weiter ankurbeln wird.“

Der Übersicht zufolge stiegen auch in fast allen untersuchten Ruhrgebietsstädten die Preise für Eigentumswohnungen im Vergleich zu den letzten vier Monaten des Jahres 2019. Ausnahmen sind Duisburg mit einem stagnierenden Niveau und Oberhausen mit einem Minus von drei Prozent. Immowelt zufolge fiel das Preisplus mit sieben Prozent in Herne am höchsten aus. In Essen und Gelsenkirchen waren es sechs Prozent, in Bochum drei und in Dortmund ein Prozent.