Bochum. Endlich wieder live: Der Ruhrsummit versammelte die Start-up-Szene in der Bochumer Jahrhunderthalle. Wo junge Firmen große Chancen haben.
Zwei Jahre lang war der Ruhrsummit wegen Corona mehr oder weniger ins Internet verbannt. Am Dienstag früh blühte der Kongress der Start-up-Szene in der Bochumer Jahrhunderthalle wieder auf. Zur Begrüßung gab es aus Freude über das Wiedersehen Umarmungen und Küsschen. So voll wie in der Zeit vor der Pandemie war es zunächst aber nicht.
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„Corona ist eben noch nicht vorbei“ – der Satz fällt an diesem sonnigen Frühsommer-Tag häufig in Bochum. Kurz vor dem Start des Ruhrsummit hat es auch den scheidenden NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart erwischt. Er musste seinen Besuch in der Jahrhunderthalle kurzfristig absagen. Wenige Tage vor der Amtsübergabe an seine mutmaßliche grüne Nachfolgerin Mona Neubaur wollte Pinkwart eine Bilanz seiner „Aufholjagd“ ziehen. Der FDP-Minister hatte sich zum Ziel gesetzt, mit der Start-up-Szene im Ruhrgebiet die deutsche Hauptstadt in Berlin einzuholen und bis zum Jahr 2025 Nordrhein-Westfalen unter die Top 10 der Gründerregionen in Europa zu bringen.
NRW liegt hinter Berlin und Bayern
Erste Erfolge konnte Pinkwart bereits verbuchen. 2021 wurden in NRW im Vergleich zum Vorjahr elf Prozent mehr Start-ups gegründet. Insgesamt gab es 571 Gründungen gegenüber 478 im Jahr 2020. Damit lag der Anteil an allen bundesweiten Start-up-Gründungen bei knapp 17 Prozent. NRW belegt damit nach Berlin und Bayern den dritten Platz. Von den aktuell rund 1900 Start-ups in Nordrhein-Westfalen kommen nach Angaben seines Ministeriums 333 aus dem Ruhrgebiet.
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Berlin hat allerdings weiterhin deutlich die Nase vorn. Im vergangenen Jahr gründeten sich in der deutschen Hauptstadt 747 Start-ups. Damit kam Berlin auf einen bundesweiten Anteil von 22 Prozent. 36 Prozent der Neugründungen in NRW fanden zuletzt in Köln und Düsseldorf statt. Essen (16 Start-ups), Dortmund (11) und Bochum (9) belegten im Landesranking die Plätze 6, 7 und 11.
Dopheide: „Der Mensch ist die Erfolgsvariable“
Die Gründerszene im Revier hat die harte Zeit der Corona-Pandemie offenbar gut überstanden. Im weitläufigen Foyer der Jahrhunderthalle präsentieren sich junge Firmen mit ihren Innovationen, aber auch Geldgeber wie die NRW-Bank und Venture Capital Fonds. Auf zwei großen Bühnen und in drei kleineren Ecken laufen Diskussionen und Reden. Zum Aufwärmen trat gleich zu Beginn des vom Ruhrhub organisierten Ruhrsummit Frank Dopheide auf, der sich zu einer Art Guru der Start-up-Szene aufgeschwungen hat.
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Der Unternehmensberater aus Düsseldorf rief seine Zuhörerinnen und Zuhörer zu allerst dazu auf, beim Gründen auch die rechte Gehirnhälfte einzusetzen. „Empathie und Intuition werden heute gar nicht mehr abgerufen“, beklagte Dopheide. Das sei aber eminent wichtig und nicht nur „das Denken in Zahlen und Excel-Tabellen“. Dabei sei „der Mensch die Erfolgsvariable auch bei der Unternehmensgründung“. Dopheide: „Menschen sind beseelt von dem, was sie tun. Das kann unglaubliche Kräfte entfalten.“
In diese Richtung denkt auch Bastian Bärenfänger. Der Manager, der beim Düsseldorfer Dax-Konzern Henkel die Weiterbildung leitet, hat gerade sein Start-up Siomo gegründet. „Eine ausgeprägte Intuition ist die mächtigste Eigenschaft in der heutigen Zeit“, sagte Bärenfänger im Podacst „Die Wirtschaftsreporter“ mit WAZ-Wirtschaftschef Stefan Schulte. Er lasse sich auch gern von seinem Bauchgefühl leiten und verfolge die Devise „immer der Nase nach“. Ein Rat, den er auch anderen Gründerinnen und Gründern mit auf den Weg geben wolle.
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Mut, den Weg in die Selbstständigkeit zu beschreiten, macht auch Britta Julia Dombrowe. „Genau in dieser Zeit vieler Umbrüche sind neue Ideen gefragt – gerade im Ruhrgebiet“, sagte die Programmleiterin Start-up-Aktivitäten bei der Gründerallianz Ruhr, die von Initiativkreis Ruhr, RAG, RAG-Stiftung, Evonik und Vonovia getragen wird, im Interview in der Funke-Box. Das Video und andere Gespräche auf dem Ruhrsummit sind auf www.waz.de abrufbar. Der Podcast mit Bastian Bärenfänger soll ab Freitag online bereit stehen.
Audi-Manager: Auto ist kein Statussymbol mehr
Ein Betätigungsfeld für Start-ups wird nach Einschätzung vieler Rednerinnen und Redner auch das große Feld der Mobilität sein. Philipp Noack, Vertriebschef beim Autobauer Audi, geht davon aus, dass die Transformation des Mobilitätssektors „viermal so weitreichende Auswirkungen“ haben werde wie die industrielle Revolution. „Autofahren ist eine Haltung für Nachhaltigkeit geworden, und das Auto selbst ist kein Statussymbol mehr“, sagte Noack und prognostizierte: „Das Auto wird das nächste digitalen Geräte, das sich ab 2030 alle 18 Sekunden mit einem anderen Gerät vernetzt.“