Duisburg. Der Inkubator Anthropia fördert soziale und ökologische Start-ups und holt junge Firmen aus ganz Deutschland nach Duisburg. Hoher Frauen-Anteil.
Seit Jahren versucht das Ruhrgebiet, Start-ups aus ganz nach Deutschland in die Region zu locken. Duisburg ist es bereits gelungen. 115 junge Unternehmen mit sozialer und nachhaltiger Ausrichtung aus allen Bundesländern betreut aktuell der Inkubator Impact Factory mit seiner Trägergesellschaft Anthropia. Stadt und Wirtschaft werben darum, dass die Bande in die Region auch von Dauer sein werden.
Matti Glatte hat die weiteste Anreise. Der Student baut mit anderen in Greifswald an der polnischen Grenze die Firma „CO2-Börse“ auf. Das junge Team hat eine App entwickelt, die berechnet, wie viel Kohlendioxid Bäume und Hecken bei Ausgleichspflanzungen binden. „Wir wollen ein neues Geschäftsfeld für Förster und Landwirte erschließen“, sagt Glatte. Bei Anthropia in Duisburg findet er die Beratungsangebote, die er braucht, um herauszufinden, ob es bei der Zielgruppe überhaupt einen Bedarf für die junge Geschäftsidee gibt. „Das differenzierte Programm gefällt mir sehr gut“, bekennt Glatte. „Das Ruhrgebiet ist eine spannende Region.“
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Das ökologisch ausgerichtete Start-up aus Greifswald passt exakt in den Fokus des Ruhrorter Inkubators. „Wir sind der größte Accelerator in Deutschland, der wirkungsorientierte Start-ups unterstützt“, sagt Geschäftsführer Oliver Kuschel. Übersetzt heißt das: Anthropia versteht sich als Beschleuniger von jungen Unternehmen, die gesellschaftsrelevante, ökologische und soziale Innovationen voranbringen wollen.
Seit 2018 mehr als 300 Gründer betreut
Mehr als 300 Gründerinnen und Gründer hat Anthropia seit dem Start 2018 bereits betreut. „Wir holen soziale Innovationen aus ganz Deutschland nach Duisburg“, bilanziert Geschäftsführer-Kollege Dirk Sander nicht ohne Stolz. Annähernd 50 Prozent seien weiblich – ein hoher Frauenanteil in der ansonsten eher männlich geprägten Start-up-Szene.
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Zweimal im Jahr können sich Start-ups mit gemeinnützigen und sozialen Geschäftsmodellen um Aufnahme in das Programm bewerben. „Die Förderung ist rein ideell, es fließt kein Geld“, erklärt Sander. In Duisburg vor Ort oder digital gibt es im Rhythmus von zwei Wochen zweitägige Workshops, die Partner wie Evonik, Telekom, Wilo, GLS Bank, Commerzbank, Hochschulen, Wirtschaftsförderer und Kammern organisieren, um den Gründern rechtliche und betriebswirtschaftliche Themen zu vermitteln. Weitere Förderpartner werden noch gesucht.
Nachhaltige Geschäftsmodelle
Finanziert wird das Inkubator-Programm von der Otto-Beisheim-Stiftung des verstorbenen Metro-Mitgründers, der Stiftung der Förderbank KfW und dem Duisburger Familienunternehmen Haniel, das Anthropia auch ein Gebäude auf dem konzerneigenen Campus im Stadtteil Ruhrort zur Verfügung stellt. Haniel-Chef Thomas Schmidt sieht den Inkubator inzwischen als Kernbestandteil seines Unternehmens, das sich gerade einem tiefgreifenden Wandel unterzieht. „Mit dem Enkelfähig-Ansatz will Haniel das Thema Nachhaltigkeit in der Gesellschaft verankern und zur Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle beitragen“, erklärt Schmidt.
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Als Beteiligungsholding hat Haniel hat sich zum Ziel gesetzt, bei Zukäufen ausschließlich in Unternehmen zu investieren, die bestimmte ökologische und soziale Standards erfüllen – so wie die von Anthropia geförderten Start-ups auch. „Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass nachhaltige Unternehmen auch wirtschaftlich betrieben werden können. Am Ende der Dekade werden nur sie erfolgreich sein“, erwartet Schmidt.
Haniel-Chef will Investitionen aufstocken
Bei Haniel gebe es deshalb Überlegungen, mehr Geld für Investitionen in entsprechende Unternehmen zur Verfügung zu stellen, die sich noch in einem frühen Stadium ihrer Entwicklung befinden. Bislang hatte das Unternehmen dafür 500 Millionen Euro vorgesehen. Der Haniel-Chef geht davon aus, dass die in den meisten deutschen Unternehmen geführte Nachhaltigkeitsdiskussion „nicht wieder verschwinden“ werde. „Dieser Trend ist nicht mehr umzukehren, sonst ist dieser Planet längerfristig nicht mehr zu bewohnen.“
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„Duisburg hat die Chance, sich bundesweit als Stadt der Nachhaltigkeit zu positionieren“, sagt Rasmus C. Beck, der Geschäftsführer der umfirmierten Duisburg Business Innovation GmbH (DBI), und lenkt zugleich den Blick auf die zahlreichen Wasserstoff-Projekte, die gerade in der Stadt an Rhein und Ruhr entstehen. Mit dem Einsatz von grünem Wasserstoff, der den Koks in den Hochöfen ersetzen wird, soll CO2-neutraler Stahl an Europas größtem Standort produziert werden. Die Stahlbranche gilt bisher als der größte Emittent des Klimagases. „Mit der klimagerechten Industrie-Transformation ist Duisburg diesmal vor der Welle. Von unserem Know how können die Unternehmen im ganzen Ruhrgebiet und darüber hinaus in aller Welt profitieren“, erklärt Beck.
>>> Kontakte in die Wirtschaft
Zur Philosophie von Anthropia gehört es, dass die wirkungsorientierten Start-ups, die am Förderprogramm teilnehmen, Anschluss an die Industrieunternehmen in der Region suchen und finden. Denn Gründer sollen in Duisburg nicht nur lernen, wie sie einen Businessplan aufstellen.
„Ganz wichtig ist das Netzwerk, das unsere Förderer und Partner mitbringen. Start-ups brauchen Kontakte in die Wirtschaft“, sagt Geschäftsführer Kuschel. Und diese Unternehmen, mit denen Gründer ins Geschäft kommen können, sitzen zuhauf zwischen Dortmund und Duisburg.