Essen. Die Zahl der E-Autos wächst schneller als die der Ladesäulen. Als Grund sehen Beteiligte das komplizierte Antragsverfahren des Bundes.
Nun ist der lange ersehnte Schub da: Auf Deutschlands Straßen fahren sichtbar mehr Autos mit dem E im Kennzeichen. Die Zahl der Zulassungen von Elektrofahrzeugen ist auch dank attraktiver staatlicher Förderung so stark in die Höhe geschnellt, dass die Zahl der öffentlichen Ladesäulen nicht mehr mithalten kann. Für den Start-up-Chef Constantin Schwaab, der mit seinem Unternehmen Wirelane die Infrastruktur plant und baut, liegt die Ursache im bürokratischen Geflecht der Bundesförderung.
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Die Bestandsaufnahme, die der Verband der Automobilindustrie am Montag veröffentlichte, ist ernüchternd. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen fahren zwar die meisten Elektroautos – knapp 330.000 sind es aktuell. Ein öffentlicher Ladepunkt muss hier aber 27,3 Pkw mit Strom versorgen. Schlechter ausgestattet ist nur das Saarland. Im Ruhrgebiet hat die Stadt Herne klar die Nase vorn, belegt im bundesweiten Ranking aber auch erst Platz 105. Am schlechtesten aufgestellt in der Region ist der VDA-Studie zufolge Bochum, viel besser sieht es auch in Mülheim nicht aus.
Zulassungszahlen für Elektroautos steigen
Der Verband der Automobilindustrie hat freilich nur die öffentlich zugänglichen Ladepunkte erfasst. Kenntnisse darüber, wie viele Säulen oder Wallboxen in privaten Garagen oder Tiefgaragen installiert sind, haben weder Verband noch Ministerien. „Die Entwicklung der Zulassungszahlen für Elektroautos ist extrem gut, die Installationsrate der Ladesysteme aber nicht. Hier spüren wir deutlich einen Auftragszuwachs, da der Nachfragedruck nach öffentlich verfügbarer Ladeinfrastruktur steigt“, berichtet Unternehmer Schwaab.
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Für fast 400 Betreiberinnen von Hotels und Gewerbeimmobilien bundesweit hat er in den vergangenen 14 Monaten beim Bundesministerium für Digitales und Verkehr Anträge auf Förderung von Ladesäulen gestellt. „Bislang wurde nicht ein Euro ausgezahlt“, klagt der Unternehmer und kritisiert das inzwischen vom FDP-Politiker Volker Wißing geführte Ministerium. „Das Vergabeverfahren für Mittel aus dem Bundesfördertopf ,Laden vor Ort‘ ist sehr aufwendig und bürokratisch. Ich habe nachgezählt: das Verfahren beinhaltet bis zum Abschluss der Installation 136 Arbeitsschritte“, moniert Schwaab.
Bundesprogramm: Ausschüttung verzögert sich
Das Bundesverkehrsministerium bestreitet gar nicht, dass es bei dem mit 300 Millionen Euro gefüllten Fördertopf hakt. „Die Antragszahl ist sehr hoch, die Ausschüttung verzögert sich“, sagt eine Sprecherin auch mit Verweis auf den Regierungswechsel im Dezember 2021. Das Programm war noch von CSU-Minister Andreas Scheuer aufgelegt worden.
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An den Förderbedingungen gibt es eine Menge Kritik. Den Unmut von Privatpersonen, Kommunen und Unternehmen bekommt auch „Elektro Mobilität NRW“ in Kalkar zu spüren. Bei der Beratungsstelle, die zum Landeswirtschaftsministerium gehört, laufen die Fragen rund um die Förderung von Ladeinfrastruktur auf.
Weil es in Berlin hakt, hat das Ressort des scheidenden NRW-Wirtschaftsministers Andreas Pinkwart (FDP) einen eigenen Topf eröffnet. „Für den weiteren Markthochlauf der Elektromobilität müssen sowohl im privaten und betrieblichen als auch im öffentlichen Bereich verstärkt Ladepunkte errichtet werden“, sagt ein Sprecher. „Öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen“ heißt der Topf, der mit zehn Millionen Euro gefüllt ist.
NRW-Topf: Antragsfrist bis 30. Juni
„Schnelllademöglichkeiten sollen vor allem an stark frequentierten Orten, etwa auf Parkflächen vor Supermärkten, Schwimmbädern oder Fitnessstudios entstehen“, lautet das Ziel des Landes. Privatleute und Unternehmen, die Zuschüsse beantragen wollen, müssen sich aber beeilen. Das nach Lesart des Ministeriums stark nachgefragte Programm läuft am 30. Juni aus. Ob es verlängert wird, dürfte die neue schwarz-grüne Landesregierung entscheiden, die noch Koalitionsverhandlungen führt. „Vorbehaltlich noch verfügbarer Haushaltsmittel soll ein zweiter Aufruf nach den Sommerferien erfolgen“, sagt der Ministeriumssprecher.
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Unternehmer Schwaab geht das alles nicht schnell genug. „Wir können Hotels ihre Ladesäulen im Prinzip gratis vor die Tür stellen. Es gibt genügend interessierte Infrastrukturfonds, die die Investitionskosten tragen“, sagt er. „Dazu braucht es aber eine Verschlankung der Ladesäulenverordnung und einen massiven Ausbau des Verteilnetzes. Sonst kann die Energiewende nicht funktionieren.“
Wirelane nähert sich nach eigenen Angaben der Marke von 11.000 Ladestationen in Deutschland. „Wir könnten sofort 403 Standorte mit weiteren 1200 Ladepunkten bauen, wenn die Genehmigungsverfahren und Förderzusagen nicht so lange dauern würden“, kritisiert Schwaab. Ihm wäre schon geholfen, wenn er mit dem Bau beginnen könnte, auch wenn die Förderzusage noch nicht vorliegt. Das sei aber EU-rechtlich nicht möglich, erklärt das Bundesverkehrsministerium.
>>> Zur Person: Constantin Schwaab
Constantin Schwaab hat einen Namen in der deutschen Start-up-Szene. Der heute 43-Jährige gründete nicht nur die Ticketplattform Kinoheld und das E-Commerce-Portal Rebelio. Seit 2007 betreibt er auch Solarparks und ist 2016 in das wachsende Geschäft mit der Ladeinfrastruktur für E-Autos eingestiegen. An beiden Unternehmen, Plain Energy und Wirelane, ist die Oberhausener Unternehmensgruppe Ritter beteiligt.