Essen/Bochum. Im Ruhrgebiet gibt es immer mehr E-Autos. Aber gibt es auch genug öffentliche Säulen, um sie aufzuladen?
„Bye Bye Benziner“, das war‘s Diesel -- hallo E-Auto. Im letzten Jahr stieg der Zahl der Neuzulassungen von batteriebetrieben Fahrzeugen in NRW um mehr als 90 Prozent. Damit rollen derzeit im Land mehr als 140.000 E-Autos auf den Straßen, bundesweit sind es rund 670.000. Knapp 12.000 Ladesäulen gibt es derzeit in Nordrhein-Westfalen, jeden Monat kommen 210 neue hinzu. Reichen sie, um alle E-Autos aufzuladen?
Eine einfache Frage mit einer schwierigen Antwort. Schon weil niemand genau weiß, wie viele der sogenannten „Wallboxen“, also Ladegeräte für den Privatgebrauch, es im Land gibt. Und weil manch öffentlicher Ladepunkt nicht immer so zugänglich ist, wie er es sein sollte. Zum Beispiel, weil er – vor allem in Innenstädten – durch Fremdparker blockiert wird, wie etwa Taxifahrer in Dortmund immer wieder feststellen.
„Es fehlt nicht an Ladeinfrastruktur“
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„Es fehlt nicht an Ladeinfrastruktur“, sagt dagegen Henrike Reichert, Pressereferentin E-Mobilität bei EnBW, dem größten Ladenetzbetreiber Deutschlands. Das zeige die Auslastung des Schnellladenetzes. Allein in NRW betreibt das Unternehmen derzeit 117 DC-Standorte, Standorte also, an denen Schnelllader im Einsatz sind. „Dennoch muss der Ausbau angesichts des E-Fahrzeughochlaufs weiter mit hohem Tempo vorangehen“, stellt Reichert klar. „Bis 2025 möchten wir deutschlandweit 2500 Schnellladestandorte betreiben. Das sind mehr Standorte als es bei großen Mineralölfirmen Tankstellen gibt.“
Auch in den benachbarten Niederlanden gibt es große Pläne in Sachen E-Mobilität. Das Unternehmen Fastned etwa baut seit zehn Jahren in sechs europäischen Ländern Schnellladeparks – darunter auch in Deutschland. Derzeit entsteht in Bochum – zwischen Autobahn und City – mit 36 Säulen einer der größten Ladeparks im Ruhrgebiet. „Das sind allerdings nicht so viele, wie wir gerne hätten“, sagt Unternehmenssprecherin Linda Boll und kündigt damit das Interesse am Bau weiterer Ladeparks an.
„Wir finden nur ganz selten gute Standorte“
Doch ganz so einfach ist das nicht im Revier. „Das Platzangebot dort ist begrenzt“, weiß Reichert. „Wir finden nur ganz selten gute Standorte“, bestätigt Boll. „Die Flächenverfügbarkeit in der Region ist ein Riesenproblem.“ Dabei ist die Schnellladeinfrastruktur nach Einschätzung der EnBW-Sprecherin gerade dort besonders wichtig. Dicht bebaute Innenstädte, viele Mehrfamilien- oder Hochhaussiedlungen – dort „können deutlich weniger Menschen private Möglichkeiten nutzen“.
„Auch wenn die Schnelllade-Infrastruktur bundesweit weiter ausgebaut werden muss, so Reichert weiter, „sehen wir in Ballungsräumen generell einen höheren Bedarf.“ Den sieht man beim zweitgrößten Ladenetzbetreiber Eon ebenfalls. „Wir werden unser Engagement dementsprechend weiter ausbauen“, sagt ein Eon-Sprecher. Dabei helfen sollen bei fast allen Ladesäulenbetreibern unter anderem Kooperationen mit dem Lebensmittel-, Drogerie- oder Baumärkten. Ziel sei, sagt Reichert, „dass E-Autofahrer und –fahrerinnen ihr Auto dort laden, wo es sowieso steht“.
Gewünscht: Beschleunigung der Genehmigungsverfahren
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Bei Fastned sucht man zudem „immer geeignete Gelände im Innenstadtbereich“. Ehemalige Tankstellengelände sind meist ideal“, weiß Boll. Nicht zu dunkel, nicht zu einsam und mit ausreichend Platz für eine große Überdachung, vernünftige Sanitäranlagen und Snack-Möglichkeiten. „Die einsame Ladesäule auf dem dunklen Parkplatz ist für uns nicht zukunftsträchtig.“
Platz allein aber reicht am Ende nicht. Nahezu wortlautgleich wünschen sich Sprecher von Fastned, EnBW und Eon „eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren“. „Wünschenswert“, so Reichert, seien auch „einheitliche Vorgaben für den Netzanschluss“. Fastned-Kollegin Boll kann das bestätigen. „Wir arbeiten deutschlandweit mit 873 Netzbetreibern zusammen, die alle unterschiedliche Anforderungen stellen.“
Ladevorgänge werden immer kürzer
Immerhin: Die von der Regierung als Ziel ausgegebene Zahl von einer Million Ladesäulen bis spätestens 2030 braucht es wohl nicht. „Längst überholt“, nennt sie nicht nur Reichert. Sie gehe auf eine veraltete Einschätzung zurück, als der Schwerpunkt im Markt beim langsameren AC-Laden und bei Schnellladeleistungen von maximal 50 kW lag. Heute liege der Standard bei der Schnellladeinfrastruktur mit bis zu 300 kW längst beim Sechsfachen. „Das Laden geht immer schneller“, sagt auch Boll. „Aktuell sehen wir, dass die Reichweiten von Elektroautos weiter zunehmen und die Batterien durch immer leistungsstärkere Ladesäulen schneller geladen werden können“, bestätigt ein Eon-Sprecher und plädiert dafür, die Zahl der Lademöglichkeiten „dynamisch anzupassen“. Das hat der Branchenverband BDEW nun gemacht. Er schätzt den Bedarf lediglich auf 100.000 bis 250.000 öffentliche Ladepunkte. Ansonsten, warnt Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae, „besteht die Gefahr, dass wir ein Überangebot erzeugen und viele Ladesäulen schlicht nicht genutzt werden.“