Essen. Landesregierung unterstützt Händler und Gastronomen finanziell bei der Digitalisierung. Wie kleine Betriebe aus der Corona-Krise kommen wollen.
In fast zwei Jahren Corona-Pandemie haben Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie und Tourismus ganz besonders unter den wirtschaftlichen Folgen zu leiden. Viele Unternehmen haben in Zusatzangeboten im Internet einen Ausweg aus der Krise gesucht. Mit dem NRW-Digitalzuschuss will die Landesregierung weitere Impulse geben.
Zehn Millionen Euro hat NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart bereitgestellt, um kleinere Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitenden bei der Renovierung ihrer Website oder beim Anschaffen kontaktloser Bezahlungssysteme zu unterstützen. Das Geld soll in Tranchen von jeweils bis zu 2000 Euro und in mehreren Runden ausgeschüttet werden. In der ersten, die am 1. Dezember 2021 begann, schickten mehr als 400 Unternehmen ihre Anträge auf den Weg. Am Dienstag, 1. Februar, beginnt die zweite Runde.
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„Die Digitalisierung eröffnet Handel, Gastronomie, Hotellerie und Tourismus wichtige Chancen“, zeigt sich Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart zuversichtlich. „Ich freue mich, dass der Digitalzuschuss in diesen Branchen auf so großes Interesse stößt und die Unternehmen anspornt, noch viele spannende Digitalprojekte umzusetzen.“
Digitalcoaches beraten Einzelhändler
Mit ins Boot geholt hat der FDP-Politiker dabei auch die beiden zuständigen Standesorganisationen der Branchen. Der Handelsverband NRW steht seinen Mitgliedern mit eigens geschulten Digitalcoaches zur Seite. Markus Schaaf war schon dabei, als das Land, die nordrhein-westfälische Industrie- und Handelskammer und der Handelsverband NRW Mitte des vorvergangenen Jahres nach dem ersten Lockdown die Initiative „Digitalen und stationären Einzelhandel zusammendenken – Sonderprogramm 2020“ starteten. Damals gab es bis zu 12.000 Euro pro Unternehmen. Seither berät Schaaf Betreiberinnen und Betreiber kleinerer Läden.
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„Die Förderung kommt gut bei den Händlern an. Sie fühlen sich abgeholt,“ zieht der Digitalisierungscoach eine Zwischenbilanz und lobt die aktuelle Förderrunde. „Anträge für das Vorgänger-Programm hatten eine lange Bearbeitungszeit. In den aktuellen Runden erhalten die Unternehmen innerhalb von sechs bis acht Wochen eine Rückmeldung“, betont Schaaf und bietet die Hilfe der Digitalcoaches auch bei der Antragstellung an.
Zweite Bewerbungsrunde startet am 1. Februar
Nach Angaben des Landeswirtschaftsministeriums haben bis Januar bereits mehr als 550 gastronomische und touristische Betriebe einen Antrag auf den Digitalzuschuss gestellt. Aus der Handelsbranche kamen über 900 Anträge. „Die Digitalisierung des Einzelhandels ist definitiv vorangekommen. Es geht in die richtige Richtung“, meint Schaaf auch im Hinblick auf die große Nachfrage nach Zuschüssen. Dennoch warnt er vor Euphorie. Es sei noch zu früh für eine Einschätzung, ob sich digitale Angebote bei kleinen Händlern langfristig durchsetzen und ob sie auch bei den Kundinnen und Kunden ankommen.
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Die Mindestanforderungen, die ein Laden erfüllen sollte, nennt Digitalcoach Tharson Thurai: „Es ist wichtig, die digitale Sichtbarkeit zu erhöhen. In der Regel sollten Suchmaschinen Händler in einem Umkreis von 30 Kilometern anzeigen“, sagt er. „Der Digitalzuschuss bietet den Firmen die Möglichkeit, einfach mal eine Technik zu testen. So kann man sehen, ob für die Kundenberatung angeschaffte Tablets überhaupt etwas bringen und ob sie angenommen werden. Man soll sich mit dem Zuschuss ausprobieren.“
Im persönlichen Kontakt geben die Digitalcoaches Tipps. Sie organisieren aber auch Netzwerk-Gespräche, in denen sich Unternehmerinnen und Unternehmer über ihre Erfahrungen beim Einsatz neuer Technik austauschen.
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In den Genuss des NRW-Digitalzuschusses kommen nun auch Gastromen, Hotelliers und Firmen der touristischen Zunft. Auch wenn der Bochumer Restaurant- und Hotelbetreiber Christian Bickelbacher mit seinen mehr als 50 Beschäftigten die Förderung nicht in Anspruch nehmen kann, begrüßt er das Angebot. „Der Digitalzuschuss ist absolut sinnvoll. Die 2000 Euro sind aber oft nur eine Anschubfinanzierung“, sagt Bickelbacher im Gespräch mit unserer Redaktion.
Der Wirt ist davon überzeugt, dass sich auch kleine Betriebe der digitalen Welt nicht verschließen sollten, auch wenn sie oft gar keine Zeit hätten, sich damit zu beschäftigen. „Am Ende haben die Gastronomen wieder mehr Raum, sich um ihre Gäste zu kümmern“, meint Bickelbacher und warnt zugleich vor übertriebenen Erwartungen. „Im Vorfeld und im Hintergrund wollen wir maximal digital sein. Am Tisch sollen die Gäste aber das maximale Erlebnis haben. Roboter, die bedienen, sowie Bestellen und Bezahlen per Smartphone wird es bei uns nicht geben. Am Tisch sind wir maximal analog.“ Das gelte auch für sein Hotel. Von einer durchdigitalisierten Herberge ohne Rezeption hält Bickelbacher gar nichts: „Bei uns in Bochum soll der Schlüssel an der Tür klappern.“