Dortmund. Der Dortmunder IHK-Präsident und Ladenbauer Dustmann macht der Politik wegen der 2G-Regel im Handel schwere Vorwürfe und fürchtet Ladensterben.

Heinz-Herbert Dustmann betreibt in Dortmund-Hombruch nicht nur eines der wenigen mittelständischen Warenhäuser in Deutschland. Seine Dula-Werke gleich nebenan planen und bauen Ladeneinrichtungen für große Marken wie Selfridges, Michael Kors, Sisley, S. Oliver oder Leica. Unter der Corona-Pandemie hat Dustmanns Einzelhandelsbranche schwer gelitten. Ungewöhnlich scharf kritisiert der Präsident der Dortmunder Industrie- und Handelskammer nun die Politik und die 2G-Regel, die nur noch geimpften und genesenen Kundinnen und Kunden Zutritt zu Non-Food-Geschäften ermöglicht.

Herr Dustmann, in Ihrem Dortmunder Warenhaus dürfen nur noch geimpfte und genesene Kundinnen und Kunden einkaufen. Wie kommen Sie mit der 2G-Regel zurecht?

Heinz-Herbert Dustmann: Das bedeutet natürlich einen massiven zusätzlichen Organisationsaufwand. Um die Kontrollen am Eingang zu gewährleisten, haben wir zusätzliches Personal aus unserem Ladenbau-Unternehmen eingesetzt. Ein kleines Geschäft, in dem etwa nur der Inhaber vor Ort ist, kann sich das nicht leisten. Er muss ständig zwischen Tür und Tresen pendeln.

Spüren Sie in der Kasse, dass nun weniger Menschen bei Ihnen einkaufen dürfen?

Dustmann: Das ist eine ganz schwierige Situation. Rund 20 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher werden ausgeschlossen. Hinzu kommt, dass die Lust zum Einkaufen in der Corona-Pandemie ohnehin nachgelassen hat. Der Einzelhandel registriert gerade in der für ihn so wichtigen Weihnachtszeit einen Umsatzeinbruch von 40 Prozent. Das ist ein Hammer. Wir verlieren einmal mehr eine ganze Saison.

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Glauben Sie denn, dass sich die Pandemie mit 2G im Einzelhandel eindämmen lässt?

Dustmann: Der Einzelhandel ist erwiesenermaßen kein Infektionstreiber. Sonst wären die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in den Supermärkten längst krank geworden. Deshalb sind wir, gelinde gesagt, in hohem Maße verärgert, dass der Einzelhandel für die Versäumnisse der Politik eintreten muss. Unsere Hygienekonzepte mit Masken, Desinfektion und Zugangsbegrenzungen reichen aus. Wir brauchen kein 2G.

Heinz-Herbert Dustmann sorgt sich um den Einzelhandel und die Innenstädte.
Heinz-Herbert Dustmann sorgt sich um den Einzelhandel und die Innenstädte. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Was werfen Sie der Politik vor?

Dustmann: Die vierte Corona-Welle war doch schon im Sommer absehbar. Doch die Politik hat Impfzentren geschlossen und sich auf den Bundestagswahlkampf konzentriert. Jetzt, wo die Infektionszahlen explodieren, folgen drastische Einschränkungen, die den Geschäftsbetrieb massiv negativ beeinflussen. Wir Einzelhändler fühlen uns einmal mehr von Bund und Land alleingelassen, weil wir ohnehin schon gebeutelt sind. Von staatlicher Hilfe ist bislang nicht die Rede. Wir merken doch jeden Tag, dass immer mehr Menschen im Internet einkaufen. Sie werden nach der Pandemie nicht mehr alle zum stationären Einzelhandel zurückkehren.

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Ihr Dortmunder Unternehmen, die Dula-Werke, baut international Ladeneinrichtungen. Wie macht sich in dieser Branche die Corona-Krise bemerkbar?

Dustmann: Wie in der Industrie hatten auch wir einen gewaltigen Einbruch zu verzeichnen. Unternehmen haben ihre Investitionen zurückgestellt. Weil viele im Homeoffice arbeiteten, konnten sie oft gar nicht zu uns kommen, um sich Prototypen anzuschauen und abzunehmen.

Haben Sie denn den Eindruck, dass es nach Ende des harten Lockdowns im Mai aufwärts gegangen ist?

Dustmann: Ja. Im zweiten Halbjahr ist es etwas besser geworden. Aus Umfragen der IHK wissen wir auch, dass die Erwartungshaltung der Unternehmen wieder wesentlich besser ist als noch im Frühjahr. Mehr Firmen geht es wieder besser. Wir sehen einen verhaltenen Optimismus. Manche aufgeschobenen Investitionen werden jetzt nachgeholt.

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Einzelhandel prägt die Innenstädte und Vorortzentren. Machen Sie sich Sorgen?

Dustmann: Wenn die Händler von der Politik weiter eingeschränkt werden, sind noch mehr Leerstände von Ladenlokalen zu befürchten. Das sehen wir doch jetzt schon. Es ist doch ein Teufelskreis: Aus Angst vor Infektionen kommen ohnehin weniger Menschen in die Innenstädte. Das führt dazu, dass immer mehr Läden aufgeben müssen. Und dann kommen noch weniger Leute in die Zentren. Alle Beteiligten – ich meine damit Einzelhandel, Verwaltung, Immobilienbesitzer, Gastronomie, Kultur und Freizeit – müssen an einem Strang ziehen und einfach mehr Aufenthaltsqualität in die Citys und Stadtteilzentren bringen.

Erwarten Sie Unterstützung von der neuen Bundesregierung?

Dustmann: Erfreulich ist, dass nach meiner Kenntnis erstmalig in einem Koalitionsvertrag auf Bundesebene der Einzelhandel adressiert wird. Die angestrebte Wettbewerbsgleichheit zwischen stationärem und Onlinehandel ist überfällig und ein wichtiger Schritt. Außerdem erkennen die Ampel-Koalitionäre die Bedeutung lebendiger Zentren an, indem sie die Innenstadtstrategie des Bundes fortsetzen und insbesondere das Förderprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ weiter führen werden. Das ist ein positives Signal für den Innenstadthandel und die zentralen Handelsstandorte, gerade in schwierigen Pandemie-Zeiten.