Düsseldorf. Das Handwerk kommt aus der Krise, beklagt aber fehlende und sehr teure Materialien wie Holz, Metall und Chips. Kunden müssen noch länger warten.

Rekorde über Rekorde meldet das Handwerk, aber nicht alle geben Anlass zur Freude. Die Aufträge stapeln sich, besonders das Baugewerbe hat alle Hände voll zu tun und hätte für noch viel mehr Hände zu tun. Doch der Fachkräftemangel ist so gravierend wie nie. Gleichzeitig gibt es eine nie dagewesene Materialkrise, die zwangsläufig zum nächsten unschönen Rekord der Beschaffungspreise für Holz, Metall und Halbleiter führt.

Unterm Strich überwiegt aber der Optimismus, wie die aktuelle Herbstumfrage der Handwerkskammer Düsseldorf, die auch das westliche Ruhrgebiet abdeckt, zeigt. Das Geschäftsklima zeigt gegenüber dem Frühjahr, erst recht aber im Vorjahresvergleich, deutlich nach oben: Der Index ist um gute sieben Punkte gestiegen, im Kammerbezirk wie auch in der Wirtschaftsregion westliches Ruhrgebiet. Der absolute Wert von 120 liegt hier nur knapp unter dem Kammerschnitt von 122. Was diese abstrakten Zahlen ausdrücken, ist die mehrheitliche Erwartung, dass sich die Lage in den kommenden Monate weiter verbessert.

Handwerk will Schrittmacher für Konjunktur werden

„Das Handwerk überwindet die Corona-Krise“, betont Kammerpräsident Andreas Ehlert, es könne damit „rasch wieder zum Schrittmacher der binnenkonjunkturellen Erholung werden“. Die Insolvenzquote sei sehr niedrig, die größten Schwierigkeiten und Nachholbedarfe gebe es nach wie vor in den besonders von Kontaktbeschränkungen betroffenen Branchen, etwa dem Lebensmittelhandwerk, dem Kfz-Handwerk und den personenbezogenen Dienstleistungsberufen wie dem Frisörhandwerk und dem Kosmetikgewerbe. Doch in diesen Bereichen gehen dem Herbstgutachten die Umsätze und Aufträge um so dynamischer nach oben.

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Dagegen brummt es seit Monaten in allen Handwerksberufen, die mit Bau, Ausbau und Gebäudesanierung zu tun haben. Doch es könnte noch viel stärker brummen, wenn die Betriebe genügend Fachkräfte und derzeit vor allem genügend Materialien hätten. Mehr als jeder dritte Betrieb (37 Prozent) meldet derzeit unbesetzte Stellen – mehr als je zuvor. In einer Creditreform-Umfrage gab unlängst fast jeder zweite (46,4 Prozent) Mittelständler an, mangels Personal Aufträge nicht ausführen zu können.

Aufträge bleiben mangels Holz und Metall liegen

44 Prozent der Betriebe gaben in der Umfrage an, Lieferengpässe und fehlende Materialien führten dazu, dass Aufträge nicht erledigt werden könnten. Im Handwerk leidet unter mangelndem Nachschub von Metallteilen und Holz vor allem das Baugewerbe, unter der weltweiten Chipkrise das Elektrohandwerk und indirekt das Kfz-Handwerk. Die Folge sind aus Kundensicht noch längere Wartezeiten. Im Durchschnitt wartet ein Auftraggeber in der Region aktuell 8,2 Wochen auf den Handwerker, 0,6 Wochen oder drei Werktage länger als vor einem Jahr.

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Dieser Durchschnittswert wird in den Problembranchen weit übertroffen: Auf einen Handwerker im Ausbaugewerbe, etwa Maler oder Fliesenleger wartet der Kunde 9,6 Wochen, auf einen Sanitär- und Heizungs- und Klimatechniker zehn und auf den Elektriker elf Wochen. Im Bauhauptgewerbe dauert es im Durchschnitt sogar 12,6 Wochen, also runde drei Monate, bis der Maurer, Gerüstbauer oder Dachdecker kommt.

Preise für Dachlatten haben sich verdreifacht

Während sich der Handwerkskammer zufolge die Verfügbarkeit von Holz und Metallteilen inzwischen deutlich gebessert hat, ist das bei den Halbleitern laut Handwerkskammer nicht in Sicht. Bei allen Materialien bereiten die explodierenden Preise große Sorgen. „Entweder ist kein Material da oder es ist sehr teuer“, sagt Hauptgeschäftsführer Axel Fuhrmann. Besonders krass erleben das in diesem Jahr die Dachdecker: „Die Preise für Dachlatten haben sich jahrzehntelang kaum geändert, waren seit den 70er Jahren stabil. In diesem Jahr haben sie sich verdreifacht“, so Fuhrmann.

Im Durchschnitt ist Holz 54,6 Prozent teurer als vor einem Jahr, Metalle sogar 63 Prozent. Und die Handwerker erwarten weiter steigende Preise in den kommenden Monaten. Das auf alle Rohmaterialien und Vorprodukte bezogene Verkaufspreisklima ist auf den historischen Höchststand von 144 Punkten geklettert, im Ausbaugewerbe gar auf 161. Das hat vielen Betrieben im Laufe des Jahres finanziell zugesetzt, weil sie die steigenden Einkaufskosten nicht oder nur teilweise an ihre Kunden weitergeben konnten.

Kammer: Festpreise sind derzeit nicht möglich

Deshalb hat die Kammer allen Betrieben geraten, neue Verträge mit so genannten Preisgleitklauseln zu versehen. „Wir haben sehr dafür geworben, mit den Kunden zu sprechen und ihnen zu erklären, warum Festpreise in dieser Lage nicht möglich sind“, so Kammerpräsident Ehlert. Dem seien die meisten Betriebe auch gefolgt. Nur mit Verlusten konnten dagegen vor allem im Frühjahr und Sommer viele Altaufträge erledigt werden, vor allem jene für die öffentliche Hand. Mit Kommunen nachzuverhandeln, sei kaum möglich. „Wer früher eine öffentliche Ausschreibung gewonnen hat, konnte sich freuen, das war in diesem Jahr anders“, so Fuhrmann.

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Mit Blick auf kommenden Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP in Berlin warnte Handwerkspräsident Ehlert eindringlich vor „jedweder Erhöhung der Einkommensteuer oder der Einführung einer Vermögensteuer“. Denn das treffe eben nicht nur den Fußballprofi, sondern „auch die Bäckermeisterin und den Malermeister von nebenan“, so Ehlert. Die Einkommensteuer sei ihre Unternehmenssteuer.

Handwerkspräsident: Das Faxgerät muss weg

Zudem erwartet er von der neuen Bundesregierung „mehr Tempo beim Klimaschutz, bei der Mobilitätswende und bei der Digitalisierung“. Das Ziel „schnelles Internet für jeden Betrieb und jeden Nutzer“ müsse hier der Maßstab sein. „Das Faxgerät in den Gesundheitsämtern ist für mich zum Wappenzeichen der Pandemie geworden“, sagt Ehlert, „es gehört weg“. Die deutsche Verwaltung rangiere bei der Digitalisierung unter den 27 EU-Ländern europaweit nur auf dem 20. Platz. Bei der Klimapolitik bevorzugt er „Technologieoffenheit für Innovation statt kleinteiligem Dirigismus“.