Essen. Trotz Corona blieb das Interesse ausländischer Investoren am Ruhrgebiet 2020 ungebrochen. Die meisten Stellen schuf der Online-Supermarkt Picnic.
Die Prognosen für die Wirtschaft waren düster, als im Frühjahr 2020 die Corona-Pandemie Deutschland erfasste. Auch wenn die Endabrechnung noch kommen wird: Das Ruhrgebiet ist einigermaßen robust durch die Krise gekommen. Eine Entwicklung gibt besonderen Anlass zu Zuversicht: Trotz der Lockdowns blieb das Interesse ausländischer Investoren an der Metropolregion ungebrochen. Das Revier schnitt sogar besser ab als der Landes- und Bundesdurchschnitt.
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Im Lockdown veränderte sich das Stadtbild: Während viele Privatautos in der Garage oder vor dem Haus blieben, tauchten auf den Straßen immer mehr bunte Lieferfahrzeuge von Anbietern wie Picnic, Flaschenpost oder Fahrräder von Lieferando auf. Das kontaktlose Bestellen von Lebensmitteln und Speisen erlebte einen Boom. Die Expansion des Start-ups Picnic, dessen Muttergesellschaft in den Niederlanden sitzt, schlug sich in der Hitliste der ausländischen Direktinvestitionen im Ruhrgebiet besonders auffällig nieder.
Picnic, Maersk und GLS investieren im Revier
Mit 450 im vergangenen Jahr neu geschaffenen Arbeitsplätzen führt Picnic nach Berechnungen der Außenwirtschaftsgesellschaft NRW Global Business die Hitliste an. Auf Platz zwei folgt der dänische Reederei- und Logistikkonzern AP Moeller Maersk, der in Duisburg-Walsum einen Distributions- und Warenlager-Komplex mit 350 Arbeitsplätzen bauen will. Der britische Paketriese GLS hat in Essen einen European EcoHub Essen mit bis zu 135 Stellen eröffnet. Und der US-amerikanische Brennstoffzellenhersteller Cummins hat in Herten einen neuen Standort mit 50 Arbeitsplätzen eröffnet.
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In den Niederlanden gegründet, mit ersten Belieferungen am Niederrhein, hat sich der Schwerpunkt von Picnic in kurzer Zeit Richtung Revier verschoben. „Das Ruhrgebiet hat sich für uns zur größten Region in Deutschland entwickelt. Mittlerweile erreichen wir hier über eine Millionen Haushalte und planen, die Reichweite in naher Zukunft noch mehr als zu verdoppeln“, sagt Mitgründer und Deutschlandchef Frederic Knaudt im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Jungunternehmer ist zuversichtlich, dass der Trend zur Lebensmittel-Belieferung auch nach der Pandemie anhalten werde. Das schlägt sich auch bei der Zahl der Arbeitsplätze nieder. „Picnic zählt heute in Deutschland schon über 2500 Teammitglieder – rund die Hälfte sind davon in den Standorten im Ruhrgebiet tätig. Auch hier planen wir noch kräftig auszubauen“, so Knaudt.
„Es gibt noch viele Potenziale für Ansiedlungen zu heben“
Aus Sicht der Wirtschaftsförderer kommt das Interesse ausländischer Investoren am Ruhrgebiet nicht von ungefähr. „Aus globaler Perspektive hat die Metropole Ruhr starke Vorteile: Die zentrale Lage im Herzen Europas, die hervorragenden Anbindungen sowie die fünf Millionen Menschen, die einen großen Markt darstellen. Diese Stärken haben auch in der Corona-Pandemie Bestand“, resümiert Markus Schlüter, Geschäftsführer der Business Metropole Ruhr, der zugleich warnt: „Das ist gut, aber das Ruhrgebiet darf sich nicht darauf ausruhen. Viele unserer Stärken wie die Hochschuldichte sind im Ausland noch nicht ausreichend bekannt. Hier gibt es noch viele Potenziale für Ansiedlungen zu heben.“
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Die Zahlen von NRW Global Business sprechen für diesen Optimismus: Mit 82 ausländischen Projekten landete die Metropole Ruhr 2020 NRW-weit einmal mehr auf Platz zwei – hinter der Landeshauptstadt Düsseldorf und ihrem Umfeld. Dem Ruhrgebiet ist es trotz Corona sogar gelungen, acht internationale Investitionen mehr als im Vorjahr zu realisieren. Das entspricht einem Plus gegenüber dem Vorjahr von 10,8 Prozent. Südwestfalen, der Niederrhein und selbst die boomende Region Köln/Bonn schneiden in dem Vergleich weit abgeschlagen ab. Zum Vergleich: In NRW gingen die Investments 2020 um 4,2 Prozent zurück, in Deutschland um neun Prozent und in Westeuropa sogar um 27,9 Prozent.
Ruhrgebiet besser als die Entwicklung in Land und Bund
Das gilt auch für die Zahl der Arbeitsplätze, die an den ausländischen Investitionen hängen. Mit 2038 potenziellen Stellen landete das Ruhrgebiet nur knapp hinter Düsseldorf mit 2387 Jobs. Fast jeder vierte neue Job in Nordrhein-Westfalen entstehe durch ausländische Investitionen im Revier, hat NRW Global Business errechnet.
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Das Ruhrgebiet ist vor allem bei Investoren aus West- und Nordeuropa, der Türkei, China, USA und Israel beliebt. Der Brexit und die Corona-Pandemie führten indes dazu, dass Investitionen aus Großbritannien an der Ruhr um satte 80 Prozent einbrachen. Dagegen kamen allein aus den benachbarten Niederlanden im vergangenen Jahr 15 Neuansiedlungen ins Ruhrgebiet. 64 waren es im Zeitraum zwischen 2016 und 2020.
Seit 2016 sind in den Kommunen des Ruhrgebiet durch Investitionen aus dem Ausland insgesamt 13.352 Jobs entstanden. Das Ruhrgebiet ist damit im Regionenvergleich innerhalb NRWs Spitzenreiter. Der Anteil beträgt 30,6 Prozent an den 41.851 in ganz NRW geschaffenen Jobs. Die Region Düsseldorf folgt mit 24,1 Prozent und der Niederrhein mit 12,6 Prozent. Zum Vergleich: das Münsterland hat fünf Prozent und Südwestfalen 0,6 Prozent.