Essen. Gegen den Saisontrend ist die Arbeitslosigkeit auch im August gesunken. Betriebe suchen neues Personal. Zu wenig Nachwuchs für Ausbildungsplätze.

Typisch für den August sind in normalen Zeiten gutes Wetter, Ferien – und eine steigende Arbeitslosigkeit. Denn viele Auszubildende beenden ihre Lehre, aber nicht alle werden übernommen. Auch machen viele Unternehmen Betriebsferien und damit auch Pause bei der Einstellung neuer Mitarbeiter. In diesem August ist alles anders: Gegen den saisonüblichen Trend ist die Arbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen und dem Ruhrgebiet gesunken, wurden mehr Menschen eingestellt – und Azubis verzweifelt gesucht statt nach ihrer Gesellenprüfung gehen gelassen.

Zumindest wirtschaftlich lässt Deutschland die Corona-Krise zunehmend hinter sich, nach einem Jahr mit millionenfacher Kurzarbeit und Personalabbau in besonders von der Pandemie betroffenen Branchen suchen in diesem Sommer die meisten Unternehmen händeringend neues Personal. Der Arbeitsmarkt erlebt einen kräftigen Aufschwung, obwohl die Pandemie längst nicht überstanden ist, stattdessen die vierte Infektionswelle über das Land rollt.

Die Auftragsbücher sind wieder voll

Denn die Auftragsbücher in Handwerk und Industrie sind voll, es gibt viel nachzuholen, aufzubauen und etwa in der Gastronomie an andere Branchen verlorenes Personal zu ersetzen. So haben im August rund 40.000 Menschen in NRW eine neue Arbeitsstelle angetreten. Die Betriebe suchen aber noch viel mehr, sie sorgen sich vor allem um den Nachwuchs – in diesem Jahr droht erneut eine Rekordzahl an ausgeschriebenen Ausbildungsplätzen verwaist zu bleiben.

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Die Zahl der Arbeitslosen sank landesweit um 8400 auf 718.400, vor einem Jahr waren noch rund 800.000 Menschen in NRW ohne Job. Die Arbeitslosenquote sank um 0,1 Punkte auf 7,3 Prozent. Dieser Trend zeigte sich auch im Ruhrgebiet, überdurchschnittlich sank die Arbeitslosenquote in Duisburg um 0,3 Punkte auf 12,3 Prozent, ebenso in Gladbeck von 11,5 auf 11,2 Prozent. Gestiegen ist die Arbeitslosenquote im Ruhrgebiet nur in Hagen – um 0,1 Punkte auf 11,8 Prozent.

25.000 mehr offene Stellen als vor einem Jahr

„Die Signale am Arbeitsmarkt stehen weiterhin auf Erholung. Diese positive Nachricht freut uns“, sagte Torsten Withake, NRW-Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA). Dass die Arbeitslosenzahl im August gegen die langjährigen Erfahrungen gesunken sei, unterstreiche die schrittweise Besserung, die man schon in den vergangenen Monaten beobachtet habe. Das zeigt sich auch in den vielen ausgeschriebenen Stellen: Im August boten die Unternehmen in NRW durchschnittlich 157.000 offene Stellen an – rund 25.000 mehr als vor einem Jahr.

Die verbesserte Lage am Arbeitsmarkt trifft allerdings auf zunehmende Probleme auf dem Ausbildungsmarkt: 27.700 ausgeschriebene Lehrstellen sind aktuell noch unbesetzt. Um sie bewerben sich nur noch 19.000 Jugendliche. Rechnerisch kommen so knapp anderthalb freie Plätze auf einen ausbildungswilligen Jugendlichen.

Dem Ausbildungsmarkt droht ein neuer Negativrekord

Da Tausende Plätze zudem nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre schon deshalb nicht besetzt werden können, weil sie nicht zu den Berufswünschen der Jugendlichen passen, droht der traurige Rekord von 11.000 unbesetzten Ausbildungsplätzen aus dem vergangenen Ausbildungsjahr erneut gebrochen zu werden. Bereits vor der Corona-Pandemie waren 2019 rund 10.000 Lehrstellen vergebens ausgeschrieben worden.

In diesem Jahr ist es vor allem die stark gesunkene Zahl an Bewerbungen, die zusätzlich Druck in den Ausbildungsmarkt bringt. 104.000 Jugendliche wollten seit Beginn des Ausbildungsjahres eine Lehre anfangen, das waren noch einmal 6,5 Prozent weniger als im bereits schwierigen Vorjahr. Die Zahl derer, die aktuell noch suchen, liegt ein glattes Fünftel unter dem Wert aus dem August 2020. Zwar wurden seit vergangenen Herbst mit insgesamt 104.600 auch weniger Stellen angeboten, was den diversen Lockdowns geschuldet war. In diesem Sommer haben die Betriebe ab Juni laut der Bundesagentur aber sogar mehr Ausbildungsplätze ausgeschrieben als vor der Pandemie.

In Mülheim zwei freie Lehrstellen für einen Bewerber

Neu ist der Bewerbermangel für das Ruhrgebiet. Landesweit gibt es seit Jahren mehr Stellen als Jugendliche, die eine Lehre machen wollen – zwischen Duisburg und Dortmund war es immer noch umgekehrt: Weil hier deutlich mehr Jugendliche mit Real- und Hauptschulabschlüssen von der Schule kommen und gleichzeitig die Strukturschwäche der Region zu wenige Ausbildungsplätze mit sich brachte. Doch selbst im Ruhrgebiet gibt es inzwischen zu wenig Nachwuchs.

In Duisburg etwa liegt das Missverhältnis bei 880 offenen Stellen für noch 550 Bewerberinnen und Bewerber sogar über dem Landesschnitt, in Mülheim kommen aktuell gar mehr als zwei Stellen auf einen Jugendlichen. Das ist zugleich eine Chance für junge Frauen und Männer aus der Nachbarstadt Oberhausen: Denn nur dort gibt es noch mehr Suchende als Stellen.

Ausbildungsjahr wird erneut verlängert

Wie 2020 wird deshalb auch diesmal das Ausbildungsjahr verlängert. Einstellungsstopp ist nicht im September, sondern Ende des Jahres. Da erneut viele Berufsorientierungen an den Schulen ausgefallen sind und es schwierig war, unter den Corona-Beschränkungen in den Betrieben Praktika anzubieten, hoffen Bundesagentur und die Arbeitgeberverbände darauf, im Herbst noch möglichst viele Jugendliche für eine Ausbildung gewinnen zu können.