Essen. Nach einem Moratorium in der Corona-Pandemie erhöhen Immobilienkonzerne nun wieder die Mieten. Der Mieterbund sieht das mit Argwohn.

Als Bewohner einer Gelsenkirchener Siedlung im Frühjahr einen Brief mit der Ankündigung einer Mieterhöhung in den Briefkästen hatten, war das Entsetzen groß. Hatten die großen Immobiliengesellschaften nicht angekündigt, während der Corona-Krise ihre Kunden zu schonen? Doch einige der Zugeständnisse sind inzwischen ausgelaufen. Offensiv informiert wurde darüber allerdings nicht.

Als erstes Unternehmen hatte der größte nordrhein-westfälische Vermieter LEG am 20. März 2020 zu Beginn des ersten Lockdowns ein Zehn-Punkte-Papier „für Schutz und Absicherung von Kunden und Mitarbeitern“ vorgelegt. „Wir verzichten bis auf Weiteres auf Mietanpassungen an die ortsüblichen Vergleichsmieten nach Paragraph 558 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch, d. Red.). Ab sofort werden daher vorerst keine Mietanpassungsschreiben mehr verschickt. Damit möchten wir ein Zeichen der Solidarität und gesellschaftlichen Verantwortung in Zeiten der Corona-Pandemie setzen und unsere Kunden entlasten“, erklärte der LEG-Vorstand seinerzeit.

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Die Formulierung „bis auf Weiteres“ ließ offen, wann die Zurückhaltung bei Mieterhöhungen enden würde. „Ein dauerhafter Stopp jeglicher Mieterhöhung war nicht vorgesehen. Die Lage hat sich zwischenzeitlich vielerorts wieder entspannt“, betont LEG-Sprecher Nils Roschin. Im Konzern gingen „kaum noch neue Anfragen nach Corona-bedingten Stundungen oder Ratenzahlungen“ ein. „Insgesamt haben bisher weniger als ein Prozent unserer Mieterinnen und Mieter, Mieten gestundet oder Ratenzahlungen vereinbart.“

Bundesregelung für Kündigungsschutz ausgelaufen

Unter dem Strich habe die LEG „für mehr als ein Vierteljahr“ die Mieterhöhungen nach Mietspiegel ausgesetzt. „Für den Sommer letzten Jahres geplante Mieterhöhungen wurden auf den Herbst letzten Jahres verschoben“, so der Sprecher. Über das Auslaufen der Regelung habe man nicht eigens informiert.

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Der Gelsenkirchener Wettbewerber Vivawest verzichtete nach eigenen Angaben ein halbes Jahr lang auf Mieterhöhungen und Corona-bedingte Kündigungen. „Wir bieten unseren Kunden auch seit dem Auslaufen der gesetzlichen Regelungen an, sich vertrauensvoll an uns zu wenden, wenn sie aufgrund der Corona-Krise Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Mietzahlung bekommen“, unterstreicht Vivawest-Sprecher Gregor Boldt. Am 30. Juni 2020 war die Ausnahmeregelung des Bundes ausgelaufen, die vorsah, dass Mieterinnen und Mietern während der Pandemie nicht gekündigt werden dürfe.

Ratenzahlungen und Stundungen für die Miete

Nicht nur die LEG (145.000 Wohnungen) beobachtete, dass nur wenige Mieterinnen und Mieter von den Angeboten Gebrauch machten. Vivawest (120.000 Wohnungen) registrierte gerade einmal 413 Ratenzahlungs- und acht Stundungsvereinbarungen. Beim Bochumer Konzern Vonovia mit 400.000 Wohnungen in Deutschland meldeten sich seit Ausbruch der Pandemie rund zwei Prozent der Kundinnen und Kunden, die Zahlungsschwierigkeiten geltend machten.

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„Wir haben zwischen Juni und September 2020 über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus grundsätzlich auf Mieterhöhungen nach Paragraph 558 verzichtet sowie mögliche Klagen auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung aus Vormonaten ausgesetzt“, berichtet Vonovia-Sprecher Tristan Hinseler. Bei angekündigten Mieterhöhungen danach habe der Konzern stets auf die besondere Corona-Lage verwiesen.

Härtefall-Management bei Modernisierungen

Unabhängig von der Pandemie hatten Vonovia, LEG, Vivawest und weitere Unternehmen gemeinsam mit dem Deutschen Mieterbund ein Härtefall-Management für die Umlage von Modernisierungskosten aufgesetzt. Das Verhalten der Immobilienkonzerne während der Pandemie sehen Mieterschützer dennoch erwartungsgemäß kritisch.

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„Corona hat der Entwicklung der Mieten und erst recht der Grundstückspreise keinen Einhalt geboten. Mag die Kurve nach oben auch weniger steil verlaufen, so steigen die viel zu hohen Mieten doch weiter“, sagt Hans-Jochem Witzke, Vorsitzender des Mieterbundes NRW. Sein Bundesverband hatte unlängst eine Studie bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gegeben. Demnach zahlen inzwischen fast die Hälfte aller Mieterinnen und Mieter in Deutschland mehr als 30 Prozent ihres Haushaltseinkommen für ihre Warmmiete. Die Forscher sehen darin eine „finanzielle Überlastung“ der Menschen. Zumal in den Ballungszentren sogar 40 oder 50 Prozent der Einkünfte für das Wohnen nötig seien.

Die Konsequenzen liegen für Mieterschützer Witzke auf der Hand: „Es braucht mehr bezahlbaren, das heißt öffentlich geförderten Neubau, einen Mietenstopp und die Konzentration der Fördermittel auf Wohnungsgenossenschaften, kommunale und kirchlich verbundene Wohnungsunternehmen.“