Düsseldorf. LEG-Chef Lars von Lackum erwartet, dass die Wohnungswirtschaft auch nach der Corona-Krise ihr soziales und ökologisches Profil schärfen müsse.
Als in der Corona-Krise alle Menschen zu Hause bleiben sollten, war die Wohnung plötzlich ihr einziger Rückzugsort für Arbeit, Schule und Privatleben. Über die Lehren aus dieser schweren Zeit für die Branche sprach Lars von Lackum, Vorstandsvorsitzender des größten nordrhein-westfälischen Vermieters LEG, mit Frank Meßing. Das Interview fand statt, bevor die LEG Fusionsgespräche mit der Hamburger TAG bestätigte.
Herr von Lackum, in der Corona-Krise wird plötzlich sehr deutlich, wie wichtig Wohnungen als einziger Rückzugsort für Menschen sind. Haben das börsennotierte Konzerne wie die LEG zu lange unterschätzt?
Lars von Lackum: Diese Frage stellen mir auch US-Investoren. Ich halte dagegen, dass eine soziale Marktwirtschaft wie die in Deutschland eine ganz andere Ausrichtung hat als der reine Kapitalismus. Das gilt auch für die Wohnungswirtschaft, die ausdrücklich Teil der sozialen Marktwirtschaft ist. Das können wir in dieser Corona-Krise unter Beweis stellen. Die LEG ist gewinnorientiert, aber wir stehen auch zu unserer sozialen Verantwortung.
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Das klingt nach einem Spagat.
Von Lackum: Man kann nicht gleichzeitig das profitabelste Unternehmen sein und das meiste für seine Kunden und Mitarbeiter tun. Wir nehmen unsere soziale und wirtschaftliche Verantwortung wahr, indem wir Wort in alle Richtungen halten. Die LEG zahlt den Anteilseignern eine Dividende. Die LEG war aber auch der erste Immobilienkonzern, der mit einem Zehn-Punkte-Plan in der Pandemie seinen Kunden entgegenkam. Das liegt mir enorm am Herzen. Dieser Gleichklang ist besser als jede Verstaatlichung.
„Das war beispielgebend“
Wie wollen Sie langfristig den Wunsch Ihrer Kunden nach einer bezahlbaren und sicheren Wohnung mit den Dividenden-Erwartungen ihrer Aktionäre in Einklang bringen?
Von Lackum: Das kann in der Immobilienbranche sehr gut gelingen. Die LEG hat keine Hotels oder Einkaufszentren. Unser operatives Geschäft, nämlich in erster Linie Wohnungen zu vermieten, ist von der Corona-Krise kaum betroffen. Ich bin im Übrigen davon überzeugt, dass Unternehmen nicht gleich nach dem Staat rufen sollten, wenn der Karren gerade den Berg hinunterfährt. Nahezu alle Branchen der deutschen Wirtschaft haben in den vergangenen zehn Jahren recht gut verdient. Das gilt auch für uns. Wenn es jetzt Probleme gibt, sollte man nicht zuerst den Staat um Unterstützung bitten, sondern zuletzt.
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Mit dem Shutdown haben sich Unternehmen wie Vonovia, Vivawest und LEG fast schon einen Überbietungswettbewerb geliefert, wie sie den Mietern entgegenkommen wollen. Wird dieses soziale Klima nachhaltig sein?
Von Lackum: Wir waren schon vor der Corona-Krise sozial und das wird auch danach so sein. Wir haben 60 Kooperationen mit karitativen Trägern und im vergangenen Jahr – zusätzlich zu unserer bestehenden LEG NRW Mieter-Stiftung – unsere neue „Stiftung – Dein Zuhause hilft“ gegründet, die eine Million Euro ausgibt, um damit insbesondere von der Corona-Krise betroffene Mieter und Haushalte zu unterstützen. Und jetzt in der Corona-Pandemie waren wir die ersten, die erklärt haben, während der Krise die Mieten nicht zu erhöhen und Kündigungen auszusetzen. Das war sicher beispielgebend. Den dadurch ausgelösten Wettbewerb finde ich sehr positiv.
„Corona-Rabattt“ für Krankenschwestern und Kassiererinnen
Als erster Vermieter bietet die LEG einen „Corona-Rabatt“ für Feuerwehrleute, Krankenschwestern und andere in der Krise hoch belastete Berufsgruppen an. Mieterschützer sind da skeptisch. Können Sie das nachvollziehen?
Von Lackum: Die Kritik hat mich persönlich verletzt. Deshalb werde ich aktiv das Gespräch mit dem Mieterverein Bochum suchen. Wir sind davon überzeugt, dass wir diese Corona-Helden nicht nur beklatschen dürfen, sondern ihnen auch finanzielle Anerkennung schenken sollten. Wir haben so bereits 98 Mietverträge mit 20 Prozent Rabatt abgeschlossen. Darunter sind neben den genannten Berufen auch Supermarkt-Kassierer und Kassiererinnen. Wir bewerben dieses Angebot im Übrigen sehr aktiv und weisen interessierte Mieter, die es noch gar nicht kennen, bewusst darauf hin.
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Der Shutdown wird gelockert, die wirtschaftliche Krise aber vermutlich anhalten. Wie lange kann es sich ein Konzern leisten, auf Kündigungen und Mieterhöhungen zu verzichten?
Von Lackum: Wir haben mehrere Hundert Vereinbarungen über Mietstundungen geschlossen. Bei 136.000 Wohnungen und 365.000 Mietern macht das deutlich weniger als ein Prozent aus. Der Stundungsbetrag von einer Million Euro ist für uns nicht bestandsgefährdend. Mich beeindrucken viel mehr die Gespräche mit unseren Mietern. Sie sind wirklich durch Corona in eine finanzielle Notlage geraten. Da missbraucht niemand etwas. Unsere Mitarbeiter helfen den Mietern umfassend – in Einzelfällen auch mal beim Antrag auf Kurzarbeitergeld oder anderer staatlicher Leistungen.
„Soziale Themen werden für Investoren immer wichtiger“
Sie haben unlängst selbst gesagt, dass Ihre Investoren auch darauf schauen, wie nachhaltig und sozial die Geschäftspolitik der LEG ist. Ist da aus Ihrer Sicht ein Wandel zu beobachten?
Von Lackum: Das kann man wirklich sagen. Die ESG-Kriterien – also Klimaschutz, Soziales und Unternehmensführung – haben wesentlich an Bedeutung gewonnen. Diese Themen werden für Investoren immer wichtiger. Es hat sich ja auch gezeigt, dass Unternehmen, die nicht nur auf ihren finanziellen Erfolg blicken, am Ende erfolgreicher sind. Die Vermögensverwalter MFS und Blackrock etwa, die an der LEG mehr als zehn beziehungsweise sieben Prozent halten, haben dafür bereits diverse Fonds aufgelegt.
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Sehen Sie denn auch einen Nachholbedarf bei sozialen und ökologischen Themen?
Von Lackum: Wir sind noch nicht da, wo wir hin wollen. Ende 2019 haben wir bereits die durchschnittlichen Mietmehreinnahmen für 2020 von maximal 3,4 auf 2,8 Prozent gesenkt. Wegen Corona werden wir in diesem Jahr voraussichtlich noch ein wenig darunter liegen – auch weil wir Modernisierungsmaßnahmen nicht in der geplanten Geschwindigkeit umsetzen können. Wir müssen aber mehr bei der energetischen Sanierung unserer Häuser tun. Der Großteil stammt aus den 50er, 60er und 70er Jahren. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, jährlich mindestens drei Prozent des Bestands zu ertüchtigen.
Klimaschonende und bezahlbare Wohnungen sind die große Herausforderung
Vonovia-Chef Buch, Wohnungswirtschafts-Präsident Groschek und Wirtschaftsförderer Beck haben sich unlängst in der WAZ dafür ausgesprochen, Mittel aus erwarteten Konjunkturprogrammen in die soziale und energetische Weiterentwicklung von Wohnquartieren zu investieren. Sind Sie dabei?
Von Lackum: Absolut. Wir müssen uns gemeinsam auf den Weg machen und nach branchenweiten Lösungen suchen. Klimaschonende und bezahlbare Wohnungen sind die große Herausforderung dieses Jahrzehnts. Die bisher vorliegenden Konzepte, die Klimaziele bis 2050 zu erreichen, reichen nicht aus.
Die LEG plant den Bau einer neuen Zentrale am Düsseldorfer Flughafen. Passen Sie Ihre Pläne an, nachdem Corona für den Durchbruch des Homeoffice gesorgt hat?
Von Lackum: Wir haben das Neubauprojekt Ende Dezember erworben und halten an unseren Plänen, die bereits viel flexibleres Arbeiten ermöglichen, fest, im April 2022 dorthin umzuziehen. Unter unseren Mitarbeitern gibt es eine große Sehnsucht, nach Wochen des Homeoffice in die Büros zurückzukehren. Menschen brauchen Menschen. Wir planen offene Büroflächen, arbeiten aber auch mit einem Start-up-Unternehmen zusammen, das mobile Trennwände entwickelt. Wir wollen nicht zurück zu Einzelbüros, da geht die offene Kommunikation verloren.