Essen. Kliniken erhielten 2020 mehr Ausgleichszahlungen als ihnen Umsatz wegbrach. Das RWI sieht aber nur eine kurze Erholung, Insolvenzgefahr steigt.

Die Krankenhauslandschaft wird seit vielen Jahren lichter, die Ökonomisierung der Kliniken führt zu vielen Schließungen und Zusammenlegungen von Häusern. Das wird auch so weitergehen, lautet seit vielen Jahren die Analyse des RWI Leibniz-Institut. Ausgerechnet das von der Corona-Pandemie geprägte Jahr 2020 hat den Klinikmanagern nun ein wenig mehr Luft verschafft: Die wirtschaftliche Lage der Kliniken werde sich „kurzzeitig verbessern“, heißt es in der am Mittwoch vorgestellten jüngsten Datenauswertung der Essener Wirtschaftsforscher.

Der aktuelle „Krankenhaus Rating Report“ beleuchtet eigentlich das Jahr 2019, für das vergangene liegen dem RWI zufolge noch nicht genügend Jahresabschlüsse für eine abschließende Bewertung vor. Die Forscher wagen aber eine Prognose, weil 2020 „rund 10,2 Milliarden Euro für die Einnahmeausfälle der Krankenhäuser in Form von Ausgleichszahlungen ausgezahlt“ worden seien – und damit mehr, als Krankenhäuser durch die Pandemie an Umsätzen verloren haben. Allerdings trifft dies nicht auf jede Klinik zu, manche waren ganz von Ausgleichszahlungen ausgenommen und nahmen trotzdem Covid-Patienten auf. Das habe gerade in NRW viele Häuser benachteiligt, klagt die hiesige Krankenhausgesellschaft.

Patientenzahl sank zu Beginn der Pandemie um 30 Prozent

Weil die Kliniken viele Betten für Covid-Patienten vorhalten und dafür auch planbare Operationen und Behandlungen verschieben sollten, blieben zwischenzeitlich viele Zimmer leer. Die Fallzahlen sanken laut RWI 2020 „um dramatische 13 Prozent, in den ersten Monaten der Pandemie vorübergehend sogar um 30 Prozent“. Dafür erhielten sie die Ausgleichszahlungen vom Staat. Mit diesen Kompensationen stiegen die Erlöse der allgemeinen Krankenhäuser unterm Strich um durchschnittlich 3,7 Prozent und der psychiatrischen Kliniken um 10,6 Prozent. Das hat den Wirtschaftsforschern zufolge viele Häuser aus ihrer zuvor erhöhten Insolvenzgefahr geholt, 2020 dürften nur noch neun Prozent der Kliniken im „roten“ Bereich liegen.

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Vor der Pandemie hatte sich der Anteil der bedrohten Krankenhäuser einmal mehr erhöht – auf 13 Prozent. NRW steht mit acht Prozent traditionell besser da, weil es vergleichsweise wenige kommunale Kliniken hat, denen es meist finanziell am schlechtesten geht. Bundesweit verschlechterten sich die Bilanzen erneut – jede dritte Klinik (33 Prozent, NRW: 27 Prozent) schrieb 2019 einen Jahresverlust, im Vorjahr galt das nur für 29 Prozent. Doch das RWI geht davon aus, dass es bald wieder bergab geht, „ab 2022 könnte sich die Lage deutlich verschlechtern“, heißt es im Rating Report. Bis 2030 sehen die Experten nach wie vor jede vierte Klinik von einer Pleite bedroht.

Bereits ab 2022 drohen drei von vier Kliniken Verluste

Dies freilich nur, wenn die Pandemie keine Langzeitfolgen für die Kliniken hat und die bisherigen Prognosen noch zutreffen. Sollten aber die Fallzahlen nicht mehr das Vorkrisenniveau erreichen, würde sich die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser „dramatisch verschlechtern“, so das RWI. Was genau das heißt? Drei von vier Kliniken, so die Hochrechnung, würden dann „bereits ab 2022 Verluste“ schreiben. „Der Anteil der von Insolvenz bedrohten Kliniken wird in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter steigen“, sagt RWI-Gesundheitsexperte Boris Augurzky.

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Um das zu verhindern, empfiehlt das RWI: „Wo immer möglich, sollten sich Träger innerhalb der Region zusammenschließen oder zumindest trägerübergreifend kooperieren.“ Allgemein setzen die Forscher auf eine viel stärkere Digitalisierung der Krankenhäuser. So wollen die Rettungswagen „eine telemedizinische Anbindung zum Krankenhaus“ erhalten, um erste abgestimmte Behandlungsschritte bereits vor der Ankunft einleiten zu können. In Dänemark etwa geschieht das längst. Zentrale Voraussetzung für eine Digitalisierung des Klinikwesens sei die elektronische Patientenakte, die in Deutschland erst in den Startlöchern steht.

Länder müssten doppelt so viel in Kliniken investieren

Das RWI sieht wie die Krankenhausgesellschaften aber auch die Bundesländer in der Bringschuld, ihren Investitionsverpflichtungen nachzukommen. Das tun sie seit Jahren nur sehr unzulänglich. Laut RWI flossen 2019 Investitionen von 3,16 Milliarden Euro, etwa für neue Geräte. Zur Erhaltung der Unternehmenssubstanz wären aber mindestens 6,3 Milliarden Euro notwendig. Die Länder müssten also doppelt so viele Geld in die Kliniken stecken als sie es aktuell tun. Den Kliniken gelinge es immer schlechter, diese Löcher aus eigenen Mitteln zu stopfen.