Essen. Staat fördert grünen Stahl mit zwei Milliarden. Ein großer Teil davon fließt nach Duisburg. Deutschland soll Nummer 1 beim Wasserstoff werden.

Thyssenkrupp wird bei seiner Umstellung auf eine grüne Stahlproduktion von Bund und Land gefördert. Der „Hochofen 2.0“ in Duisburg, der mit Wasserstoff statt Kokskohle betrieben werden und ab 2022 grünen Stahl kochen soll, gehört zu den bundesweit 62 Wasserstoff-Großprojekten, die Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier am Freitag benannt hat. Thyssenkrupp erhalte dafür „einen sehr hohen dreistelligen Millionenbetrag“, sagte Altmaier auf Nachfrage unserer Redaktion, ohne eine genaue Summe zu nennen.

Alle großen Stahlkonzerne erhalten Förderung

Damit erhält Thyssenkrupp wohl die höchste Fördersumme der Stahlkonzerne in Deutschland. Insgesamt fördert der Staat die Umstellung auf klimaneutral produzierten Stahl mit zwei Milliarden Euro, sie wird verteilt an Projekte von Arcelor Mittal, Salzgitter und Saar-Stahl. Altmaier betonte, der Stahl spiele die Hauptrolle in der Wasserstoff-Strategie, weil diese besonders CO2-intensive Industrie auch die größten Mengen des Klimagases einsparen kann. Bis 2030 werde die Stahlindustrie mit dem Umstieg auf Wasserstoff elf Millionen Tonnen CO2 pro Jahr vermeiden können – das wäre ein Drittel des heutigen Ausstoßes. Weitere zwei Millionen Tonnen soll die Chemieindustrie einsparen.

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Für die Stahlsparte des Industriekonzerns wird der Umstieg auf eine klimaneutrale Produktion zur Überlebensfrage. Wegen der enormen Kosten sei das ohne Förderung nicht zu schaffen, betont das Unternehmen seit Monaten. Erst am Donnerstag quittierte die Arbeitnehmerseite mit größter Sorge, dass Mercedes-Benz bei einem schwedischen Start-up zur Herstellung von grünem Stahl einsteigt statt auf Thyssenkrupp zu warten. Die Autoindustrie soll auch nach dem Willen der Bundesregierung ein Hauptabnehmer von klimafreundlichem Stahl werden. Dass der Premium-Autohersteller „nicht mehr auf die Transformation der deutschen Stahlindustrie wartet, sollte unserer Regierung als Weckruf gelten“, sagte Tekin Nasikkol, Gesamtbetriebsratschef von Thyssenkrupp Stahl, unserer Redaktion.

Sechs von zehn NRW-Projekten im Ruhrgebiet

Dass es zu lange dauere, die Förderung auf den Weg zu bringen, ließ Altmaier bei der Vorstellung der Projekte aber nicht gelten. Im Gegenteil: Kein Land betreibe das Hochfahren der Wasserstoff-Technologien so schnell und umfangreich wie Deutschland, sagte der Minister. Er sieht die Bundesrepublik hier auf dem Weg zur „Nummer eins in der Welt“. Die Technologie soll auch viele neue Arbeitsplätze schaffen, darauf setzt vor allem auch NRW.

Nach Nordrhein-Westfalen fließen 1,7 Milliarden Euro, davon trägt das Land laut Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) eine halbe Milliarde. Von den zehn geförderten NRW-Projekten liegen sechs im Ruhrgebiet, demnach wird auch der Thyssenkrupp-Partner Air Liquide bei der Wasserstoff-Erzeugung in Duisburg gefördert. Hinzu kommen vier Projekte des Industrie-Zusammenschlusses „Get H2“. Der Essener Gasnetzbetreiber Open Grid Europe und der Dax-Konzern RWE sowie der Ölriese BP und der Chemiekonzern Evonik arbeiten hier gemeinsam am Aufbau einer Infrastruktur.

Pinkwart: Ein guter Tag für das Ruhrgebiet

„Das ist eine guter Tag für das Ruhrgebiet als wichtigste Stahlregion Europas: Bund und Land unterstützen insgesamt sechs Wasserstoff-Projekte mit rund einer Milliarde Euro, damit der Umbau hin zu grünem Stahl gelingt“, sagte Pinkwart unserer Redaktion. Mit diesen und weiteren Projekten etwa in der Chemie und im Anlagenbau könne man „die energieintensive Industrie fit machen für die klimaneutrale Zukunft“, so der Landeswirtschaftsminister.

Wasserstoff-Leitung nach Gelsenkirchen wird gefördert

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Neben der Erzeugung gehört der Transport des künftig in großen Mengen benötigten Gases zu den größten Herausforderungen. Open Grid plant eine Leitung vom RWE-Standort im niedersächsischen Lingen nach Gelsenkirchen, angeschlossen werden etwa der Chemiepark Marl und die BP-Raffinerie in Gelsenkirchen-Scholven. Thyssengas plant ebenfalls unter dem gemeinsamen Dach eine Anbindung zur niederländischen Grenze. Wasserstoff-Lieferungen aus dem Hafen Rotterdam sollen für die NRW-Industrie eine zentrale Rolle spielen.

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Die 62 deutschen Projekte werden Teil des europäischen Wasserstoffprojekts IPCEI, an dem sich bisher 22 EU-Mitgliedsstaaten beteiligen wollen. Europaweit wurden mehr als 500 Wasserstoff-Projekte eingereicht. Durch den gemeinsamen europäischen Rahmen sieht der deutsche Wirtschaftsminister auch mögliche Kollisionsgefahren mit dem EU-Beihilferecht gebannt. Die Zustimmung der EU-Kommission gilt als Formalie.

33 Milliarden Wasserstoff-Investitionen bis 2030

Altmaier benannte am Freitag Großprojekte aus den Bereichen Industrie und Verkehr sowie der Erzeugung und dem Transport von grünem Wasserstoff. Sie werden mit insgesamt acht Milliarden Euro gefördert. „Wir lösen damit noch einmal das Vierfache an privatwirtschaftlichen Investitionen aus“, so Altmaier. Letztlich würden bis 2030 rund 33 Milliarden Euro in den Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft fließen. „Ein Projekt dieser industrie- und klimapolitischen Größe hat es in Deutschland noch nie gegeben“, betont der Minister. Dabei wird nur der kleinere Teil der eingereichten Projekte gefördert: Mit bundesweit 230 Anträgen war das Förderkontingent mehrfach überzeichnet, wie Altmaier betonte.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) setzt auch für den Antrieb von Autos, Schiffen und Flugzeugen auf Wasserstoff als Treibstoff der Zukunft. Für ihn ist besonders wichtig, ihn bezahlbar zu machen: „Wir wollen den Skeptikern zeigen, dass Wasserstoff vom Champagner der alternativen Treibstoffe zum Tafelwasser werden kann.“

Thyssenkrupp nannte die Förderzusage aus Berlin einen „wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu klimaneutraler Stahlproduktion und ein starkes Signal der Bundesregierung“. Klar sei aber auch, dass dies „nur ein Schritt der notwendigen, langfristigen Begleitung unserer Transformation durch die Politik“ sein könne.