Essen. NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart legt seinen Fahrplan für den Umstieg der Industrie und des Lastverkehrs auf Wasserstoff vor: 130.000 neue Jobs.

In Nordrhein-Westfalen sollen 130.000 neue Arbeitsplätze beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft entstehen. Das erklärte Landeswirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) am Montag bei der Vorstellung des NRW-Fahrplans für den Umstieg auf eine klimaneutrale Industrie. Die Wirtschaft begrüßte seine „Roadmap“, die Ökostrom-Branche kritisierte sie.

Im Kern geht es darum, fossile Energieträger wie Kohle und Öl durch Wasserstoff zu ersetzen, der per Elektrolyse mit grünem Strom nahezu klimaneutral hergestellt werden kann. So baut etwa der Stahlkonzern Thyssenkrupp in Duisburg den ersten Hochofen, der mit Wasserstoff statt Kohle befeuert wird. Der Brennstoff eignet sich auch in Fahrzeugen, besonders effektiv in Lkw und Bussen. Bis 2025 sollen in NRW erste Großanlagen in Betrieb gehen, die ersten gut 100 Kilometer eines Pipeline-Netzes installiert und 400 Brennstoffzellen-Lkw unterwegs sein, kündigte Minister Pinkwart an.

Pinkwart: Der Bund muss jetzt liefern

Das Problem ist die Verfügbarkeit von Wasserstoff in großen Mengen. Der Aufbau eines Wasserstofftransportnetzes müsse zügig in den Regulierungsbereich des Energiewirtschaftsgesetzes aufgenommen werden, forderte Pinkwart deshalb und sagte: „Der Bund muss jetzt liefern.“

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Dass er mehr auf den Import des neuen Energieträgers setzt statt auf die eigene Herstellung mit heimischem Ökostrom, kritisiert der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW): „Statt so viel wie möglich selbst zu machen, verlässt sich die Landesregierung darauf, dass es schon andere Länder richten werden – mitunter auch solche, die es mit Menschenrechten nicht so genau nehmen“, meint LEE-Chef Reiner Priggen.

Ökostrombranche kritisiert Importpläne

So komme eine Studie des Wuppertal Instituts zum Ergebnis, dass mit der heimischen Produktion von Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien 800.000 Jobs und 30 Milliarden Euro jährliche Wertschöpfung geschaffen werden könnten. „Wir sollten erstmal unsere eigenen Potenziale nutzen: das ist schneller und günstiger, schafft Jobs und garantiert auch den grünen Ursprung“, sagte Priggen.

Auch in Bayern setzt man auf Wasserstoff-Technologien, hier begutachtet Ministerpräsident Markus Söder (CSU) einen Brennstoffzellen-Lkw von MAN.
Auch in Bayern setzt man auf Wasserstoff-Technologien, hier begutachtet Ministerpräsident Markus Söder (CSU) einen Brennstoffzellen-Lkw von MAN. © dpa | Daniel Karmann

Die Landesregierung stützt sich auf eine Prognose des Forschungszentrums Jülich, das den Wasserstoffbedarf in NRW bis 2050 auf 104 Terawattstunden pro Jahr schätzt. Nur 18 Terawattstunden davon könnten hier erzeugt werden. Deshalb strebt Pinkwart zur Deckung des Bedarfs internationale Partnerschaften an. Voraussetzung für einen breiten Rollout sei der Aufbau der Infrastruktur.

Das Land selbst setzt in den kommenden Jahren auf zwölf Pilotprojekte in der NRW-Wirtschaft, die derzeit mit einem Investitionsvolumen von rund vier Milliarden Euro in Planung sind. Neben dem Wasserstoff-Hochofen von Thyssenkrupp für grünen Stahl geht es dabei etwa um den Bau von mindestens 200 Wasserstoff-Tankstellen für Lkw und Pkw.

11.000 Brennstoffzellen-Lkw bis 2030

Bis 2030 sollen 11.000 Lkw, 1000 Müllwagen und 3800 Busse im ÖPNV unterwegs sein, die mit Brennstoffzellen laufen und Wasserstoff tanken. 240 Kilometer neue Wasserstoffleitungen sollen gebaut werden, ebenso Elektrolyseanlagen für die industrielle Wasserstoffproduktion mit einer Leistung von bis zu drei Gigawatt.

Unternehmer-Präsident Arndt Kirchhoff lobte die NRW-Roadmap: „Kein anderes Bundesland hat gegenwärtig ein derart breit aufgestelltes Konzept vorzuweisen.“ Ungeachtet der guten Ansätze sei die Umstellung der Industrie aber „eine Herkules-Aufgabe für die Unternehmen“. Dafür seien deutlich verbesserte regulatorische Rahmenbedingungen und Fördermaßnahmen notwendig.