Düsseldorf. Die Sparquote der Verbraucher wächst rasant. Die Commerzbank erwartet nach der Pandemie einen Boom bei Konsum und Reisen in NRW.
Keine Reisen, keine Restaurantbesuche, kaum Bedarf für ein neues Kleid oder einen Anzug: Im Lockdown geben die Verbraucher deutlich weniger aus. Viele Experten rechnen damit, dass sich das Konsumverhalten der Menschen so bald nicht ändern wird. Die Commerzbank schätzt die Lage ganz anders ein.
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Nach Zahlen der Bundesbank ist die Sparquote in Deutschland im vergangenen Jahr förmlich explodiert. Knapp 17 Prozent des verfügbaren Einkommens legten die Verbraucher auf die hohe Kante. 2019, also vor der Krise, waren es nur gut zehn Prozent. Ein Plus von 120 Milliarden Euro. „Die Sparguthaben sind erheblich um sieben Prozent gewachsen. Wir rechnen damit, dass sich das nach der Pandemie rasch entladen wird“, sagt Mario Peric. Und der Bereichsvorstand der Commerzbank in NRW nennt auch die Gründe: „Die Leute wollen wieder reisen und konsumieren.“
Peric berichtet, dass ihm gerade der Chef der Hochdruckreiniger-Firma Kärcher, Hartmut Jenner, erzählt habe, dass das Geschäft mit Geräten für den privaten Gebrauch boome. „Die Menschen kaufen Markenprodukte – auch als Trost für Entbehrungen“, meint der Banker.
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„Das war ein brutales Jahr“, sagt Peric und meint damit in erster Linie die Corona-Krise. „Bei uns ging es zu wie im Bienenstock. Unsere Mitarbeiter waren an der Grenze ihrer Belastungsfähigkeit“, erinnert sich der NRW-Chef. Während des ersten Lockdowns hätten die Telefone der Bank nicht mehr stillgestanden. Peric: „Handwerker, Friseure, Einzelhändler, Gastronomen standen plötzlich vor einem Scherbenhaufen.“
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Corona-Kredite der KfW-Förderbank im Wert von 7,7 Milliarden Euro stellte die Commerzbank nach eigenen Angaben bereit. 1,1 Milliarden Euro davon flossen nach NRW. „KfW-Kredite waren das Mittel der Wahl, das den Unternehmen geholfen hat. Wir haben aber auch die Programme regionaler Förderinstrumente vermittelt und Zwischenfinanzierungen vergeben, um Unternehmen schnell mit Liquidität zu versorgen“, bilanziert Stefan Otto, der für das Firmenkunden-Geschäft in West- und Norddeutschland verantwortlich ist. Mit den Hilfen konnten sich die die meisten Firmen bislang über Wasser halten. „Eine große Insolvenzwelle im Mittelstand sehen wir nicht, allerdings liegen die wesentlichen Regeln des Insolvenzrechts nach wie vor im Gefrierfach.“, sagt Otto.
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Gleichwohl hat Corona sichtbare Spuren in der NRW-Wirtschaft hinterlassen. Meldete die Commerzbank vor der Pandemie Jahr für Jahr wachsende Kreditvolumina, trat 2020 Stagnation ein. „In Summe hat sich der Mittelstand sich bei Investitionen stark zurückgehalten. Nach Jahren des Wachstums blieb unser Kreditbuch im vergangenen Jahr konstant bei 16 Milliarden Euro“, erklärt Otto.
Digitalisierung schreitet voran
„Wir sind mit einem dicken blauen Auge davon gekommen“, meint auch Peric. Trotz aller Kritik an den Corona-Hilfen zeigt sich der Bereichsvorstand zufrieden. „Der Staat hat in der Summe einen guten Job gemacht. Unsere Kunden konnten die Krise überbrücken.“ Allerdings habe die Corona-Krise mit wochenlang geschlossenen Filialen während des ersten Lockdowns das Bankengeschäft verändert. „Die Digitalisierung ist deutlich vorangeschritten. Da war Corona ein echter Beschleuniger“, berichtet Otto.
Auch 209 Filialen in NRW von Schließungen betroffen
Kleinere Kredite oder Wertpapiergeschäfte werden inzwischen per Smartphone-App abgeschlossen. Gespräche mit den Bankberatern finden oft per Telefon oder Video statt. Die Kunden müssen nicht mehr in die Stadt fahren. Das werde auch nach Corona so bleiben, glaubt Peric, schränkt aber gleichzeitig ein: „Für bedeutende Entscheidungen wie Altersvorsorge, Wertpapieranlage oder Immobilien-Kauf werden die Kunden auch künftig in die Filialen kommen.“
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Auch vor diesem Hintergrund laufen bei der Commerzbank im Hintergrund die Verhandlungen, welche Geschäftsstellen auf der Schließungsliste stehen werden. Vorstandschef Knof will das bundesweite Netz von 790 auf 450 Filialen straffen. 209 Geschäftsstellen liegen in NRW. Mit 2,1 Millionen Kunden ist Nordrhein-Westfalen der größte Markt für die Commerzbank. Selbst im Corona-Jahr 2020 konnte sie nach eigenen Angaben netto 36.000 Kunden zwischen Rhein und Weser hinzu gewinnen.
Ausbaupläne für Duisburger Kundencenter
Auch wenn manche Filiale wegfallen wird, will die Commerzbank in ihre digitalen Angebote investieren. Bereichsvorstand Peric kündigt an, dass davon auch das Kundencenter mit seinen aktuell 730 Mitarbeitern in Duisburg profitieren soll. Dort laufen bundesweit alle telefonischen und Online-Anfragen der Kunden auf. Bis zum Jahr 2024, so Peric, soll der Standort personell aufgestockt werden.
Derweil hat die Führung der Commerzbank hat mit dem Gesamtbetriebsrat ein „Freiwilligenprogramm“ ausgehandelt, über das bis zum Ende des Jahres 1700 Vollzeitstellen „sozialverträglich“ abgebaut werden sollen. Bis Ende 2024 will der neue Vorstandschef Manfred Knof die Zahl der Arbeitsplätze von zuletzt knapp 40.000 auf 32.000 verringern. „Wir stellen damit schnell Instrumente zur Verfügung, die bereits im kommenden Jahr die Kostenbasis senken“, kommentierte Sabine Schmittroth, im Vorstand der Commerzbank für das Ressort Personal verantwortlich, das Freiwilligenprogramm.
Reihenweise Rücktritte im Aufsichtsrat
Ungeachtet dessen geht die Führungskrise bei Deutschlands zweitgrößtem Geldinstitut weiter. Nachdem gerade erst der 69-jährige Helmut Gottschalk den Aufsichtsratsvorsitz bei der Commerzbank übernommen hatte, traten vier weitere Aufseher zurück. Unter ihnen der frühere HSBC-Chef Andreas Schmitz, der sich offenbar Hoffnung auf den Aufsichtsratsvorsitz bei der Commerzbank gemacht hatte.
Neu in den Aufsichtsrat der Bank, deren größter Anteilseigner seit der Finanzkrise der deutsche Staat ist, sollen außer Gottschalk die Unternehmensberaterin Daniela Mattheus, die frühere Telekom-Managerin Caroline Seifert und das frühere DZ-Bank-Vorstandsmitglied Frank Westhoff gewählt werden.