Essen. Im Ruhrgebiet blieb die Beschäftigung im Corona-Jahr 2020 stabil. Gesundheitsbranche wächst, Industrie- und Freizeitsektor schrumpfen.
Die Ruhrwirtschaft ist bislang stabil durch das Corona-Jahr 2020 gekommen. Zum Stichtag 30. Juni 2020 gab es im Ruhrgebiet 1.780.269 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Das waren nur 63 Stellen weniger als im Vorjahreszeitraum, wie aus dem Wirtschaftsbericht der Business Metropole Ruhr (BMR) hervorgeht. Manche Branchen leiden freilich erheblich unter der Pandemie.
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Dass die Zahl der Beschäftigten nach dem ersten Lockdown nahezu unverändert blieb, ist für BMR-Geschäftsführer Markus Schlüter zunächst einmal ein gutes Zeichen. „Es zeigt, dass die staatlichen Hilfen wie Kurzarbeit gegriffen haben“, sagt er. Schwer einzuschätzen sei indes, wie sich die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte entwickelte, die im Dezember mit einem zweiten Lockdown zu Ende ging. Das statistische Material dafür liegt noch nicht vor. „Unser Eindruck ist, dass im ersten Lockdown mehr Unternehmen von Kurzarbeit Gebrauch gemacht haben als im zweiten“, schätzt Schlüter und zeigt sich optimistisch: „Nach dem erfolgreichen Strukturwandel ist das Ruhrgebiet diversifizierter aufgestellt. Wir können jetzt besser Krise.“
Gesundheitssektor hängt Industrie ab
Mit 353.160 Beschäftigten hat die Gesundheitswirtschaft im Ruhrgebiet ihren Vorsprung von der Industrie weiter ausgebaut. Sie ist seit einigen Jahren der größte Arbeitgeber in der Region. Mit einem Plus von 1,1 Prozent wuchs nicht nur die Zahl der Stellen um 3796. Der Umsatz kletterte um fast 9,1 Prozent auf 18,79 Milliarden Euro. Damit liegt der Stellenaufbau im Revier über dem Durchschnitt von Bund und Land.
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Die Gesundheitsbranche macht inzwischen rund 20 Prozent der gesamten Wirtschaft im Ruhrgebiet aus. Rund die Hälfte der Arbeitsplätze entfallen auf die stationäre und ambulante Versorgung, 42 Prozent auf Pflege, Handel und Sport. Durch die Corona-Pandemie werde die Bedeutung der Gesundheitswirtschaft weiter wachsen, erwartet Wirtschaftsförderer Schlüter. Eine besondere Spezialisierung sei in der Stadt Herne zu beobachten.
Mehr Arbeitsplätze bei Bildung und digitaler Kommunikation
Im zweitgrößten Sektor, der Industrie, hinterließ die Krise indes deutliche Spuren. Die Zahl der Beschäftigten sank im vergangenen Jahr um 2,4 Prozent auf 319.643. Der Abbau machte sich dem Wirtschaftsbericht zufolge vor allem in den industriellen Schwerpunkten Ennepe-Ruhr-Kreis, in Duisburg, Hagen und Mülheim bemerkbar.
Einen Schub bei der Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter beobachtete die BMR im vergangenen Jahr auch auf den Sektoren Mobilität (+ 0,4 Prozent), Bauen und Wohnen (+ 1,3 Prozent), Bildung und Wissen (+ 3,6 Prozent) sowie digitale Kommunikation (+ 3,1 Prozent).
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Die weitgehendsten Einbußen verbuchte in der Pandemie indes die von Soloselbstständigen dominierte Veranstaltungs- und Freizeitwirtschaft. Hier ging die Zahl der Beschäftigten um 5,9 Prozent auf 82.579 zurück. Immerhin steht die Branche für einen Umsatz von fast 14 Milliarden Euro. Events, Freizeit, Sport und Tourismus leiden besonders unter den coronabedingten Beschränkungen. Die Auswirkungen bekommen laut Wirtschaftsbericht vor allem die Städte Essen und Oberhausen zu spüren.
Wirtschaftsförderer: Corona-Hilfen zu bürokratisch
Die Branche leidet mit jedem weiteren Tag, an dem Kinos, Theater und Hallen geschlossen bleiben. „Wir müssen davon ausgehen, dass die Probleme in der Freizeitbranche deutlicher zu Tage treten werden“, prophezeit Schlüter für den bislang nicht untersuchten Zeitraum nach dem Stichtag 30. Juni 2020. Er kritisiert die nur schleppend laufenden Pandemie-Programme. „Leider sind die Corona-Hilfen sehr bürokratisch angelegt. Die Hilfen fließen zu spät. Wir wünschen uns einfachere Verfahren“, betont der BMR-Geschäftsführer.
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Nach dem Wechsel von Rasmus C. Beck zur Gesellschaft für Wirtschaftsförderung in Duisburg im Februar sucht der Aufsichtsrat der Business Metropole Ruhr eine Nachfolge im Vorsitz der Geschäftsführung. Als Beigeordneter beim Regionalverband Ruhr ist Schlüter nebenamtlicher Geschäftsführer der BMR. Seinen Angaben zufolge soll der vom Bochumer Oberbürgermeister Thomas Eiskirch geführte Aufsichtsrat am 14. April den Nachfolger bestellen.
Derweil soll die frühere Chefin der landeseigenen NRW-Global Business, Petra Wassner, der BMR künftig als Beraterin mit einem Wochenstunden-Kontingent zur Seite stehen und das internationale Geschäft der Ruhr-Wirtschaftsförderung ausbauen. „Die Metropole Ruhr hat in den letzten Jahren ihre internationale Positionierung im Wettbewerb der Standorte und Regionen verbessert“, sagt ihr Aufsichtsratsvorsitzender Eiskirch. „Mit Petra Wassner ist es nun gelungen, einer der führenden Außenhandels-Expertinnen des Landes für das Ruhrgebiet zu gewinnen.“