Essen. Keine Messen, keine Events – Unternehmen investieren in hybride Veranstaltungen. Was Eventmanager Colja Dams für die Zukunft erwartet.
Ein Jahr Corona-Pandemie hat der Veranstaltungsbranche nicht nur wirtschaftlich zugesetzt. Der Essener Colja Dams, Chef der renommierten Agentur Vok Dams mit mehr als 300 Mitarbeitern, sieht die Branche im Aufbruch zu neuen hybriden Formaten. Große Messen verlieren nach seiner Einschätzung ihre Bedeutung.
Herr Dams, zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr des vergangenen Jahres haben Sie prophezeit, dass Messen und große Firmen-Events nur noch hybrid, also vor Ort und online, funktionieren werden. Bleiben Sie bei Ihrer Prognose?
Colja Dams: Absolut. Ich bin davon überzeugt, dass es auch nach Corona keinen Schritt zurück in die digitale Abstinenz geben wird. Ich selbst war schon weit vor der Pandemie ein Fan hybrider Veranstaltungen. Das hat uns geholfen, gut durch die Krise zu kommen.
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Sie organisieren Großveranstaltungen für Konzerne wie Volkswagen, BMW oder Vodafone. Messen, Firmenjubiläen und Mitarbeiter-Ehrungen dürfen aber gar nicht stattfinden. Streichen die Unternehmen ihre Ausgaben für Veranstaltungen jetzt zusammen?
Dams: Nein. Mein Gefühl ist, dass die Unternehmen weniger Events machen, dafür aber sogar mehr Geld ausgeben. Eben weil Messen, Hauptversammlungen und Produktpräsentationen, auf die alles fokussiert war, nicht möglich sind, überdenken die Firmen ihre Strategie grundlegend. Sie sitzen sozusagen vor einem weißen Blatt Papier und beginnen, die Kommunikation mit Kunden, Mitarbeitern und Öffentlichkeit völlig neu zu denken. Corona hat in diesem Zusammenhang irrsinnige Kräfte freigesetzt.
Wie können Unternehmen denn neue Produkte präsentieren, wenn die Messen geschlossen sind?
Dams: Sie nutzen eigene digitale Plattformen oder die von Agenturen wie Vok Dams. Sie bringen ihre neuen Produkte aber auch auf Roadshows zu den Top-Kunden. Der Markt für Trucks, die sich dafür eignen, ist gerade leer gefegt.
Was bedeutet das für die großen Messe-Gesellschaften?
Dams: Messen leben zu 60 Prozent von internationalen Besuchern. Wir werden aber mittelfristig nicht mehr so viel reisen wie früher. Messe-Gesellschaften werden es extrem schwer haben, wenn sie weiter an ihrem Geschäftsmodell festhalten, Quadratmeter zu vermieten. Gute Chancen haben Messen, wenn sie digitale Marktplätze schaffen und den Ausstellern anbieten. Regionale Messen wie Essen und Dortmund können besonders von diesem Trend profitieren, weil sie im Einzugsbereich der Beneluxstaaten liegen.
2013 haben Sie die Feierlichkeiten für den 150. Geburtstag des Bayer-Konzerns organisiert. In der Leverkusener Arena waren 30.000 Menschen. Wie funktioniert ein Jubiläum in Corona-Zeiten?
Dams: Das ist natürlich eine besondere Herausforderung. Es wird darauf ankommen, dass Teilnehmer einer hybriden Feier vor Ort und zu Hause am Bildschirm ein gleichwertiges Erlebnis haben. Vodafone hat unlängst die 775 besten Vertriebsmitarbeiter geehrt und sich dabei für einen Digital-Event mit Live-Übertragung entschieden. Das war durchaus emotional, auch wenn die Geehrten zu Hause saßen. Darüber hinaus ergeben sich, natürlich durch die besondere aktuelle Situation getrieben, ganz neue Möglichkeiten. Der Mut diese neuen Schritte zu wagen ist bei den Kunden deutlich großer geworden, sowohl für hybride als auch für virtuelle Formate aber auch das physische Live-Erlebnis wir neu gedacht. Ganz spannende Chancen die hier entstehen.
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Wie ist die Resonanz?
Dams: Gerade bei sehr international geplante Events, zeichnet sich ab, dass der Teilnehmerzuspruch deutlich größer ist durch diese neuen Formate und damit die Relevanz von Events schnell im Gesamtmarketingkontext steigt.
Hand aufs Herz: Welche Arbeitnehmer, die den ganzen Tag zu Hause am Computer sitzen, wollen abends vor demselben Bildschirm an einer digitalen Weinprobe teilnehmen?
Dams: Natürlich verspüren wir alle den Drang, nach draußen zu gehen. Das Lagerfeuer-Gen schlummert in allen Menschen. Wir wollen gemeinsam am Feuer sitzen und uns unterhalten. Diese Atmosphäre kann man aber auch zu Hause schaffen, indem man Mitarbeitern zuvor ein Paket mit allem, was man für eine Weinprobe braucht, zuschickt. Im Kreis der Familie kann das auch Spaß machen.
Ob Pop-Konzerte oder Fußball-Bundesligaspiele – vor Corona galten Veranstaltungen als besonders erfolgreich, wenn sie zehntausende Zuschauer anzogen. Sind diese Bewertungsmaßstäbe passé?
Dams: Die Veranstalter werden sich mehr auf den Return on Invest konzentrieren. Das heißt, sie setzen sich Ziele und wollen für das eingesetzte Kapital auch einen Erfolg sehen.
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Wenn die Zukunft hybrid ist, verdoppeln sich dann nicht auch die Kosten für Veranstaltungen vor Ort und im virtuellen Raum?
Dams: Nein. Der Fokus verlagert sich. Wo vor der Pandemie noch großen Wert auf die Ausgestaltung durch Messebau und Mobiliar gelegt wurde um eine besondere Eventatmosphäre zu schaffen und damit alle Sinne des Menschen anzusprechen, liegt bei Hybriden Events der Schwerpunkt auf dem digitalen Erlebnis durch Content und Kommunikation. Entsprechend haben sich die Kosten verlagert.
Nicht jedes Unternehmen oder jede Event-Agentur wird es sich leisten können, die nötige digitale Übertragungstechnik anzuschaffen.
Dams: Wir haben gemeinsam mit dem Technologiekonzern IBM eine digitale Plattform gebaut, die kleine Agenturen, aber auch Unternehmen selbst für ihre Events nutzen können. Die Plattform ermöglicht maßgeschneiderte Lösungen im digitalen Raum in Zeiten der Pandemie und darüber hinaus.
>>> Sechstgrößte Branche
Die Veranstaltungsbranche ist in Deutschland die sechstgrößte Wirtschaftsbranche. Sie beschäftigt rund 1,5 Millionen Mitarbeiter, die vor der Corona-Krise knapp 130 Milliarden Euro direkt umsetzten.
„Wirtschaftsbezogenen Veranstaltungen“ machen einer Studie zufolge 89 Prozente des Umsatzes aus, kulturelle fünf Prozent.