Mülheim. . Ein Jahr nach dem Verschwinden kann die Familie den ehemaligen Tengelmann-Chef für tot erklären lassen. Seine Kinder sollen Firmenanteile erben.
Karl-Erivan Haub hat es geliebt, seine Grenzen auszutesten – beim Bergsteigen, Triathlon und Marathon. Der 58-Jährige galt als durchtrainiert und erfahren. Die Skitour am Matterhorn, zu der der Milliardär am Vormittag des 7. April 2018 im schweizerischen Zermatt aufbrach, sollte seine letzte sein. Der Tengelmann-Chef kehrte nicht mehr zurück und gilt seither als verschollen.
Es ist Samstagnachmittag, als die Nachricht vom Verschwinden Karl-Erivan Haubs seine Familie, aber auch die Mitarbeiter des Mülheimer Handelskonzerns Tengelmann (Obi, Kik, Tedi, Babymarkt.de) wie ein Schock trifft. Seine Ehefrau Katrin, ihre beiden Kinder und Bruder Christian reisen nach Zermatt, um die privat finanzierte, fieberhafte Suche nach Haub zu koordinieren.
Bis heute fehlt von Karl-Erivan Haub jede Spur
Auch interessant
Eine Woche nach seinem Verschwinden teilt die Familie mit, dass „in den extremklimatischen Bedingungen eines Gletschergebietes keine Überlebenswahrscheinlichkeit mehr für Karl-Erivan W. Haub besteht“. Die „Überlebendensuche“ werde auf eine „Bergungssuche“ umgestellt. Bis heute fehlt von dem Manager jede Spur.
Die Trauer in der Mülheimer Tengelmann-Zentrale ist groß. War doch erst vier Wochen zuvor Karl-Erivans Vater, der langjährige Unternehmenslenker Erivan Haub, im Alter von 85 Jahren gestorben. Im Sommer gibt es eine gemeinsame Trauerfeier, Streng abgeschirmt von der Öffentlichkeit nehmen Weggefährten in einem riesigen Zelt auf dem Firmengelände Abschied. Wie es scheint, ist es das letzte Großereignis des 151 Jahre alten Unternehmens in seiner bisherigen Form.
Christian Haub übernimmt Unternehmensführung
Denn bereits am 18. April hat Christian Haub die alleinige Unternehmensführung übernommen. Er ist der neue starke Mann bei Tengelmann. Der 55-Jährige bastelt an einem Neustart für den paralysierten Konzern. Die Entscheidung, wie sich Tengelmann künftig neu aufstellen wird, liegt dem Vernehmen nach ganz allein in seiner Hand. Die Gesellschafterversammlung sei dabei nicht zu beteiligen, heißt es. Allerdings ist der Beirat, der von der Familie eingesetzt ist, eingebunden. Mit dem Vorsitzenden Christoph von Grolman und Franz Markus Haniel, der die Unternehmerfamilie Haniel vertritt, holt Haub Vertraute in das Aufsichtsgremium.
Eigentümer der Tengelmann-Gruppe, die zuletzt mehr als sieben Milliarden Euro umsetzte, sind die drei Brüder Christian, Georg und nach wie vor auch der verschollene Karl-Erivan Haub. Nach dem Verschwinden Karl-Erivans hat dessen Ehefrau Katrin vorübergehend die sogenannte Abwesenheitspflege übernommen. Ab Sonntag, wenn Haub seit einem Jahr vermisst wird, kann Katrin Haub ein sogenanntes Aufgebotsverfahren zur Todeserklärung in Gang setzen. Aus dem Umfeld des Unternehmens aber verlautet, dass der Antrag nicht unmittelbar nach dem Jahrestag gestellt werden soll.
Was im Testament Haubs steht, ist nicht bekannt
Was im Testament Karl-Erivan Haubs steht, weiß niemand. Es darf erst geöffnet werden, wenn er für tot erklärt ist. Fest steht aber schon jetzt, dass dessen Anteile am Unternehmen allein auf seine Kinder, die Zwillinge Viktoria und Erivan, übergehen können. So will es die Satzung der Familie. Die beiden Endzwanziger hatten bereits im vergangenen Jahr die Unternehmensanteile des gestorbenen Großvaters geerbt.
Den Jahrestag wollen Familie und Firma in aller Stille begehen. Eine Veranstaltung sei nicht vorgesehen, heißt es. Christian Haub plane, intern an seinen verschollenen Bruder zu erinnern. Der Unternehmenschef hat sich inzwischen in seine neue Rolle eingefunden. Er wird häufig in Mülheim gesehen und will, wie er in einem Interview mit unserer Redaktion im Januar ankündigte, von USA nach Deutschland umziehen. Inzwischen hat er auch den Aufsichtsratsvorsitz der Baumarktkette Obi übernommen.
Auch interessant
Und dennoch ist sein verschollener Bruder Karl-Erivan immer noch präsent. Er hat Tengelmann seit 1999 geführt und damals aus einer schweren Krise geführt. Der bevorstehende Abschied von der gewaltigen, inzwischen aber auch bröckeligen Konzernzentrale in Mülheim-Speldorf, in der das Familienunternehmen seit 1912 zu Hause ist, wird auch ein Abschied von Karl-Erivan Haub sein.