Essen. Der Wirtschaftsweise Achim Truger wirbt für einen Staatseinstieg bei Thyssenkrupp. Deutsche Stahlindustrie dürfe nicht auf der Strecke bleiben.
Der Wirtschaftsweise Achim Truger hat sich für staatliche Hilfe ausgesprochen, um die verlustträchtige Stahlsparte von Thyssenkrupp zu retten. „Bei der strategisch bedeutsamen Stahlbranche finde ich es sehr einleuchtend, einen Einstieg zu prüfen, diese Schlüsselindustrie kann der Staat schlecht fallen lassen“, sagte er im Podcast „ Die Wirtschaftsreporter “ mit unserer Redaktion.
„Es darf natürlich kein Fass ohne Boden werden“
Das Bundeswirtschaftsministerium prüfe derzeit, den Konzern zu stabilisieren, der Wirtschaftsstabilisierungsfonds bietet diese Möglichkeit, um Unternehmen durch die Corona-Krise zu helfen. „Das kann man natürlich nicht machen, wenn es ein Fass ohne Boden wird, es muss eine klare Ausstiegsperspektive geben“, sagte Truger, der an der Uni Duisburg-Essen lehrt.
Die sieht er bei Thyssenkrupp aber: „Angesichts der ohnehin anstehenden ökologisch-sozialen Transformation dieser Industrie könnte eine kurzfristige Staatsbeteiligung dem Unternehmen helfen, die akute Corona-Krise zu überstehen. Mittelfristig kann man etwa durch eine Anschubfinanzierung die Umstellung auf grünen Stahl fördern. Das wäre aus meiner Sicht ein plausibler Plan.“
Truger: Andere Länder subventionieren auch
Die Stahlindustrie werde in vielen anderen Ländern ohnehin subventioniert, auch das habe zu den Überkapazitäten geführt, unter denen die Branche vor allem in Europa leidet. „Ich möchte mir nicht vorstellen, dass beim Abbau der Überkapazitäten der deutsche Stahl auf der Strecke bleibt, zumal er bei der Qualität immer noch führend ist“, sagte Truger, der seit anderthalb Jahren im Sachverständigenrat sitzt, der die Bundesregierung berät.
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Insgesamt ist der Sozioökonom optimistisch, dass die deutsche Wirtschaft diese Krise gut übersteht. Bei den neuen Überbrückungshilfen hofft er, dass sie unbürokratischer verteilt werden als im Sommer, als ein Großteil nicht abgerufen wurde. Truger baut darauf, dass die vielen Maßnahmen eine Pleitewelle im neuen Jahr verhindern. „Wenn es gelingt, das Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen, werden wir eine starke Erholung im kommenden Jahr sehen – daran müssen jetzt alle arbeiten“, sagte der Wirtschaftsweise. Das gute dritte Quartal in diesem Jahr habe gezeigt, dass eine schnelle und starke Erholung keine Illusion sei.
Minijobber als große Krisenverlierer
Allerdings gilt das nicht für alle Beschäftigtengruppen: Die Minijobber seien die großen Krisenverlierer , „weil sie durch alle Raster fallen, kein Kurzarbeitergeld erhalten und ihre Jobs einfach wegfallen“, erklärte Truger. Für sie hätte die Politik mehr tun können. Auch viele Soloselbstständige seien in Schwierigkeiten geraten. Die Arbeitslosigkeit werde in diesem und im kommenden Jahr steigen, das sei sehr schmerzhaft.
Der Ökonom betont aber, dass die Ausweitung des Kurzarbeitergeldes Schlimmeres verhindert und rechnerisch über „zwei Millionen Vollzeitstellen gerettet“ habe. In Ländern, die dieses Instrument nicht haben, etwa in den USA, sei die Arbeitslosigkeit deshalb dramatisch gestiegen, so Truger.
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