Essen. Chemikalienhändler Brenntag baut 1300 Stellen ab und schließt 100 Standorte. Bekenntnis zur Zentrale in Essen und zum Standort Duisburg.
Der Essener Chemikalienhändler Brenntag steht vor tiefen Umbrüchen. Der MDax-Konzern will weltweit 1300 seiner 17.500 Arbeitsplätze abbauen und 100 der 700 Standorte schließen. Von dem Transformationsprogramm „Project Brenntag“ erhofft sich Unternehmenschef Christian Kohlpaintner mehr Kundennähe und eine höhere Gewinnmarge.
„Der Brenntag ist es in der Vergangenheit nicht gelungen, ihre volle Kraft zu entfalten. Die Möglichkeiten, organisch zu wachsen, haben wir in den vergangenen Jahren nicht genutzt“, sagte Kohlpaintner im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir haben sogar in manchen Regionen Marktanteile und damit auch teilweise Vertrauen unserer Aktionäre verloren.“ Schon bei seinem Amtsantritt am 1. Januar hatte der neue Vorstandsvorsitzende einen Umbau des Marktführers für Chemie-Distribution angekündigt. Jetzt haben Vorstand und Aufsichtsrat sein Konzept abgesegnet.
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Von den 1300 zu streichenden Stellen sollen „weniger als 200“ auf Deutschland entfallen, kündigt Kohlpaintner an. Einzelheiten will er im Hinblick auf die bevorstehenden Gespräche mit dem Betriebsrat nicht nennen. Nach Konzernangaben arbeiten für die Brenntag in Deutschland 1750 Beschäftigte, 740 von ihnen in der Essener Zentrale am Grugapark. „Wir bekennen uns ausdrücklich zum Hauptquartier in Essen“, betont der Vorstandschef. Auch der Lager- und Umschlagplatz in Duisburg sei nicht gefährdet. „Duisburg ist einer unserer Top-Standorte. Ich sehe hier keinen Handlungsbedarf“, stellt Kohlpaintner klar.
„Betriebsbedingte Kündigungen vermeiden“
Beim Stellenabbau wolle man betriebsbedingte Kündigungen vermeiden. „Mir ist wichtig zu sagen, dass wir uns zwei Jahre Zeit nehmen, um den Abbau von Arbeitsplätzen sozialverträglich zu gestalten“, versichert der Konzernchef. Er wolle auch auf die natürliche Fluktuation setzen. „Von unseren 17.500 Mitarbeitern weltweit kommen und gehen pro Jahr rund 1000 Beschäftigte.“
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Auch das Netz der Standorte, von denen aus die Brenntag Kunden mit Chemikalien versorgt, soll gestrafft werden. „Aus unseren 700 Standorten müssen wir Komplexität herausnehmen. Unser globales Netzwerk ist sehr fragmentiert“, meint Kohlpaintner. 100 Niederlassungen sollen deshalb geschlossen werden – rund die Hälfte davon seien Lagerplätze, die von Logistikpartnern betrieben werden.
Anforderungen an Chemikalien-Transport wachsen
Den geplanten Schnitt begründet Kohlpaintner mit dem Wandel des Geschäfts. „Unter unseren 190.000 Kunden weltweit wachsen die Anforderungen an uns als Distributeur. Wir werden immer stärker Ansprechpartner für die Anwendung von Chemikalien und technologische Kompetenz. Es geht längst nicht mehr nur darum, einen Tankwagen Natronlauge von A nach B zu transportieren“, sagt er. Daher müsse es der Brenntag künftig gelingen „die Sprache unserer Partner und ihre Produkte noch besser zu verstehen“.
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Der Transformationsprozess, der auch einen Umbau der Konzernstruktur vorsieht, soll überdies mehr Gewinn in die Brenntag-Kasse spülen. Im vergangenen Jahr übersprang das Essener Unternehmen beim Ergebnis vor Abzug von Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) knapp die Milliarden-Euro-Marke. Bis zum Jahr 2023 will Kohlpaintner das operative Ergebnis sukzessive um jährlich 220 Millionen Euro steigern. Zur Finanzierung des Umbau-Prozesses kalkuliert der Brenntag-Chef freilich auch Aufwendungen in Höhe von 370 Millionen Euro ein. Darunter ein dreistelliger Millionenbetrag, der in die Standorte investiert werden soll.
Diskussion um Aufstieg in den Dax
An den Börsen kamen die Planungen aus Essen am Dienstag gut an. Die Brenntag-Aktie machte zeitweise einen Sprung um über fünf Prozent auf fast 60 Euro. Analysten sehen ohnehin gute Chancen, dass der Weltmarktführer in der Chemie-Distribution schon im November in das Oberhaus der börsennotierten Unternehmen, den Dax, aufsteigen könnte. Kohlpaintner weist aber Vermutungen über einen Zusammenhang zum geplanten Konzernumbau zurück: „Die Diskussion, ob Brenntag möglicherweise in den Dax aufsteigt, ist nicht die Maxime unseres Handelns.“