Essen. Das Unternehmen Brenntag hat Chemikalien nach Syrien geliefert. Nach einer Strafanzeige prüft die Staatsanwaltschaft Essen zu ermitteln.

Eine Anzeige dreier Nichtregierungsorganisationen bringt den Essener Chemikalienhändler Brenntag unter Druck. Die Aktie des MDax-Konzerns büßte am Mittwoch mit bis zu 7,6 Prozent so viel wie noch nie in der Unternehmensgeschichte ein. Zuvor hatten Medien berichtet, dass Brenntag im Jahr 2014 waffenfähige Substanzen in das vom Bürgerkrieg geschüttelte Syrien geliefert hat. Das Unternehmen weist den Vorwurf zurück, gegen das von der Europäischen Union verhängte Wirtschaftsembargo gegen das Regime des syrischen Machthabers Assad verstoßen zu haben. Die Staatsanwaltschaft Essen prüft, ob sie Ermittlungen gegen Brenntag aufnehmen wird.

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Es geht um 280 Kilogramm Diethylamin und 5120 Kilogramm Isaopropanol. Das ARD-Politmagazin Report, die Süddeutsche Zeitung und der Schweizer Tamedia-Verlag berichten, dass die Schweizer Brenntag-Tochter Schweizerhall die Substanzen, die normalerweise in Schmerzmitteln verarbeitet werden, an das syrische Pharmaunternehmen Mediterranean Pharmaceutical Industries (MPI) in Damaskus geliefert haben. Dem Bericht zufolge soll MPI Verbindungen zur Regierung von Diktator Assad haben, dem vorgeworfen wird, Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt zu haben.

Ausfuhren nach Syrien genehmigungspflichtig

Diethylamin und Isaopropanol werden auch bei der Herstellung von Kampfstoffen wie Sarin und VXbenötigt. Aus diesem Grunde ist die Ausfuhr beider Chemikalien seit 2012 bzw. 2013 innerhalb der Europäischen Union genehmigungspflichtig.

Brenntag bestätigte am Mittwoch, dass ihr Tochterunternehmen Schweizerhall die Substanzen 2014 an MPI geliefert hat – „in Einklang mit dem geltenden Recht“, wie ein Sprecher betonte. „Eine Umgehung von Exportbeschränkungen der EU durch Brenntag lag nicht vor“, sagte er und verwies darauf, dass das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft „die Einhaltung der bestimmungsgemäßen Exportabwicklung an MPI vor der Ausfuhr bestätigt“ und 2018 ein weiteres Mal „kein Fehlverhalten festgestellt“ habe.

Die Brenntag-Zentrale in Essen.
Die Brenntag-Zentrale in Essen. © Lars Heidrich

Das Isopropanol und das Diethyalmin habe Brenntag Schweizerhall, heißt es in einer Erklärung des Mutterkonzerns in Essen, nach der „Spezifikation zur Herstellung eines Schmerzmittels“ an MPI geliefert. Die Zusammensetzung habe „ein bekanntes Schweizer Pharmaunternehmen“ vorgegeben. Laut Süddeutscher Zeitung war MPI Lizenznehmer von Novartis mit Sitz in Basel, das Schmerzmittel wie Voltaren herstellt und dafür auch Isopropanol verwendet.

Strafanzeige bei Staatsanwaltschaft Essen

Brenntag betonte, als Weltmarktführer für Chemiedistribution verfüge man über ein umfassendes Exportkontrollsystem, das sicherstelle, dass nationale und internationale Exportvorschriften eingehalten werden. Nachdem eine Strafanzeige der drei Nichtregierungsorganisationen Open Society Justice Initiative (New York), Syrian Archive (Berlin) und der Schweizer Organisation Trial International bei der Staatsanwaltschaft in Essen eingegangen ist, prüft die Behörde nach Angaben von Oberstaatsanwältin Anette Milk, ob sie Ermittlungen gegen Brenntag aufnehmen wird. Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen, sagte sie. Die drei Institutionen hegen den Medienberichten zufolge den Verdacht, dass die am Syrien-Deal beteiligten deutschen Firmen illegal den Umweg über die Lieferungen in die Schweiz genutzt und damit gegen das Außenwirtschaftsrecht hierzulande verstoßen haben.

Auch Hersteller BASF im Fokus

Denn die Ereignisse aus dem Jahr 2014 rücken nicht nur den Transporteur Brenntag in den Fokus, sondern auch die Hersteller der Chemikalien. So befasst sich in Belgien die Bundesanwaltschaft mit dem Thema. Ein Sprecher der Behörde bestätigte, dass Ermittlungen aufgenommen wurden. Das Diethylamin soll der Chemieriese BASF in Antwerpen produziert haben. An seine Kunden habe BASF die Chemikalie im Einklang mit den rechtlichen Rahmenbedingungen geliefert, betonte ein Konzernsprecher. Das Isopropanol soll demnach vom Hersteller Sasol Solvents Germany gekommen sein. Das Unternehmen wollte sich zunächst nicht dazu äußern.