Essen. Abschaltung der Kohlekraftwerke bedeutet Stellenabbau bei RWE, Uniper und Steag. Dem Essener Konzern fällt das mangels Fahrplan besonders schwer.

Jetzt, da die Abschaltung aller Kohlekraftwerke beschlossen ist, beginnt auch der Stellenabbau in den Unternehmen. Und für die Gewerkschaften der Kampf ums Geld für die Betroffenen. RWE baut bereits in den kommenden drei Jahren 3000 Arbeitsplätze im Rheinischen Braunkohlerevier ab. Uniper will bis auf Datteln 4 alle Steinkohlekraftwerke mit 650 Beschäftigten abschalten. Bei der Steag droht ebenfalls Hunderten Mitarbeitern der Jobverlust. Trotzdem reden alle Konzerne bereits mit den Gewerkschaften über Sozialtarifverträge.

Dem Essener Konzern fällt eine verlässliche Planung wegen des unklaren Ausstiegspfads besonders schwer. In den drei Steag-Steinkohlekraftwerken in NRW kursiert neue Ungewissheit, wie lange es in Duisburg-Walsum, Herne und Bergkamen noch weitergeht. Nicht anders ist es im Saarland, wo die Steag ebenfalls drei Steinkohlekraftwerke betreibt.

Steag: Wir werden Stellen abbauen müssen

„Die Beendigung der Kohleverstromung in Deutschland ist nun gesetzlich geregelt. Deshalb wird Steag in den nächsten Jahren Stellen abbauen müssen“, bestätigte das Unternehmen unserer Redaktion. „Das betrifft unsere Mannschaften an den Kraftwerksstandorte im Ruhrgebiet und an der Saar, aber auch die nachgelagerten Bereiche in der Verwaltung. Die Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern laufen bereits.“

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Die Gewerkschaft IGBCE bestätigt, mit allen betroffenen Unternehmen über sozialverträgliche Lösungen zu reden. Allen voran RWE, das noch in diesem Jahr den ersten Braunkohleblock abschalten soll. „Die IGBCE geht davon aus, dass sich die Arbeitgeber beim Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und der Aufstockung des Anpassungsgelds bewegen, um den Reduktionspfad sozialverträglich zu gestalten“, formuliert Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis seine Verhandlungsposition.

IGBCE fordert APG-Aufstockung

Aktivisten von Greenpeace protestieren gegen Datteln 4. Es dürfte als letztes Steinkohlekraftwerk vom Netz gehen.
Aktivisten von Greenpeace protestieren gegen Datteln 4. Es dürfte als letztes Steinkohlekraftwerk vom Netz gehen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Das vom Staat zugesagte Anpassungsgeld, kurz APG, orientiert sich am Rentenanspruch zum Zeitpunkt der Entlassung und wird frühestens fünf Jahre vor Beginn des frühestmöglichen Renteneintritts gezahlt. Die IGBCE und auch die in den Kraftwerken und Verwaltungen stark vertretene Gewerkschaft Verdi fordern eine Aufstockung durch den Arbeitgeber, um die Überbrückung bis zur Rente finanziell abzufedern.

Die Steag, die Stadtwerken aus sechs Ruhrgebietsstädten gehört, von denen alle bis auf Dortmund aussteigen wollen, hatte sich bis zuletzt gegen die Regelungen im Ausstiegsgesetz gewehrt. Denn die sehen für ihre Steinkohlekraftwerke im Vergleich zur Braunkohle nur geringe Entschädigung und ab dem Jahr 2027 Zwangsstilllegungen vor. Zudem gibt es keinen Ausstiegsplan, sondern jährliche Ausschreibungen zur Stilllegung von Steinkohleblöcken. Wer am wenigsten Geld für die Stilllegung fordert, darf dies auch tun.

Steag prüft Optionen für jedes Kraftwerk

Vor diesem Hintergrund hat bei der Steag längst das große Rechnen begonnen: Wie viel Geld ließe sich mit welchem Kohleblock noch verdienen, für welche Prämie lohnt sich die Stilllegung und für welchen Block wäre es lohnender, auf die Zwangsabschaltung zu warten und bis dahin noch Strom zu verkaufen. Dabei gilt es auch den Strompreis vorherzusagen, der spätestens nach dem Atomausstieg 2022 deutlich steigen dürfte.

An der Saar wissen die noch rund 400 Beschäftigten in den Steag-Kraftwerken immerhin, dass sie nicht zu den ersten gehören, die vom Netz gehen. Denn im Süden der Republik gelten Steinkohlekraftwerke als systemrelevant, auch im Saarland. Deshalb dürfen sie nicht an der ersten Ausschreibungsrunde teilnehmen, die noch in diesem Jahr stattfinden soll.

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In NRW könnte allein des Alters wegen das 1981 gebaute Kohlekraftwerk Bergkamen ein Kandidat für eine vorzeitige Stilllegung sein, ebenso der 1988 in Betrieb genommene Block 9 in Duisburg-Walsum. Voraussetzung für die Teilnahme an einer Ausschreibung ist eine Einigung mit den Gewerkschaften über einen Sozialtarifvertrag, das haben IGBCE und Verdi im Kohlekompromiss durchgesetzt. Verhandelt wird ein sozialverträglicher Arbeitsplatzabbau also jeweils, bevor die Stilllegung überhaupt feststeht. Der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen, gute Ausstiegsbedingungen und die Fortführung der Ausbildung haben für die IGBCE dabei Priorität.

Nachbesserung für Duisburg-Walsum

Am längsten laufen soll der erst 2013 in Betrieb genommene Steinkohleblock 10 in Duisburg-Walsum. Ihm drohte nach den ursprünglichen Regierungsplänen die Zwangsstilllegung Anfang der 30er Jahre ohne jede Entschädigung. Kurz vor der Verabschiedung des Gesetzes besserte die Koalition nach und versprach verträgliche Lösungen für die jungen Kraftwerke. Abschreibungen auf diese Steinkohleblöcke sollen verhindert werden, im Zweifel durch Härtefallregelungen. Doch die Details sollen erst in den kommenden Jahren geklärt werden, auch dies lässt sich für die Steag also schwer kalkulieren. Nicht zuletzt deshalb hält sich Steag-Chef Joachim Rumstadt ausdrücklich den Klageweg offen.