Essen. NRW-Autohändler kritisieren das Ausbleiben der lange diskutierten Autokaufprämie. Klimaschützer beklagen mangelnde Zukunftsinvestitionen.

Der Verband des Kfz-Gewerbes NRW zeigt sich enttäuscht von dem am Mittwoch von der Bundesregierung beschlossenen Konjunkturpaket. „Wir sind nicht erfreut über das Ergebnis“, sagte der NRW-Vorsitzende Marcus Büttner dieser Redaktion. Im Vorfeld war lange eine Autokaufprämie für Pkw mit Verbrennungsmotoren im Gespräch gewesen. Diese Forderung aus Bayern konnte sich aber nicht durchsetzen.

Auch interessant

Rückblickend sei es ihm lieber gewesen, wenn die Prämie nie diskutiert worden wäre, sagte Büttner nun. Denn allein die Diskussion habe für das Kfz-Gewerbe verheerende Auswirkungen gehabt. „Erst haben wir massiv unter der Corona-Krise gelitten, weil die Autohäuser schließen mussten. Als wir dann endlich wieder öffnen konnten, ging die Diskussion um die Kaufprämie los. Daraufhin haben die Kunden ihre geplanten Autokäufe verschoben", so Büttner. Im besten Falle könne nun die Senkung der Mehrwertsteuer Anreize zum Autokauf schaffen. Da die aber erst ab ersten Juli in Kraft trete, könne es gut sein, dass Kunden ihren Autokauf nun noch weiter nach hinten verschöben.

Ökonomen: Konjunkturpaket ist "insgesamt vernünftig"

Viele Ökonomen hatten vor allem vor der Kaufprämie gewarnt, der nun gefundene Kompromiss stimmt sie milder. Christoph Schmidt, Präsident des Essener RWI Leibniz Instituts, sagte unserer Redaktion: „Verglichen mit dem, was im Vorfeld diskutiert wurde, hat sich die Bundesregierung auf ein insgesamt vernünftiges Konjunkturpaket geeinigt. Da ist irgendwie für jeden etwas dabei, darunter sinnvolle Punkte wie die zaghafte Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags und weitere Überbrückungshilfen für kleine und mittelständische Unternehmen, aber auch weniger zielgerichtete Maßnahmen wie die Senkung der Mehrwertsteuer.“

Auch interessant

4ba28a6c-a64c-11ea-a4d3-2569be26376d
Von Tim Braune, Kerstin Münstermann und Alessandro Peduto

Gut sei auch das Bekenntnis zur Modernisierung. Was dem früheren Chef der Wirtschaftsweisen zu kurz kommt, sind „bessere Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln“. Sie wären „eigentlich für die Zukunftsfähigkeit des Standorts zentral", so Schmidt.

"Fridays for Future" findet Konjunkturpaket "völlig unzureichend"

Die Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“ kritisierte das Konjunkturpaket als „völlig unzureichend“. „Hier wird viel Geld in die Hand genommen, um den Status quo zu erhalten“, sagte Mitbegründerin Carla Reemtsma. Zwar sei sie froh, dass die Autokaufprämie für Pkw mit Verbrennungsmotoren am Ende doch nicht beschlossen worden sei. „Allerdings ist es absurd, dass es mittlerweile schon als Erfolg gilt, wenn eine klimaschädliche Technologie nicht gefördert wird", sagte Reemtsma. Sie kritisierte, dass die Investition in nachhaltige Technologien viel zu kurz gekommen sei.

Auch interessant

965f1e10-a5e0-11ea-8bfb-d20c146de1fb
Von Tim Braune und Kerstin Münstermann

Ähnlich sehen das die NRW-Grünen. „Es war der Druck von Klimabewegung und auch von uns Grünen, der die Groko an der Neuauflage einer Prämie für fossile Motoren gehindert hat. Das Schlimmste zu verhindern und einen Rückschritt zu vermeiden, reicht allerdings nicht aus für einen Sprung nach vorn beim Klimaschutz“, so die Landesvorsitzende Mona Neubaur. Von Ankündigungen alleine werde noch kein Gramm CO2 eingespart. Obwohl die Groko viel Geld in die Hand nehme, fehlten dauerhafte, nachhaltige Impulse.

Mittelständler begrüßen vor allem die Mehrwertsteuersenkung

Sehr gut kommt das Konjunkturpaket dagegen im Mittelstand des westlichen Ruhrgebiets an. Ihr Unternehmerverband hofft, dass durch die gesetzten Maßnahmen der Wirtschaftsmotor schnellstmöglich wieder anspringt. „Das mit Schulden geschnürte Paket wird hoffentlich die Kauflust bei Verbrauchern und die Investitionslust bei Unternehmen gleichermaßen schnell entfachen“, sagte Wolfgang Schmitz, Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes.

Auch interessant

Positiv sieht er vor allem die Mehrwertsteuersenkung als Konjunkturschub sowie die versprochenen staatlichen Fördermittel für Zukunftstechnologien, die Abschreibungsregeln und die Senkung der Stromkosten. Nicht zu unterschätzen sei die steuerliche Entlastung für die Unternehmen: „Dank des erweiterten steuerlichen Verlustrücktrags können Betriebe krisenbedingte Verluste schon im laufenden Jahr mit Gewinnen aus dem Vorjahr verrechnen – das stärkt die Liquidität“, so Schmitz.

NRW-Unternehmerpräsident hat weiterhin Sorge um den Industriestandort Deutschland

NRW-Unternehmerpräsident Arndt G. Kirchhoff bewertete die zusätzlichen Liquiditätshilfen ebenfalls positiv, betonte aber, diese müssten nun auch schnell bei den betroffenen Unternehmen ankommen. Auch er begrüßte ausdrücklich die verbesserten Abschreibungsbedingungen und die Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung. Nachbesserungsbedarf sieht er allerdings beim Verlustabzug: „Diese Regelung greift mit einer Begrenzung auf nur ein Jahr und einem Rücktrag auf fünf Millionen Euro noch zu kurz“, so Kirchhoff.

Auch interessant

Sorge habe Kirchhoff außerdem weiterhin um die Industriearbeitsplätze in Deutschland – vor allem aufgrund der im internationalen Vergleich hohen Energiepreise. Hieran ändere die beschlossene Deckelung der EEG-Umlage auf hohem Niveau nichts. „Auch die hohe Steuerbelastung der Unternehmen bleibt ein Nachteil im internationalen Wettbewerb. In diesen Bereichen steht der Industriestandort Deutschland weiterhin massiv unter Druck“, sagte Kirchhoff.

Stromkonzern freut sich über Investitionen in Wasserstofftechnologie

Der Düsseldorfer Stromkonzern Uniper, der gerade sein umstrittenes Kohlekraftwerk Datteln 4 ans Netz gebracht hat, ist sehr zufrieden mit dem Paket und hofft, von der Förderung der Wasserstofftechnologie profitieren zu können. „Die Koalition ist sich der zentralen Rolle bewusst, die Wasserstoff in der Energiezukunft spielen wird. Die Zusage eines wichtigen ersten Finanzpakets und von Steuerbefreiungen ist von entscheidender Bedeutung, um den Start der Wasserstoffwirtschaft zu unterstützen“, sagte Uniper-Chef Andreas Schierenbeck.

Wasserstoff als neuer Energieträger, der irgendwann die Kohle ablösen soll, werde „ein zentraler Schlüssel zur Dekarbonisierung der meisten Sektoren sein", prophezeit Schierenbeck. „Mit dem Kompromiss zu einem Konjunkturpaket wird eine gute Basis für zukünftige Investitionen gefunden. Vor allem die Befreiung der Produktion von grünem Wasserstoff von der EEG-Umlage, für die wir uns seit langem einsetzen, würde sich nachhaltig auf die Rentabilität neuer Projekte auswirken."

DGB begrüßt Stabilisierungsmaßnahmen für den Ausbildungsmarkt

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) NRW hob lobend hervor, dass die Bundesregierung zentrale gewerkschaftliche Forderungen für einen Rettungsschirm für berufliche Ausbildung übernommen habe: „Die Übernahmeprämie für Azubis aus insolventen Betrieben und die Förderung der Auftrags- und Verbundausbildung ermöglichen die Stabilisierung der Ausbildung in der Krise“, so die Landesvorsitzende Anja Weber.

Überwiegend positive Reaktionen gab es auch für die Entscheidung des Bundes, die Kommunen bei der Gewerbesteuer und den Kosten der Unterkunft zu unterstützen. „Damit werden dringend benötigte Investitionsspielräume eröffnet“, so DGB-NRW-Chefin Weber. NRW-Unternehmerpräsident Kirchhoff sagte, mit der finanziellen Unterstützung müssten die Kommunen nun die regionale Wirtschaft mit öffentlichen Aufträgen stärken.

NRW-Grüne kritisieren die Rolle der Landesregierung bei der Entlastung der Kommunen

Die NRW-Grünen begrüßten den Beschluss ebenfalls, kritisierten aber, die schwarz-gelbe Landesregierung ist offenbar nicht bereit sei, ihren Teil zur Entlastung gerade der überschuldeten Kommunen beizutragen. „Dabei haben Hessen, das Saarland und andere Länder längst bewiesen, dass Landesregierungen einen eigenen Anteil zur Entschuldung leisten können“, so die NRW-Grünen-Vorsitzende Mona Neubaur.