Berlin. Mehrwertsteuersenkung ab 1. Juli, Kinderbonus, höhere E-Auto-Prämie, günstigerer Strom – wer profitiert von dem Konjunkturprogramm?

Der Nachmittag schreitet zügig voran, da wird Angela Merkel am anderen Ende der Welt gebraucht. Sie muss mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping telefonieren. Es ist dringend, schließlich will sie die Absage des geplanten EU-China-Gipfels im September wegen der Corona-Pandemie besprechen. So beschert die Weltpolitik den am zweiten Tag in Folge im Kanzleramt tagenden Koalitionären eine Zwangspause.

SPD-Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt drehen eine Runde im Garten, später stößt Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) dazu. Die Pause wird immer länger. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich stöbert in der Bibliothek, bei der Union sinniert man über das Paket.

Plötzlich klingelt das Handy von CSU-Chef Markus Söder. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans ist dran: „Wo bleibt ihr denn?“ Antwort: „Wir warten auf euch.“ „Wir doch auch“. So verliert man im Ringen um das 130-Milliarden-Paket zwar ein paar Stunden – doch am Tag danach sind Union und SPD zufrieden.

Auch Merkel lobt: „Dass wir immer auf einen ausgeglichenen Haushalt geachtet haben, versetzt uns jetzt in die Lage handeln zu können.“ Man habe das Geld trotzdem nicht auf der hohen Kante, sondern müsse es als Schulden aufnehmen und spätere Generationen müssten es bezahlen.

Ein Überblick, wer von dem Konjunkturpaket wie profitiert.

Konjunkturpaket: So profitieren die Verbraucher

Auf dem Papier profitiert theoretisch jeder, da die Umsatzsteuer auf alle Waren und Dienstleistungen fällig wird. Vor allem Geringverdiener könnten gewinnen, da sie – gemessen am Einkommen – mehr Geld für Essen, Trinken und Alltagsprodukte als Besserverdiener ausgeben müssen. Bereits vom 1. Juli an wird die Steuer von 19 auf 16 Prozent (bei reduzierten Sätzen von 7 auf 5 Prozent) abgesenkt – befristet bis Jahresende. Das soll einen Konsumboom auslösen.

Im Handwerk könnte sie gut greifen, da Renovierungsleistungen oft netto ausgewiesen werden. Mit der Mehrwertsteuersenkung nimmt die Koalition auf jeden Fall den größtmöglichen Hebel in die Hand, um die Kauflaune anzuregen. Lesen Sie mehr: Mehrwertsteuersenkung – Sparen jetzt auch die Verbraucher?

Scholz forderte den Handel bereits auf, die Steuersenkung an die Verbraucher weiterzugeben – zwingen kann die Politik die Geschäfte aber nicht. Bei einer Flasche Saft für jetzt 99 Cent macht die Steuersenkung zwei Cent aus, bei einer Waschmaschine für 700 Euro bereits 15 Euro. Merkel stellte im ZDF klar, dass die Senkung definitiv nur für ein halbes Jahr geplant sei. „Wir setzen darauf, dass die Mehrwertsteuersenkung weitergegeben wird.“

Die geplante Absenkung der Ökostromumlage (EEG) entlastet eine Familie mit einem Jahresverbrauch von 4250 Kilowattstunden Strom nach Berechnungen des Vergleichsportals Check24 im nächsten Jahr um etwa elf Euro, im übernächsten Jahr um 21 Euro.

Für Singlehaushalte mit einem Jahresverbrauch von 1500 Kilowattstunden ergebe sich eine Entlastung von vier Euro im kommenden Jahr und von acht Euro im Jahr 2022. Die Mehrwertsteuersenkung auf Strom könnte einer Durchschnittsfamilie noch einmal 20 Euro Ersparnis bis Dezember bringen.

Mit welchen Vorteilen können Familien rechnen?

Familien erhalten im Rahmen des Konjunkturpakets einen einmaligen Kinderbonus von 300 Euro pro Kind. Der Bonus muss versteuert werden, er wird aber nicht auf Hartz IV angerechnet. Die Extrazahlung soll ab Herbst voraussichtlich in drei Raten in Höhe von jeweils 100 Euro überwiesen werden. Kostenpunkt: 4,3 Milliarden Euro. Lesen Sie auch: Der Corona-Kinderbonus ist nicht mehr als ein Schmerzensgeld

Zugleich werden die rund 1,6 Millionen Alleinerziehenden in Deutschland steuerlich bessergestellt. Der sogenannte Entlastungsbeitrag für Alleinerziehende, der wie ein Steuerfreibetrag wirkt, wird für dieses und nächstes Jahr von 1908 Euro auf 4000 Euro angehoben. Mütter und Väter, die ihren Nachwuchs alleine versorgen, können dadurch netto mehr von ihrem Verdienst behalten. Der Staat lässt sich das eine Dreiviertelmilliarde Euro kosten.

Für den Bau von Kitas und Krippen soll es in diesem und nächsten Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich geben – auch, um die Hygienesituation zu verbessern.

Arbeitnehmer und Arbeitgeber – Senkung der Sozialversicherungsbeiträge

Um eine Steigerung der Lohnnebenkosten, etwa Kranken- und Arbeitslosenversicherung, zu verhindern, plant die Koalition eine „Sozialgarantie 2021“. Die Sozialversicherungsbeiträge sollen bei maximal 40 Prozent stabilisiert werden, durch milliardenschwere Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt. Dies soll die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer schützen und Arbeitgebern Verlässlichkeit bringen.

Autofahrer profitieren von erhöhter Umweltprämie

Es wird keine Neuauflage der Abwrackprämie für Diesel und Benziner wie nach der Bankenkrise geben. Stattdessen will der Bund die bereits bestehende Umweltprämie beim Kauf von umweltfreundlicheren Elektro-Autos von 3000 auf 6000 Euro erhöhen. Dies gilt bis zu einem Nettolistenpreis des E-Fahrzeugs bis zu 40.000 Euro. Die Förderung ist bis Ende 2021 befristet. Für die Prämie sind insgesamt 2,2 Milliarden Euro vorgesehen. Auch interessant: Konjunkturpaket mit „Wumms“ – Feuerwerk oder Strohfeuer?

Das Konjunkturpaket entlastet Kommunen

Dass der Bund dauerhaft einen Großteil der Kosten der Unterkunft (KdU) abnimmt, ist für Städte und Gemeinden ein Meilenstein. Die Ausgaben für Miete, Heizung und Warmwasser für Bezieher von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und Asylbewerber sind ein großer Kostenblock.

Hier trägt der Bund künftig zusätzlich rund vier Milliarden Euro pro Jahr. Da den Kommunen in diesem Jahr wohl um die zwölf Milliarden Euro an Gewerbesteuern wegbrechen, zahlt der Bund über einen „Solidarpakt“ noch einmal 5,9 Milliarden Euro.

Eine Milliarde Euro für die Kultur

Für den Neustart des kulturellen Lebens ist eine Milliarde Euro eingeplant. Staatliche und freie Einrichtungen, darunter Bühnen, Konzerthäuser, Museen, Festivals, Kinos, Musikclubs und Gedenkstätten, sollen für die Wiederaufnahme des Betriebs in Pandemie-Zeiten gerüstet werden. Coronabedingte Einnahmeausfälle will der Staat ausgleichen.

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