Essen. Auch Start-ups leiden unter der Corona-Krise. Gründer-Experte Oliver Weimann sieht auch Chancen, weil jetzt die Digitalisierung in Gang kommt.

Es hat lange gedauert, bis sich Nordrhein-Westfalen auf Platz drei der Bundesländer mit den meisten Start-ups vorgearbeitet hat. Insbesondere das Ruhrgebiet hat rasant aufgeholt. 400 bis 500 Gründerteams, so lauten Schätzungen, sind gerade in der Region aktiv. Doch nun legt die Corona-Pandemie das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben weitgehend lahm. Droht jetzt ein Sterben dieser jungen Unternehmen?

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Oliver Weimann ist ein Typ, den nichts so leicht aus der Ruhe bringt. Er hat selbst zahlreiche Start-ups zum Laufen gebracht und hat als Geschäftsführer des Ruhr-Hubs die Fäden der Gründerszenen in Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen und Mülheim in der Hand. „Natürlich brechen auch Start-ups die Umsätze weg und sie kommen in die Bredouille“, sagt Weimann. Das sei aber von Firma zu Firma unterschiedlich. „Es hängt davon ab, in welcher Phase sich die Gründer befinden. Wenn gerade ein Investment oder ein Bankkredit vereinbart wurde, dürfte es keine Probleme geben, zumal Start-ups am Anfang häufig nicht profitabel arbeiten.“

Schwierig werde es dagegen, wenn die jungen Firmen mitten in der Suche nach Geldgebern stecken. „Investoren werden sich von Corona nicht abschrecken lassen“, meint der Chef des Ruhr-Hubs. „Aber für den Geldfluss braucht man einen Notar und das Amtsgericht. Das funktioniert im Moment nicht.“ Und auch die Suche nach Kunden stocke. „Am Ende machen Menschen mit Menschen Geschäfte. Dafür muss Vertrauen aufgebaut werden, bestenfalls im persönlichen Austausch.“ Die Kontaktsperre verhindert das in diesen Wochen.

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Weimann will sich aber gar nicht lange damit aufhalten, über Probleme zu reden. „Das Finanzpaket mit den Liquiditätshilfen, das die Landesregierung geschnürt hat, wird den Start-ups weiterhelfen“, ist er sich sicher. Auch der Ruhr-Hub selbst veröffentlicht auf seiner Website Serviceangebote, die permanent aktualisiert werden, und mit Startupremote.de ist am Mittwoch eine Plattform für Gründer aus dem Ruhrgebiet an den Start gegangen. Mit Blick auf die Start-ups ist Weimann vorsichtig optimistisch. „Start-ups sind extrem flexibel und an Unsicherheit gewöhnt, vielleicht haben sie es in der Krise leichter, an motiviertes und günstigeres Personal zukommen. Viele Grafiker und IT-Spezialisten, die Start-ups brauchen, sind gerade in Kurzarbeit.“

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Auch wenn bislang niemand weiß, bis wann soziale Kontakte noch vermieden werden sollen: Weimann ist davon überzeugt, dass die während der Krise ganz plötzlich verbreiteten digitalen Angebote auch danach nicht gleich wieder in der Versenkung verschwinden werden: Homeoffice, Hausaufgaben für Schüler via Internet, Video-Konferenzen und nicht zuletzt Online-Anträge der öffentlichen Verwaltungen. „Die digitale Transformation kommt endlich auf Touren. Die Infrastruktur ist nicht perfekt, wir sehen aber, dass es funktioniert“, meint der Geschäftsführer. „Das wird auch im Mittelstand so sein, und davon profitieren Start-ups, weil sie die Lösungen haben oder entwickeln.“

Da gibt es die junge Dortmunder Firma Wirfliegendrohne.de, die automatisierte Drohnenflüge anbietet und auf diese Weise „zertifizierte Sachgutachten“ als Produkt liefert – als Grundlage für die Vergabe von dringenden Reparaturen an Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden.

Oliver Weimann, Gründer und Geschäftsführer des Ruhr-Hub in Essen.
Oliver Weimann, Gründer und Geschäftsführer des Ruhr-Hub in Essen. © FFS | Michael Gottschalk

Die TrustCerts GmbH ist eine Ausgründung aus dem Institut für Internetsicherheit in Gelsenkirchen und bietet Lösungen an, digitale Originale fälschungssicher, unveränderbar und jederzeit neutral überprüfbar zu sichern. Schätzungen zufolge ist etwa jedes zehnte Hochschulzeugnis in Deutschland frisiert. Für die Essener Hochschule für Ökonomie FOM sind die Jungunternehmer bereits aktiv und machen die Zeugnisse sicherer.

Und da ist die EC3L GmbH aus Essen, die mit ihrer innovativen Weiterbildungs-Plattform Mitarbeiter aus Verwaltung und Wirtschaft methodisch dabei unterstützt, deren Fragestellungen in der digitalen Transformation zu lösen und den eigenen Joballtag zu erleichtern.

Weimann ist davon überzeugt, dass Start-ups „die besten Beschleuniger“ für die Digitalisierung sein können. Große Konzerne bedienen sich längst der Ideenschmieden. Nachholbedarf gibt es noch im Mittelstand. Der Gründer-Experte kann sich Förderprogramme mit digitalen Gutscheinen vorstellen.

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Besonders am Herzen liegt Weimann aber auch, dass die öffentlichen Verwaltungen nach Ende der Corona-Krise mitziehen. „Es wäre großartig, wenn neben direkten Finanzhilfen und Krediten eine Unterstützung der lokalen und regionalen Handwerker, Dienstleister und Start-ups durch erhöhte Nachfrage aus der Verwaltung und der öffentlichen Hand kommen würde“, sagt Weimann. „Start-ups können helfen, die Grundlagen für Vergaben und Ausschreibungen zu legen.“

Auf eine unbürokratische und beschleunigte Auftragsvergabe werden aus seiner Sicht insbesondere Gastronomen und Einzelhändler angewiesen sein, die in diesen Corona-Wochen ganz schließen mussten und um ihr Überleben kämpfen.