Bochum. Forschung statt Autofabrik: Fünf Jahre nach dem Opel-Aus ist das Werksgelände in Bochum zu 60 Prozent neu vermarktet, mit viel mehr als Logistik.

Als in der Nacht zum 5. Dezember 2014 der letzte Opel-Zafira in Bochum vom Band lief, filmten Kamerateams aus ganz Deutschland die traurigen Gesichter der Mitarbeiter, die einen langen und vergeblichen Kampf um ihre Stellen hinter sich hatten. Fünf Jahre danach sind die Kamerateams erneut in Bochum. Dieses Mal filmen sie einen sichtlich zufriedenen Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD), der von einer „Erfolgsgeschichte“ spricht.

„Der Pulsschlag aus Stahl wird digital“, hatte vor einigen Wochen die „Rheinische Post“ in Anspielung an Herbert Grönemeyers Bochum-Hymne getitelt. Stahl gibt es zwar weiterhin in der Stadt, aber Bochum hat sich längst einen ganz anderen Ruf erworben – als bedeutendes Zentrum für Cybersicherheit. Christof Paar gerät geradezu ins Schwärmen. Der Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Cybersecurity lobt die Ruhr-Universität, die „sehr früh“ auf das Zukunftsthema IT-Sicherheit gesprungen sei und am Horst-Görtz-Institut inzwischen 1000 Studierende ausbildet. Damit ist Bochum europaweit die größte Talentschmiede für Experten in der IT-Sicherheit.

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„Hier hat sich Spitzenforschung etabliert. Bochum ist der Standort in Deutschland, der die meisten Start-up-Unternehmen in der Cybersicherheit hervorbringt“, sagt Paar. Als die Max-Planck-Gesellschaft vor einem Jahr entschied, ihr nagelneues Institut für Cybersicherheit in Bochum aufzubauen, hatte die Jury auch im Blick, dass die Bosch-Tochter Escrypt in der Stadt ein Forschungs- und Entwicklungszentrum für bis zu 2000 Entwickler für die Datensicherheit in Autos plant. Das stark wachsende Unternehmen will wie Max Planck und Horst Görtz auf das ehemalige Opel-Gelände ziehen.

Grundlagenforschung und Anwendung

Auch das Forschungszentrum für das Engineering smarter Produktservice Systeme und die Neurologische Forschung der Ruhr-Uni zieht es zu Mark 51/7, wie das Areal jetzt heißt. „Hier wird sich Grundlagenforschung mit Anwendung verknüpfen“, sagt Paar. 450 Wissenschaftler sollen am Max-Planck-Institut rund um Cybersicherheit und die Sicherung der Privatsphäre forschen. Den Neubau finanziert das Land NRW mit 50 Millionen Euro.

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Oberbürgermeister Thomas Eiskirch versucht erst gar nicht, seinen Stolz zu unterdrücken. „Wir haben jetzt doppelt so viele zugesagte Arbeitsplätze wie zuletzt das Opel-Werk“, rechnet der Stadtchef vor. Ohne das Ersatzteilzentrum, das weiterhin am Standort existiert, habe Opel zuletzt weniger als 3000 Menschen beschäftigt, so Eiskirch. Bis zum Jahr 2024 würden es etwa mit DHL, Babymarkt.de, Eskrypt und anderen bereits 6000 sein. „Dabei haben wir erst 60 Prozent der Fläche vermarktet“, meint Eiskirch.

Mut der Politik und auch mal Nein sagen

Es sei einerseits der „ungewöhnliche Mut der Politik“ gewesen, schon ein Jahr vor Verhandlungsbeginn über den Sozialplan, der das Aus der Opel-Fabrik flankieren sollte, über die Zeit nach der Auto-Ära nachzudenken. „Wir haben uns aber auch getraut, Nein zu sagen und nicht jeden zu nehmen, der kommt“, sagt Eiskirch im Hinblick auf die Sorge, dass die Opel-Fläche nicht nur mit DHL, sondern mit weiteren Logistik-Unternehmen, aber auch Bau- und Möbelmärkten zugepflastert werde. „Wir bauen hier nicht Halle an Halle“, verspricht der Stadtchef. Stattdessen entstehe jetzt auch ein bedeutender Technologie-Campus. Eiskirch: „Mit DHL glaubt ein Dax-Unternehmen an den Standort. Das hat Strahlkraft für ganz Bochum.“

Opel-Werk in Bochum - vom Aufbau bis zum Abriss in 55 Jahren

Der Beginn der Opel-Geschichte in Bochum: Die Baustelle am Opel Werk I in Bochum-Laer, aufgenommen am 1. August 1961.
Der Beginn der Opel-Geschichte in Bochum: Die Baustelle am Opel Werk I in Bochum-Laer, aufgenommen am 1. August 1961. © Stadt Bochum | Stadt Bochum
Schichtende am Opel Werk I in Bochum-Laer. Das Foto wurde aufgenommen am 16. Oktober 1970.
Schichtende am Opel Werk I in Bochum-Laer. Das Foto wurde aufgenommen am 16. Oktober 1970. © Stadt Bochum | Stadt Bochum
Das Verwaltungsgebäude des Opel Werks I in Bochum-Laer. Im Vordergrund verlassen Autos des Typ Kadett A das Werk. Es handelt sich um das erste Modell, das in Bochum gebaut wurde.
Das Verwaltungsgebäude des Opel Werks I in Bochum-Laer. Im Vordergrund verlassen Autos des Typ Kadett A das Werk. Es handelt sich um das erste Modell, das in Bochum gebaut wurde. © Opel | Opel
Außenansicht des Presswerks mit 86.000 Quadratmetern im Opel Werk I in Bochum-Laer. Aufnahme etwa von 1961/1962.
Außenansicht des Presswerks mit 86.000 Quadratmetern im Opel Werk I in Bochum-Laer. Aufnahme etwa von 1961/1962. © Opel | Opel
Große Feier: Der 100.000 Opel Kadett läuft vom Band. Das Foto wurde aufgenommen im Opel Werk I in Bochum-Laer am 20. Juni 1963.
Große Feier: Der 100.000 Opel Kadett läuft vom Band. Das Foto wurde aufgenommen im Opel Werk I in Bochum-Laer am 20. Juni 1963. © Stadt Bochum | Stadt Bochum
Verwaltungsgebäude des Opel Werks I in Bochum-Laer mit der charakteristischen Rotunde in der Mitte. 
Verwaltungsgebäude des Opel Werks I in Bochum-Laer mit der charakteristischen Rotunde in der Mitte.  © Opel | Opel
Eine Exkursion führt im Juli 2019 über das ehemalige Opel-Gelände. 
Eine Exkursion führt im Juli 2019 über das ehemalige Opel-Gelände.  © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch
Eine Exkursion führt im Juli 2019 über das ehemalige Opel-Gelände. 
Eine Exkursion führt im Juli 2019 über das ehemalige Opel-Gelände.  © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch
Eine Exkursion führt im Juli 2019 über das ehemalige Opel-Gelände. 
Eine Exkursion führt im Juli 2019 über das ehemalige Opel-Gelände.  © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch
Nun wird auch das ehemalige Presswerk abgerissen. Mit den riesigen Baggern schreiten die Arbeiten schnell voran.
Nun wird auch das ehemalige Presswerk abgerissen. Mit den riesigen Baggern schreiten die Arbeiten schnell voran. © FUNKE Foto Services | Gero Helm
Unter anderem hat ein DHL Paketzentrum auf dem Ex-Opelgelände Platz gefunden.
Unter anderem hat ein DHL Paketzentrum auf dem Ex-Opelgelände Platz gefunden. © www.blossey.eu | Hans Blossey
Nun wird auch das ehemalige Presswerk abgerissen. Mit den riesigen Baggern schreiten die Arbeiten schnell voran.
Nun wird auch das ehemalige Presswerk abgerissen. Mit den riesigen Baggern schreiten die Arbeiten schnell voran. © FUNKE Foto Services | Gero Helm
Vogelperspektive auf das Gelände, das nun den Namen Mark 51/7 trägt. 
Vogelperspektive auf das Gelände, das nun den Namen Mark 51/7 trägt.  © FUNKE Foto Services | Gero Helm
Nun wird auch das ehemalige Presswerk abgerissen. Mit den riesigen Baggern schreiten die Arbeiten schnell voran.
Nun wird auch das ehemalige Presswerk abgerissen. Mit den riesigen Baggern schreiten die Arbeiten schnell voran. © FUNKE Foto Services | Gero Helm
Das ehemalige Verwaltungsgebäude wird durch die Firma Goldbeck komplett entkernt und neu aufgebaut.
Das ehemalige Verwaltungsgebäude wird durch die Firma Goldbeck komplett entkernt und neu aufgebaut. © FUNKE Foto Services | Gero Helm
Nun wird auch das ehemalige Presswerk abgerissen. Mit den riesigen Baggern schreiten die Arbeiten schnell voran.
Nun wird auch das ehemalige Presswerk abgerissen. Mit den riesigen Baggern schreiten die Arbeiten schnell voran. © FUNKE Foto Services | Gero Helm
Ein Blick aus der Luft auf das ehemalige Opel-Gelände. 
Ein Blick aus der Luft auf das ehemalige Opel-Gelände.  © FUNKE Foto Services | Gero Helm
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