Mieterschützer und Vonovia liegen oft über Kreuz. Im Streitgespräch macht Vorstand Arnd Fittkau dem Mieterbund einen überraschenden Vorschlag.

Frau Gottschalk, Herr Fittkau, Vonovia-Chef Rolf Buch sagt, dass seine Mieter neun Prozent weniger Betriebskosten zahlen müssen als der Bundesdurchschnitt. Der Mieterbund hat dagegen ausgerechnet, dass Vonovia 18 Prozent darüber liege. Was stimmt denn nun?

Silke Gottschalk: Der Betriebskostenspiegel für 2017, den der Deutsche Mieterbund jährlich herausgibt, weist einen Durchschnitt von 2,16 Euro pro Quadratmeter aus. Vonovia legt allerdings einen Wert von 2,81 Euro als Maßstab zugrunde und liegt folglich mit 2,55 Euro darunter. Vonovia bezieht sich ausdrücklich auf den Betriebskostenspiegel des Mieterbunds und behauptet, der Durchschnittswert liege bei 2,81 Euro. Das ist eine eindeutige Fehlbehauptung, übrigens zum dritten Mal in Folge.

Arnd Fittkau: Wir haben richtig gerechnet, aber der direkte Vergleich der beiden Zahlen ist offenbar nicht so einfach. Und wenn keine Aufzüge vorhanden sind, fließen natürlich auch keine in unsere Auswertung ein. Die Diskussion um Cent-Werte ist vielleicht nicht der richtige Weg. Wir finden gut, dass der Mieterbund für jedes Jahr einen Betriebskostenspiegel erstellt. Er bietet Mietern und Vermietern eine Orientierung. Die Entwicklung des Betriebskostenspiegels zeigt uns, dass Vonovia richtig unterwegs ist. Frau Gottschalk, ich biete Ihnen an, dass wir mit Ihnen für ein Jahr gemeinsam eine Betriebskosten-Statistik berechnen. Damit können wir alle Zweifel ausräumen.

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Ist Vonovia denn wirklich teurer als andere Vermieter?

Fittkau: Sind wir nicht. Ein Beispiel: Wir haben vor einigen Jahren alle Hausmeister-Dienstleistungen zurück ins Unternehmen geholt, weil es draußen einen Fachkräftemangel gibt und wir eigene Qualitätsmaßstäbe haben – und weil wir so auch effizienter arbeiten können. Wir schreiben regelmäßig alle Leistungen am Markt aus, um sicher zu sein, dass unsere eigenen Firmen zu marktüblichen Preisen arbeiten.

Silke Gottschalk, Geschäftsführerin des Mieterbunds NRW.
Silke Gottschalk, Geschäftsführerin des Mieterbunds NRW. © Funke Foto Services | Kim Kanert

Gottschalk: In unseren Sprechstunden hören wir aber immer wieder Klagen, dass Leistungen mehrfach berechnet werden und dass Mieter für den Winterdienst bezahlen, obwohl gar nicht gestreut wurde. Für Vonovia-Kunden in Witten-Heven etwa hatte der Mieterverein unlängst Akteneinsicht. Es fehlten aber Original-Belege. Bei Vonovia vermissen wir oft die Offenheit.

Fittkau: Dagegen wehre ich mich vehement. Wir sind transparent. Natürlich gibt es für alles Belege – sei es für den Anstrich des Treppenhauses, den Anbau von Balkonen, die Einrichtung eines barrierefreien Eingangs oder die energetische Sanierung. Wir werden eine App einführen, in der Mieter alle betriebskostenrelevanten Original-Belege einsehen und auch einen tropfenden Wasserhahn melden können. Unser Ziel ist es, die Kosten, die wir auf unsere Kunden umlegen können, möglichst niedrig zu halten. Wir haben uns bei der Umlage von Modernisierungskosten selbst eine Grenze von zwei Euro pro Quadratmeter gesetzt – und bleiben in NRW mit einer durchschnittlichen Umlage von 1,30 Euro deutlich darunter. Das ist sozialverträglich.

Gottschalk: Es ist aber auch unbestritten, dass Vonovia durch die Umlage von Modernisierungskosten die höchsten Mietsteigerungen erreicht. Dabei beobachten wir in NRW und auch im Ruhrgebiet, dass viele Menschen schon jetzt finanziell an der Grenze sind. Sie können es sich schlicht nicht leisten, mehr als 30 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen auszugeben. Vielen Mietern drohen Armut oder Wohnungslosigkeit.

Fittkau: Sie haben Recht, dass es viel zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt. Da hat unsere gesamte Branche falsch gelegen. Die Zahl der Wohnungen mit sozialer Bindung wird bundesweit von drei auf eine Million zurückgehen. Vonovia bietet keine Wohnungen im Luxussegment an. Von unseren jährlich 35.000 Neumietern verdienen 50 Prozent zwischen 1000 und 2000 Euro, zehn Prozent sogar unter 1000 Euro. Diese Geringverdiener bekommen bei uns Wohnungen.

Gottschalk: Vor allem aber in Universitätsstädten werden zunehmend Menschen von Immobilien-Besitzern herausmodernisiert, um höhere Mieten zu erzielen.

Arnd Fittkau, Mitglied im Vorstand der Vonovia.
Arnd Fittkau, Mitglied im Vorstand der Vonovia. © Funke Foto Services | Kim Kanert

Fittkau: Herausmodernisieren ist mir zuwider. Menschen dürfen nicht ihr Zuhause verlieren. Wir tun so etwas nicht – wir bewirtschaften ja keine Steine, Wohnungen sind ein Stück Heimat. Deswegen haben wir ein Härtefallmanagement eingeführt. Innerhalb eines Jahres konnten wir damit bundesweit 250 Mietern helfen, in der Wohnung zu bleiben: Wenn sich Menschen die Miete nach einer Modernisierung nicht leisten können, finden wir gemeinsam mit ihnen eine Lösung. Wir haben dabei auch auf Mieterhöhungen verzichtet oder sie gestaffelt. Zudem schützen wir Mieter über 70. Sie sollen möglichst lange bei uns wohnen können.

Gottschalk: Für diese Wohngarantie haben wir aber noch Nachbesserungswünsche: Sie bleibt wachsweich, weil sie nicht im Mietvertrag festgeschrieben ist. Das sollte sie aber sein. Und wir sollten nicht vergessen, dass auch Menschen unter 70 Jahren von Altersarmut bedroht sind.

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Beteiligt Vonovia im Vorfeld von Modernisierungen die Mieter?

Fittkau: Die Hälfte unserer Wohnungen liegt in größeren Quartieren. Diese beleben wir sozial und ökologisch. In der langen Vorbereitungsphase binden wir unsere Kunden ein. Partizipation ist möglich, wenn auch manchmal mühsam, etwa wenn die Nachbarn nicht einer Meinung sind.

Gottschalk: Wir beobachten, dass es Mieter in großen Unternehmen oft sehr schwer haben, einen Ansprechpartner zu erreichen, wenn sie Fragen haben oder Probleme ansprechen wollen.

Fittkau: Wir haben fast tausend Kolleginnen und Kollegen im Kundenservice, den wir professionell führen und kontinuierlich weiterentwickeln. Unsere Erreichbarkeit ist gut und wird noch besser, und ein Großteil der Anfragen kann im ersten Gespräch gelöst werden. Zudem entwickeln wir unsere digitalen Angebote weiter, so dass unsere Kunden viele Themen selber lösen können. Wenn wir ein Bauprojekt haben, sind wir mit Kollegen vor Ort, die als Quartiersmanager persönlich ansprechbar sind und helfen, Lösungen vor Ort zu finden.

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Wie sieht denn die ideale Lösung aus, gleichzeitig etwas für den Klimaschutz zu tun und die Kosten fürs Wohnen bezahlbar zu halten?

Gottschalk: Wir Mieterschützer sind natürlich nicht gegen Klimaschutz. Am Ende muss die Lösung aber sozialverträglich sein. Die teure Dämmung der Fassaden führt nicht zu einer Einsparung bei den Heizkosten in gleicher Höhe. Deshalb gibt es ein Problem mit der Akzeptanz. Wenn Mieter finanziell am Limit sind, ist die Bezahlbarkeit entscheidend. Wir fordern, dass die Umlage auf die Mieter, die jetzt bei acht Prozent liegt, abgesenkt wird und den Vermietern als Ausgleich steuerliche Anreize gewährt werden.

Fittkau: Die Mieten steigen, weil es zu wenige bezahlbare Wohnungen gibt. Auf jede Wohnung, die wir neu vermieten, kommen zehn Nachfragen. Wir müssen mehr bauen. Vonovia setzt dabei auch auf die Aufstockung von Gebäuden – zum Beispiel in Essen. Nach unserer Auffassung kommt das Aufstocken in Deutschland viel zu kurz. Mit einem zusätzlichen Dachgeschoss könnten bundesweit einer Studie zufolge rund 1,3 Millionen neue Wohnungen entstehen.

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Was halten Sie vom Vorschlag der Grünen, dass die ältere Dame ihre große Wohnung gegen eine kleine tauschen kann, ohne dass es durch eine Neuvermietung teurer wird?

Gottschalk: Wenn das freiwillig geschieht und sie den Vertrag übernehmen kann, ist das sinnvoll. Es stellt sich allerdings die Frage, ob alte Menschen den Umzug stemmen können.

Fittkau: Volle Zustimmung. Da kommt es natürlich auf das Feingefühl an. Wir haben gute Erfahrungen mit freiwilligem Wohnungstausch gemacht – oftmals löst sich damit die Situation, dass die Mieterinnen oder Mieter einerseits im gewohnten Umfeld wohnen bleiben möchten, aber die alte Wohnung zu groß ist oder etwa keine barrierearme Ausstattung hat. Insbesondere im Rahmen ganzheitlicher Quartiersentwicklungen funktioniert das schon heute sehr gut.

Vonovia sorgte für Irritationen, weil Neumieter mit ihrem Vertrag gleich einen Strom- und Gasanbieter buchen können. Ist das Problem inzwischen gelöst?

Fittkau: Wir haben das Verfahren korrigiert. Kunden müssen jetzt aktiv ankreuzen, ob sie auch eine Strom- und Gaslieferung wollen. Zuvor mussten die Mieter die Bestellung durchstreichen. Das war von uns gut gemeint, von den Kunden aber in der Form nicht gewünscht. Es war nicht unsere Absicht, dass die Kunden den Eindruck hatten, sie bekämen die Wohnung nur, wenn sich auch den Stromvertrag abschließen. Es bleibt aber dabei: Die Konditionen für den Grünstrom sind besser als der übliche Grundtarif.

Gottschalk: Hundert Prozent transparent wäre es, wenn Vonovia den Mietern zwei separate Verträge vorlegen würde. Mit nur einem Vertrag fühlen sie sich möglicherweise immer noch unter Druck gesetzt. Zudem sind die angebotenen Tarife nicht immer die günstigsten. Wir raten deshalb zum Vergleich.