Essen. Mieterschützer warnen davor, geplante Mieterhöhungen sofort aus Angst zu unterschreiben. Sie raten zur sorgfältigen Prüfung. Hier ihre Tipps.

Steigende Mieten, fehlerhafte Abrechnungen, energetische Sanierung – die Mietervereine haben in ihren Sprechstunden viel zu tun. Bei den Beratungen geht es aber auch um Grundsätzliches und um Politisches, vor allem aber den Mangel an bezahlbaren Wohnungen.

„Die Unternehmen haben Stellschrauben, die sie nicht nutzen“, sagt Tobias Scholz im Hinblick auf die immer knapper werdenden Sozialwohnungen. Kritik äußert er vor allem an der LEG, dem größten Vermieter in NRW: „Die LEG hat Förderdarlehen früher zurückgezahlt, so dass Wohnungen schneller aus der Sozialbindung entlassen werden. In den nächsten zehn Jahren sind es bei der LEG insgesamt 24.000 Wohnungen.“ Nach Schätzungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes müssten dagegen jährlich 80.000 neue Sozialwohnungen gebaut werden, um den Bedarf zu decken.

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Denn die Mieten steigen. Hans-Jochem Witzke, Vorsitzender des Deutschen Mieterbundes NRW, hat sich die Zahlen bei der LEG genauer angeschaut: „Die Mieterhöhungen seit 2012 liegen bei der LEG mit 3,6 Prozent jährlich über dem Bundesdurchschnitt von 1,4 Prozent und damit über der Preissteigerungsrate von zwei Prozent.“ Damit werde der Anteil der Ausgaben fürs Wohnen immer größer. Witzke: „Das ist ein gutes Signal an die Investoren, aber ein schlechtes für die Mieter.“

Vergleich mit dem Mietspiegel

Die LEG dagegen betont, dass in den 3,6 Prozent auch „Effekte aus Modernisierung und Neuvermietung“ enthalten seien. „Die Anpassungen aufgrund des Mietspiegels liegen im frei finanzierten Bestand unterhalb der (…) Preissteigerungsrate von zwei Prozent“, sagte eine Sprecherin.

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Nach Angaben des Landesvorsitzenden erreicht der Mieterbund oftmals Erfolge, wenn er mit dem Konzern über niedrigere Mietsteigerungen für seine Mitglieder verhandelt. Witzke sieht aber auch einen Wermutstropfen: „In den anderen Fällen korrigiert die LEG überhöhte Forderungen dann aber noch lange nicht.“ Der Mieterschützer vermutet, dass dahinter „eine Systematik“ stecke.

Furcht vor einer Klage des Vermieters

Die Vereine raten deshalb dazu, Mieterhöhungen nicht gleich zuzustimmen. „Oft haben die Mieter Angst und unterschreiben, weil sie Sorge haben, verklagt zu werden“, meint Tobias Scholz. Dabei gebe es positive Beispiele, in denen sich Widerstand ausgezahlt habe. „Bei Vivawest hatte es jüngst auffällig viele Mieterhöhungen gegeben“, berichtet Scholz über den Gelsenkirchener Konzern. „Von rund 1000 Fällen wurden knapp 900 korrigiert, in über 100 Fällen wurden sie komplett zurückgezogen. Wir waren positiv überrascht, dass Vivawest alle Fälle überprüft hat.“

Auch Hans-Jochem Witze rät bei anstehenden Erhöhungen zur Gelassenheit: „Mieter müssen bei Erhöhungen genau hinschauen und die Forderung mit dem jeweiligen Mietspiegel ihrer Stadtvergleichen. Dabei sollten sie sich nicht unter Druck setzen lassen. Sie haben zwei Monate Zeit.“

LEG erhöht Mieten in Dortmund

Doch auch der örtliche Mietspiegel sorgt offenbar nicht immer für Klarheit. Scholz sind eigenen Angaben zufolge mehrere Fälle aus Dortmund-Scharnhorst bekannt, in denen die LEG Mieterhöhungen oberhalb des Mittelwerts verlange. In einem Fall sogar 82 Cent pro Quadratmeter statt zulässiger zwölf Cent. „Damit verstößt das Unternehmen gegen die ständige Rechtsprechung des Dortmunder Landgerichts“, meint Scholz.

Die LEG beruft sich auf die Präambel des Dortmunder Mietspiegels. Dort heißt es, dass diese eine Orientierungshilfe bei der Bemessung der Miete sei. Sollten Wohnungen durch Faktoren wie Lage, Ausstattung, Wohnumfeld, Energieeffizienz und Nachfrage einen höheren Wert haben als der Mittelwert, reagiert eine LEG-Sprecherin, „kann hier die Miete auch oberhalb des Mittelwerts liegen“.

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Die Mieterschützer warnen aber noch vor einem anderen Phänomen: „Wir beobachten bei vielen Unternehmen, dass sie versuchen, unter dem Deckmantel der Modernisierung Instandhaltungskosten auf die Mieter umzulegen. Diese Strategie ist Teil des Gewinnmaximierungsprozesses“, meint Hans-Jochem Witzke. Als Beispiel nennt er die Erneuerung von Heizkesseln. Die Kosten würden auf Mieter umgelegt, obwohl die Kessel längst abgeschrieben seien und damit eigentlich unter Instandhaltung fielen.

Streit um Servicedienstleistungen

Und auch bei den Servicedienstleistungen der Vermieter, wie Telekommunikation, Pflegedienste oder Energieversorger werden die Vereine hellhörig. „Zusatzangebote sind nur dann in Ordnung, wenn der Mieter einen Mehrwert hat“, betont Tobias Scholz. Mit der – inzwischen geänderten – Praxis beim Bochumer Riesen Vonovia waren Mieterschützer nicht einverstanden. Selbst die Verbraucherzentrale hatte sich eingeschaltet. Neumieter mussten im Vertrag aktiv einen Passus durchstreichen, der ihnen Ökostrom in die Wohnung liefert. Den Strom kauft Vonovia nach eigenen Angaben an der Börse und stellt ihn Neumietern mit dem Ziel zur Verfügung, günstiger zu sein als der örtliche Grundversorger. Inzwischen hat der Konzern das Verfahren umgestellt. Kunden müssen nichts mehr durchstreichen, sondern ankreuzen, wenn sie den Vonovia-Strom beziehen wollen.