Bochum. Bochumer Software-Haus Escrypt profitiert vom IT-Netzwerk der Region. Das Revier könne digitaler Vorreiter sein, meint Geschäftsführer Wollinger.
Die Bosch-Tochter Escrypt hat viel vor in Bochum. Und hat auch einen guten Grund dafür: Mit der geplanten neuen Zentrale auf dem ehemaligen Opel-Gelände sucht der Entwickler von IT-Sicherheitslösungen in Autos die Nähe zu anderen Firmen und Instituten der boomenden Branche.
„Wer sich in der IT-Sicherheit ein bisschen auskennt, kommt ganz schnell auf Bochum. Ein ähnliches Öko-System muss man lange suchen“, sagt Escrypt-Geschäftsführer Thomas Wollinger. 2004 ist die Firma als Ausgründung aus der Ruhr-Universität Bochum entstanden. Escrypt arbeitet etwa bei Forschungsprojekten weiter mit dem renommierten Horst-Görtz-Institut für IT-Sicherheit zusammen. Einen regelmäßigen Austausch, so Wollinger, gebe es auch mit dem Bochumer Software-Haus G Data, das zu den Pionieren bei der Entwicklung von Antiviren-Programmen zählt.
Partnerschaft zwischen Forschung und Industrie
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„In Bochum hat sich ein ganzes Netzwerk für die IT-Sicherheit gebildet. Und jetzt kommt auch noch das Max-Planck-Institut für Cybersicherheit dazu“, meint der Geschäftsführer. „Wir fühlen uns im Ruhrgebiet wohl, weil es hier eine Partnerschaft zwischen Forschung und Lehre auf der einen und der Industrie auf der anderen Seite gibt.“
“Das Wachstum ist nicht ohne“
Von dem Netzwerk profitiert auch Escrypt. Gestartet als Betrieb mit drei Beschäftigten, arbeiten inzwischen rund 120 IT-Experten für das Unternehmen, das im Jahr 2012 vom Autozuliefer-Riesen Bosch übernommen worden war. „Wir verdoppeln unsere Mannschaft etwa alle drei Jahre. Das Wachstum ist nicht ohne“, sagt Geschäftsführer Wollinger. Ihre neue Zentrale auf dem ehemaligen Opel-Gelände, die 2021 in Betrieb genommen werden soll, legen sie für rund 600 Mitarbeiter aus. Die Bochumer versorgen inzwischen Autohersteller nahezu in aller Welt mit Lösungen für die IT-Sicherheit. „Wir bauen beispielsweise eine Firewall fürs Auto und sorgen dafür, dass die richtige Software unverfälscht und virenfrei im Fahrzeug landet“, so der Manager.
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Wollinger spricht von einem „Krieg“ um die Talente, dem auch sein Unternehmen ausgeliefert sei. Doch auch bei der Rekrutierung von Nachwuchs profitiere Escrypt von der Lage im Ruhrgebiet. „In Bochum finden wir sehr gut ausgebildete Informatiker und IT-Sicherheitsexperten, und der Standort Bochum verschafft uns einen klaren Vorteil“, betont Wollinger. „Hier gibt es zudem viele junge Leute, die für innovative Ideen brennen und den Mut haben, Unternehmen zu gründen. Bochum bietet einen guten Nährboden für Start-ups in der IT-Sicherheit, mit denen wir gerne zusammenarbeiten.“
Kammern: NRW soll das digitalste Bundesland werden
Heute tagt im Duisburger Technologiezentrum Tectum die Ruhrkonferenz Tourismus/Digitales. Über die Erwartungen der Ruhrwirtschaft sprachen wir mit Eric Weik, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet in Bochum.
Tut sich im Ruhrgebiet genug für die Digitalisierung?
Wir als Kammern begrüßen, dass bei der Ruhrkonferenz alle Ministerien und Interessengruppen vertreten sind und dass Impulse von außen in die Verwaltung getragen werden. Wir bedauern jedoch, dass es zum wichtigen Thema Digitalisierung kein eigenes Forum gibt.
Was erwarten Sie?
Ziel muss sein, dass NRW das digitalste Bundesland wird und das Ruhrgebiet die Metropole der digitalen Möglichkeiten. Diese Geisteshaltung hat die Ruhrkonferenz allerdings bislang leider noch nicht gesendet. Wenn über die Grenzen der Region hinaus bekannt wird, dass sich im Ruhrgebiet digital eine Menge tut, wird es für Unternehmen auch leichter, Fachkräfte zu finden.
Wie könnte das konkret aussehen?
Wir sollten uns verabreden, dass zum Beispiel keine Straße mehr aufgerissen wird, ohne dass gleichzeitig Glasfaserleitungen verlegt werden. Das wäre ein Signal.
„Stadt braucht leistungsfähige IT-Infrastruktur“
Wollinger ist davon überzeugt, dass die Region in hohem Maße von der Digitalisierung und dem Internet der Dinge (IoT) profitieren könne. „Bochum ist bereits Gigabit-City. „Nach meiner Meinung muss aber größer gedacht werden: Wir brauchen ein Gigabit-IoT-Ruhrgebiet“, nennt Wollinger auch im Hinblick auf die Ruhrkonferenz das Ziel. „Eine Stadt muss nicht nur für Wasser und Gas sorgen, sondern auch für eine leistungsfähige IT-Infrastruktur“, fordert er. In Asien etwa gebe es kaum noch Papier oder Fahrkarten aus dem Automaten. Wollinger: „Auch hier könnte das Ruhrgebiet digitaler Vorreiter in Deutschland werden.“