Bochum. Es ist eine der erfolgreichsten Ausgründungen der Ruhr-Universität. Heute gilt Escrypt als technologische Perle der IT-Sicherheitstechnik.

Über Geld spricht man nicht. Umsatzzahlen verraten sie bei Escrypt grundsätzlich ebenso wenig wie den Preis, zu dem das Bochumer Start-up-Unternehmen 2012 an die Bosch-Gruppe verkauft wurde. Es wird um sieben-, vielleicht achtstellige Zahlen gehen.

Aber andere Faktoren geben deutliche Hinweise darauf, wie wertvoll die Firma ist, die zu den Wegbereitern der heutigen Schlüsseltechnologie „IT-Sicherheit“ gehört. Sie unterhält weltweit Niederlassungen. Sie hat im Vorjahr ihren Umsatz gegenüber 2017 verdoppelt. Sie kauft selbst vielversprechende Start-ups, so wie 2016 das Unternehmen Trustpoint im kanadischen Waterloo. Und sie wächst rasant. 300 Mitarbeiter weltweit hat Escrypt derzeit. 2022, wenn sie ihr Übergangsdomizil in einem der Aral-Türme an der Wittener Straße verlässt und in die neue Firmenzentrale auf der Technologie-Meile an der Wittener Straße umzieht, sollen es allein in Bochum 350 sein.

Datensicherheit für Kleinstgeräte

Thomas Wollinger (46), der Elektrotechnik studiert und einen Doktor-Titel in Kryptologie, ist der Kopf dieser technologischen Perle. Ein Mann der ersten Stunde, der die gewachsene Bedeutung und Wahrnehmung der IT -Sicherheit in Fachwelt und Öffentlichkeit mit einem Vergleich beschreibt: „Wenn ich früher Vorträge gehalten habe, habe ich 80 Prozent der Zeit darauf verwenden müssen, zu erklären, warum es Sinn macht über Datensicherheit für Kleinstgeräte nachzudenken. Heute kann ich mich in 80 Prozent meiner Zeit auf die Technologie konzentrieren.“

Vergleich mit einem Computer

Über den Sinn von Sicherheit in der Informationstechnik (IT) müssen nicht mehr viele Worte verloren werden. Kaum auszudenken, wenn sich Hacker in die Steuerung von Haustechnik, in den Server großer Unternehmen oder in die Steuerung autonom fahrender Fahrzeuge einschleichen und so vermutlich Chaos auslösen.

„Wenn ich Freunden oder Verwandten erkläre, was wir tun, vergleiche ich das gerne mit einem Computer“, sagt Thomas Wollinger. „Jeder PC hat ein Viruserkennungsprogramm, eine Firewall, jeder muss sich einloggen. Hinter den ganzen Mechanismen, die wir aus der Computerwelt kennen, gibt es ähnliche Mechanismen, die im Auto umgesetzt werden müssen. Und darauf haben wir uns spezialisiert.“ Das markige Firmenmotto: Security. Trust. Success – Sicherheit. Vertrauen. Erfolg.

Raketengleicher Aufstieg

Ein Projekt mit jedem der fünf großen deutsche Autohersteller, das war das Ziel der Gründer im ersten Jahr. Am Ende waren es zwar nur vier. „Aber wir haben trotzdem die Korken knallen lassen“, erinnert sich Thomas Wollinger. Es war der Beginn eines raketengleichen Aufstiegs, der Escrypt in die Rolle des Marktführers katapultiert hat („Marktführer unter den Firmen, die ein komplettes Angebot an Beratungsdienstleistungen und Software haben. Da gibt es nur wenige, die uns das Wasser reichen können.“).

Kostenintensive Entwicklungsarbeit

2011 gab es mehrere Übernahmeangebote. Am Ende entschieden sich die Eigentümer für Bosch bzw. die Bosch-Tochter Etas, in der Firmen und Kompetenzen rund um die sogenannten eingebetteten System gebündelt sind. „Das war ein wichtiger Schritt für uns“, erklärt der Geschäftsführer. „Durch so eine starke Muttergesellschaft ist es einfacher, international Fuß zu fassen, Vertriebskanäle aufzubauen und zu investieren.“

Dabei gibt es viele Möglichkeiten. „Man muss sich fokussieren und kann nicht alles machen“, sagt Thomas Wollinger. Allein schon deshalb, weil komplexe Aufgaben investitionsintensiv sind. „Wer heute im Automobilbereich Software entwickelt, braucht mindestens drei Jahre und 20 Leute, um etwas richtig auf die Straße zu bringen“, so Wollinger, der andeutet, dass Escrypt schon jetzt auch daran arbeitet, noch andere Felder zu erobern. Und dabei komme es vor allem auf eines an. „Es geht darum, die Innovationskraft zu erhalten. Je größer man wird, des größer ist die Herausforderung.“

Väter des Unternehmens

Seine Wurzeln hat Escrypt an der Ruhr-Universität, genauer gesagt am Horst-Görtz-Institut (HGI). 2004 gehörte Professor Christof Paar vom Lehrstuhl für Embedded Security zu den Vätern des Unternehmens, das nicht zuletzt deshalb aus der Taufe gehoben wurde, weil es immer mehr Anfragen aus der Industrie nach Beratungsleistungen gab. „Aber ein Lehrstuhl hat ja nicht die Aufgabe, Industrie-Arbeiten zu erledigen“, so Escrypt-Geschäftsführer Markus Wollinger.

Aus dem Start-up von einst ist längst ein erfolgreiches, etabliertes Unternehmens geworden. Wollinger: „Wir sind kein Start-up mehr im Sinne der Unternehmensgröße. Aber die Start-up-Mentalität, flache Hierarchien, Arbeitssouveränität, Selbstorganisation und Entwicklungsteams, das haben wir uns beibehalten.“

Großes internationales Renommee

Es herrscht noch immer Entdeckergeist und Goldgräberstimmung – sowohl in finanzieller Hinsicht – der Automotive-Security-Markt hat Wachstumsraten von 25 bis 30 Prozent jährlich; aber auch, weil es noch ein weites Feld zu erobern gibt.

Das 2002 gegründete HGI hat sich derweil zu einer internationalen Topadresse entwickelt. Mittlerweile 26 Professuren und etwa 200 Wissenschaftler bilden mehr als 1000 Studierende aus. Damit ist das HGI die größte Ausbildungsstädte in Europa im Bereich der IT Sicherheit – und es ist Ausgangspunkt zahlreicher Firmengründungen im Bereich IT-Sicherheit. Ein Institut von großem internationalem Renommee.

Weltweit bekannt für die Ausbildung

„Bochum“, sagt Escrypt-Chef Wollinger, „ist ganz wichtig für uns, das muss man ganz klar so sagen. Die Nähe zur Ruhr-Universität, zum Horst-Görtz-Institut. Wir haben hier eine klasse Ausbildung. Bochum ist weltweit bekannt dafür, dass hier sehr gute Leute ausgebildet werden.“