Essen. . Krupp-Nachfahre Friedrich von Bohlen und Halbach zeigt sich besorgt um Thyssenkrupp. „Das Unternehmen erscheint orientierungslos“, sagt er.

Der radikale Strategiewechsel von Thyssenkrupp stößt beim Krupp-Nachfahren Friedrich von Bohlen und Halbach auf Skepsis. „Das Unternehmen erscheint orientierungslos“, sagte der Enkel der einstigen Firmeneigentümerin Bertha Krupp im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wesentliche Akteure wirken getrieben. Das Hin und Her der Aussagen ist atemberaubend.“

Vor wenigen Tagen hatte Thyssenkrupp-Vorstandschef Guido Kerkhoff nach dem Scheitern der geplanten Stahlfusion mit Tata auch die angestrebte Zweiteilung von Thyssenkrupp in einen Industrie- und einen Werkstoffkonzern begraben. Nun steht der Ruhrkonzern vor einer harten Sanierung. In den kommenden drei Jahren sollen 6000 Jobs wegfallen.

Aufsichtsrat von Thyssenkrupp trifft sich zu Beratungen

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Die Mitglieder des Aufsichtsrats von Thysenkrupp wollen an diesem Dienstag (21. Mai) über das neue Konzept beraten. Vorstandschef Kerkhoff bereitet den Konzern auf massive Einschnitte vor. „Unsere wirtschaftliche Lage ist heute schlechter, als wir es vor einem Jahr erwarten konnten“, sagte Kerkhoff vor wenigen Tagen im Gespräch mit unserer Redaktion.

Dass die seit dreieinhalb Jahren geplante Stahlfusion mit dem indischen Hersteller Tata in Europa am Widerstand der EU-Wettbewerbshüter gescheitert sei, wirke sich negativ aus, erklärte Kerkhoff. „Die aus dem Zusammenschluss erhofften positiven Effekte wird es nun nicht geben. Darauf müssen wir reagieren.“

„Eindruck von Aktionismus“

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Mit einem Börsengang der Aufzugsparte soll möglichst bald Geld in die Konzernkasse kommen. Ziel ist auch eine Holding-Struktur mit einer kleineren Konzernzentrale und unabhängigeren Geschäften rund um Autoteile, U-Boote und Industrieanlagen. Dies sei nicht gleichzusetzen mit einer Zerschlagung, beteuerte Kerkhoff.

Es entstehe der „Eindruck von Aktionismus“, sagte Friedrich von Bohlen und Halbach, der Mitglied im Familienrat der rund 85 Krupp-Nachfahren ist, mit Blick auf den Strategieschwenk: „Vor wenigen Tagen sollte der Stahl noch ausgegliedert werden, jetzt steht er im Mittelpunkt. Die Aufzugsparte galt als Pfeiler der Zweiteilung, nun wird offen über Details eines Verkaufs gesprochen. Kurzum: Innerhalb weniger Stunden wurde die sogenannte Strategie des Konzerns atomisiert.“

„Es ist keine Strategie, 6000 Stellen zu streichen“

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Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff gestikuliert am 15.5.2019 während eines Interviews in der Zentrale in Essen. Foto: Lukas Schulze / FUNKE Foto Services
Von Andreas Tyrock, Ulf Meinke und Stefan Schulte

Das ganze vergangene Jahr sei „ein verlorenes Jahr gewesen“, bemängelte Friedrich von Bohlen und Halbach. „Die Firma steht wieder da, wo sie damals stand. In der heutigen, schnelllebigen Zeit ist das gefährlich. Und das Unternehmen ist in einer finanziell schwierigen Situation.“ Umso wichtiger sei es, dass Thyssenkrupp nun in die Offensive komme. „Es ist keine Strategie, 6000 Stellen zu streichen und die Aufzugsparte zu Geld zu machen. Es stellt sich immer wieder dieselbe Frage: Wofür steht Thyssenkrupp heute und in Zukunft?“

Die von Konzernchef Kerkhoff vorgetragene Idee, Thyssenkrupp als Holding, also wie eine Beteiligungsgesellschaft, zu führen, sei grundsätzlich richtig, sagte der Krupp-Nachfahre. „Eine schlanke Industrie-Holding ähnlich Siemens macht in unseren Augen Sinn.“ Der Anspruch müsse sein, mit den eigenständigen Einheiten in ihren jeweiligen Märkten zu den weltweit führenden Unternehmen zu gehören. „Um das zu erreichen, muss jede Einheit ihre eigene Strategie haben, die mit der Holding abgestimmt und durch diese unterstützt wird. Das kann auch Börsengänge, Käufe, Verkäufe oder Verschmelzungen einschließen.“